Karren, Quiz und Käsekuchen – Watt’n Törn 6.0
Es wurde mal wieder Zeit für den schönsten Stau des Nordens: Watt’n Törn 6.0 stand an! Heute möchte ich euch vom Fisch des Jahres, Scheunen und Karamellbonbons erzählen.
Ein Satz hatte alles verändert.
Die Welt stand still. Das Rauschen der großen Bäume hörte schlagartig auf. Kein Straßenlärm war mehr zu vernehmen. Die Krähen zogen lautlos ihre Kreise über Albersdorf. Nur mein Herzschlag dröhnte laut pochend in meinen Ohren. Irgendwann musste es ja ans Licht kommen. Ich spürte, wie der kalte Schweiß auf meiner Stirn brannte. Ich schaute in vierundfünfzig Paar fassungslose Augen, die mich wie in Schockstarre fixierten. Vorsichtig schaute ich zu meiner Beifahrerin, die mich nur nickend durch ihre Sonnenbrille ansah. Sie hatte recht. Es würde alle schockieren, hatte sie mir gesagt. Und es hatte alle schockiert. Das Zittern unterdrückend scrollte ich auf meinem Handy weiter. Doch ich konnte nicht einfach zum nächsten Punkt meiner Ansprache kommen – zu tief saß der Schock noch bei allen. Und auch bei mir. Nie hätte ich gedacht, dass der Satz „Ich habe noch nie Käsekuchen gegessen“ so eine Auswirkung hätte haben können.
Aber fangen wir mal vorne an. Irgendwie ging das Jahr für mich rasendschnell rum. So rasendschnell, dass ich erst im Mai daran dachte, dass es mal wieder Zeit werden würde, mich um die diesjährige Ausgabe des „Watt’n Törns“ zu kümmern. Schließlich hatte ich schon unzählige Nachrichten und E-Mails bekommen, dass Leute wieder oder zum ersten Mal gerne mitfahren würden. Und so kam es, dass ich mich im Mai hinter das Steuer meines Amazon Kombi Ove setzte und mich auf die Suche nach einer Strecke machte. Und zum ersten Mal in der jahrhundertelangen Geschichte des Watt’n Törn fand ich auf Anhieb eine Strecke, die mir gefiel. Das hat es echt noch nie gegeben. Ich glaube, ich musste nur ein einziges Mal umdrehen, weil ich aus Versehen in eine Sackgasse gefahren bin. Aber ansonsten bin ich einfach immer dann abgebogen, wenn ich es einfach schön fand. So, wie ich fast immer eine Strecke suche.
Doch dann verließ mich mein Glück
Eigentlich war alles relativ schnell in trockenen Tüchern. Doch dann sagte mir das Restaurant ab, das eigentlich das Ziel sein sollte. Und ein zweites Restaurant wollte mir eine zeitnahe Rückmeldung geben, auf die ich bis heute warte. Das dritte Restaurant war total begeistert – und sagte mir vier Wochen vorher ab. Ich weiß nicht, wie oft ich die letzte Etappe geändert habe, aber wenn ich so nachzähle, waren es wohl vier Mal. Denn zum Schluss entschied ich mich für die sichere Bank und endete die Ausfahrt wie die letzten Jahre wieder an der Deichkate, in der Nähe des Eidersperrwerks. Doch kaum hatte ich die Ausfahrt endlich durchgeplant, kam das nächste Problem: Meine Versicherung bot keine Veranstalterhaftpflichtversicherungen mehr an. Die braucht man aber, wenn man eine Ausfahrt anmelden will. Also telefonierte ich gefühlt drei Stunden durch die Gegend, bis ich einen Tipp bekam: Die Provinzial (und nein, es ist nicht gesponsert, ich habe alles brav bezahlt) in Brunsbüttel würde sich damit auskennen. Stefan konnte mir nicht nur bei der Versicherung helfen, er liest wohl auch schon seit einiger Zeit diesen Blog. Vielen, lieben Dank noch einmal für deine Hilfe! So stand dem sechsten Watt’n Törn nichts mehr im Wege.
Und so kam es, dass (nach einer noch etwas hektischen Woche Vorbereitungen) wir uns alle am letzten Sonntag in Albersdorf trafen. Dieses Mal hatte ich schon vorher so viele Nachrichten, Mails und Anfragen bekommen, dass ich die Tour tatsächlich einfach nicht öffentlich ausschreiben konnte. Wir waren einfach schon am Limit. Fast 30 Autos sind schon recht viel – fast mehr als ich alleine richtig stemmen kann. Da werde ich mir für nächstes Jahr mal etwas anderes überlegen müssen, aber das ist ja noch kein Problem von jetzt. Das Wetter war ein bisschen wechselhaft, als Jürgen und Ida in Jürgens Punto, meine Eltern in Henkelmännchen und ich zum ersten Mal in Ove (Sorry, Elsa!) mit Ronja Räubertochter als Copilotin in Albersdorf auf den Parkplatz rollten. Und obwohl ich gar nicht soo spät war, standen schon eine Menge Autos dort. Jörg hatte sein Golf Cabriolet herausgeputzt, Björn war mit Oves Bruder da, Janine hatte Elmo (ohne Blaulicht) schon aus Hamburg herbewegt. Ron, Nina, Jukka und Anna Lena waren mit zwei Volvo 240 angedieselt. Lars und Ralph waren offen durch den Regen gedüst – so’n SL ist schon schnell.
Für Süßigkeiten ist gesorgt
Olli hatte sich auch auch schon mit seiner T3-Pritsche bereitgestellt, Olaf stand (mit einer Zigarette in der Hand) unter einem Vordach, geschützt vor dem Regen. Eigentlich hatte ich extra meinen Teller aufgegessen, Jürgen und Ida hätten das sogar bezeugen können. Aber was solls – die Stimmung schien gut zu sein. Wolfgang und Birgit begrüßten mich mit einem Lächeln, Sandmann und seine Begleitung hatten auch eine herzliche Begrüßung auf den Lippen. Ich freute mich, dass die Stimmung scheinbar so gut war – trotz des Regens. Wobei ich mich nun nach einer Woche gar nicht mehr daran erinnern kann, ob es noch regnete, als wir ausstiegen. Ich glaube fast nicht, zumindest hatte ich den ganzen Tag gute Laune und gefühlt schien immer die Sonne. Am Start tauschten alle Teams ihren Anmeldebogen gegen eine kleine Tüte ein, die für alle gepackt wurde. Darin war nicht nur der diesjährige Aufkleber, sondern auch ein Quiz für die BeifahrerInnen und ein paar Süßigkeiten. Ich finde es doof, wenn sich die Mitfahrenden langweilen.
Irgendwann kam auch der Käfer-Konvoi, bestehend aus Karsten und Carsten, Tom und Gerlind und Heiko, angeknattert. Die „blaue Elise“ von Gerlind und Heiko hatte dabei noch wichtige Ware geladen: Schon die letzten Jahre hatte Gerlind immer für alle Teams „Autofahrer-Bonbons“ dabei. Dieses Jahr hatte sie einfach Cavendish & Harvey angeschrieben – und die hatten uns einfach so einige Dosen mit leckeren Karamell-Bonbons zur Verfügung gestellt. Auch hier noch einmal ein großes Danke, sowohl an Cavendish & Harvey, als auch an Gerlind für deine Bemühungen! Zwei weitere Italienische Cabrios, Stefan in seinem Fiat 124 Spider und Martin und Felicia in ihrem Alfa Spider, kamen angefahren, auch offen kamen Torsten im MX5 und Dirk im 911er Cabriolet. Ich glaube, so ein durchmischtes Teilnehmerfeld hatten wir noch nie. Bastian und Sandra kamen den ganzen Weg von Braunschweig im Golf Cabriolet, Matthias wieder im Volvo 145 Express, Ricarda und Yannic im 124er Coupe aus Oldenburg. Lennart und Kerstin waren auch irgendwo mit ihrem 850er T5-R auf einem Festival in Niedersachsen. Daniel und Brian kamen extra aus Dänemark, um mit Daniels Stratus mitzufahren. Wat für lange Wege!
Auf die Plätze, fertig…
Nachdem Klaus und Andrea mit ihrem Citroen CX noch eine Bank überfallen hatten und ich in einer Ansprache noch einmal erklärte, wer wer ist und wie man mich hätte wütend machen können, ging es auch schon los. Zwischendurch schaute schon mal ein bisschen blauer Himmel durch, als wir starteten. Die erste Etappe ging über relativ verlassene Wirtschaftswege – wie eigentlich fast die ganze Strecke. Wer rasen will, ist bei Watt’n Törn falsch. Stress hat man doch im Alltag schon genug. Wobei es mich ein bisschen stresste, dass zwei Tage vor der Ausfahrt Rollsplit auf einem Stück verteilt wurde. Aber gut – man kann nicht alles haben. Außer ein Eis an einem Ankerplatz, ganz weit weg von Wasser – müsst ihr nicht verstehen. Relativ bald machten wir dann aber die erste Pause. Dieses Jahr konnte ich leider kein Museum finden, das wir besuchen konnten. Entweder war das Museum zu groß – oder der Parkplatz zu klein. Also hatte ich mir ein paar Spiele überlegt. Das erste Spiel war die Schlüsselweiten von drei Muttern zu erraten. 13/17/22 war die richtige Antwort. Anscheinend habe ich große Hände – die meisten Antworten fielen kleiner aus.
Ronja Räubertochter auf meinem Beifahrersitz freute sich über das Quiz, als wir uns wieder auf den Weg zum Pausenpunkt machten, den ich für die Mittagspause im Hinterkopf hatte. Anscheinend waren einige Antwort ein bisschen Panne. Es ist übrigens schwieriger, sich die falschen Antworten auszudenken, als auf Fragen und die richtigen Antworten zu kommen. Schließlich sollen sie ja auch irgendwo plausibel wirken, wenn sie auch totaler Quatsch sind. Auf den „grauen Kohlzierpling“ bin ich fast ein bisschen stolz. Vielleicht wird ja irgendwann tatsächlich ein Vogel so genannt, dann möchte ich aber das Copyright. Es war gar nicht so einfach, sich den Namen auszudenken. Da gingen bestimmt fünf Minuten meines Lebens drauf. Und bei meinem Schrauberglück muss ich mit jeder Minute vorsichtig umgehen.
Mittach!
Irgendwann wurden die Feldwege weniger und die Hügel mehr. Tatsächlich ist Dithmarschen nicht komplett flach, rund um Burg gibt es einen „Klevhang“, einen Kliffhang, der früher wohl mal die Küstenlinie der Nordsee war. Und genau da ging es rüber. Achja – die Burger Au ist 464 Kilometer von Mainz entfernt, nur falls ihr mal gefragt werdet. Und genau diese 464 Kilometer von Mainz entfernt machten wir dann auch Mittag. Aus allen Kofferräumen kamen Leckereien geschwärmt. Von Frikadellen über leckere Blaubeeren bis zu unfassbar guten Sandwiches gab es praktisch alles. Leckereien, soweit das Auge reichte. Okay, ich bin kurzsichtig – aber wir hätten bestimmt einige Fußballmanschaften füttern können. Ich war auf eine Sache aber ganz besonders gespannt. Ich wusste, dass ich die Meute nicht mehr länger im Griff haben würde, wenn ich nicht bald etwas ändern würde: Ich war bereit für das erste Stück Käsekuchen in meinem Leben.
Das Rauschen der Bäume wurde leiser, die leichten Nieseltropfen verdampften auf meiner Stirn. Meine Beine wurden weich wie Pudding und ich war mir sicher, nur noch Sterne zu sehen. Ich lehnte mich sicherheitshalber gegen einen Baum und schaute nach oben. Wie das Tor zu einer anderen Welt öffnete sich der Himmel – ich fühlte mich so, als würde ein heller Lichtstrahl mein Gesicht treffen. Ein kalter Schauer bestehend aus tausend kleiner, kalter Nadelstiche lief über meinen Rücken. Meine Nackenhaare stellten sich auf. Ich fühlte mich wie neu geboren. Der erste Bissen Käsekuchen wird nie wieder aus meinem Kopf verschwinden. „Der ist richtig gut, oder?“, fragte Jürgen mich grinsend und holte mich aus meiner Trance. Ich schaute rüber zu Ronja Räubertochter, die mich nur wissend anlachte. Ich genoss jeden Bissen und hatte immer noch weiche Beine, als ich den Autoknips II herausholte.
Und was ist das?
Kennt ihr einen Autoknips II? Tatsächlich wussten das ein paar Leute, ich aber nicht, als ich es vor einigen Wochen plötzlich in der Hand hielt. Es sieht sehr mechanisch aus, oder? Ist es auch. Es ist ein mechanischer Selbstauslöser für eine Analog-Kamera. Fragt mich nicht, woher ich sowas habe. Ich weiß es selbst nicht so ganz genau – aber egal. Für das kleine Quiz war es super! Irgendwann auf der nächsten Etappe wurde die Streckenführung wohl etwas ungenau. Google Maps, die ich als Routenunterstützung angegeben hatte, hatte wohl irgendwie zwei verschiedene Routen bei dem gleichen Link. Also während die eine Route an rosafarbenen Reifen vorbeiführte, führte die andere Route durch St. Michaelisdonn. Ich bekam das alles irgendwie gar nicht so mit, auch über Funk blieb vom Besenfahrzeug alles still. Also schien alles zu passen, dachte ich. Ich saß total relaxed hinter dem großen Steuer von Ove und fragte mich, ob wohl noch ein Stück Käsekuchen für mich da sein würde. Es störte mich nicht einmal der etwas zu laute Auspuff, der unter Ove dröhnte und den ich ein paar Wochen vorher in einem Anzug auf einem Baumarktparkplatz repariert hatte.
Aber irgendwann trafen dann doch alle beim nächsten und letzten Pausenpunkt ein. Dieses Mal sogar mit Aussicht – ich glaube, dieses Foto ist am häufigsten gemacht worden auf der ganzen Tour. Während sich alle noch mit Nektarinen, Kuchen und Keksen stärkten, ging ich durch die Reihen und fragte erst nach dem Fisch des Jahres 2024, dann nach der Einwohnerzahl von Dithmarschen. Und während es in Dithmarschen wohl mit 135 000 Einwohner mehr Menschen als Dorsche in Seen gibt, führten Jens und Klaus noch einmal das Fahrwerk von ihren Citroens vor und machten den SUV-Modus an. Etwas, was Ricarda und Yannic im tiefen C124 wohl auch gerne gehabt hätten. Und Lennart und Kerstin im T5-R auch. Upsi. Aber ich dachte, man konnte alle Bodenwellen relativ gut umfahren.
Watt’n Tach!
Irgendwann geht auch der schönste Tag zu Ende. Die Deichkate war schon bereit, uns leckere Speisen zu servieren, aber irgendwie kam mir die Menge an Autos relativ klein vor. Als dann irgendwann nur noch meine Eltern angefahren kamen, die eigentlich aufpassen sollte, dass die Meute die richtige Tour fährt, war mir klar, dass noch irgendwo was schief gelaufen war. Irgendwie waren wohl die meisten Teilnehmer ans Eidersperrwerk gefahren – aber das war zum Glück nicht weit weg. Und so kamen doch noch alle ins Ziel, auch wenn ich keine Zielflagge dabei hatte. Bis auf zwei kleine Verfahrer lief aber tatsächlich alles glatt – und ich war noch immer ganz wunderbar entspannt, auch wenn es irgendwo doch immer ein bisschen stressig ist, so etwas zu veranstalten. Aber als ich in all die glücklichen Gesichter schaute, die sich unterhielten und ihr Essen genossen, machte mich das froh, es doch wieder gemacht zu haben. Ronja Räubertochter und Martin schätzten übrigens das Leergewicht von Ove echt gut. 1250 Kilogramm ohne Bratkartoffeln.
Als der Großteil schon weg war, schaute der kleine Rest noch einmal über den Deich. Das Meer war da, die Luft war schön und die Sonne verabschiedete sich langsam. Und ich fühlte mich einfach nur happy. Happy, dass alles mehr oder weniger glatt lief, ich dieses Mal keinen Schlüssel verloren hatte und alle Autos einfach nur durchhielten. Das Wetter war etwas durchwachsen, aber daran sind ja in Dithmarschen sowieso immer nur die Leute aus Hamburg Schuld. Ich finde noch raus, wer da nicht aufgegessen hatte. Nach einer doofen Idee, auf einer Rutsche zu rutschen, humpelte ich quietschend zum zurück Deich, während die anderen noch normal gehen konnten. „Schon schön hier“, sagte mir die Räubertochter als wir oben standen und noch einmal alle einen Blick zurückwarfen. „Ja“, meinte ich und schaute mit zehn weiteren, zufriedenen Gesichtern den Sonnenuntergang an.
„Mal sehen, wie ich euch meine Heimat im nächsten Jahr zeige.“
Olaf hat auch einen richtig lieben Bericht über Watt’n Törn 6.0 geschrieben. Schaut doch mal: Klick
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