Seit 70 Jahren wird Skandinavien von einigen Autos besiedelt. Einige dieser einigen Autos haben einen Buckel und werden schon siebzig.
Passend zum einhundertsten Eintrag hier im Blog gleich ein Jubiläum.
Am 1. September 1944 wurde der erste Buckelvolvo vorgestellt. Die Zeit war gerade nicht so gut für ein Auto für die Massen. Der zweite Weltkrieg war noch voll im Gang und die Leuten hatte andere Sorgen, als sich um ein Auto zu kümmern. Überleben war wohl wichtiger.
Volvo plante trotzdem schon für die Zeit nach dem Kriegsende, das damals schon absehbar war. Auf dem Heimatmarkt plante Volvo mit einer Monopolstellung in Schweden und – da die anderen Länder andere Sorgen hatten – dachten sie auch an ein gutes Exportgeschäft. Aber bevor man etwas verkaufen konnte, musste erst einmal etwas entwickelt werden. Dazu beauftragte Volvo den Ingenieur Helmer Petterson. Er hatte schon vorher reichlich Erfahrung bei anderen Autoherstellern in den USA gesammelt. Er bekam dann ein Team von 40 Leuten und die Aufgabe, das „neue, kleine Nachkriegsauto“ zu entwickeln.
Ziemlich früh wurde eine Karosserie entworfen. Als sie nach verschiedenen Stufen der Erprobung (man kennt sie ja, die Prototypen) ein fertig lackiertes Holzmodell in 1:1 ihren Chefs Larson und Gabrielsson vor die Nase stellten, meinten beide einstimmig (was wohl selten der Fall war), dass sich das Auto gut verkaufen werde. Nachdem auch noch ein neuer Motor entwickelt wurde, wurden der erste, serienreife PV sehr schnell zusammengebaut und am 1. September 1944 in den königlichen Tennishallen auf einer Automobilausstellung in Stockholm vorgestellt. Über 2300 Kaufverträge wurde aufgrund des schnellzusammengebauten PVs während der Ausstellung schon geschlossen und jeden Tag wurde ein Auto verlost. Sowas nennt man heute wohl Marketing-Strategie. Das hieß aber nicht, dass die Autos auch im selben Jahr noch ausgeliefert wurden. Als die Kunden ungeduldig wurden, schickte man einen weiteren, serienreifen PV durch Schweden. Er klapperte alle Volvo-Händler ab. Er war praktisch auf Tournee, wie ein Filmstar. Volvo wollte für seine Kunden absolute Zuverlässigkeit und ließ sich deswegen noch ein wenig mehr Zeit, um zu testen. Es gab aber noch ein anderes Problem. Rohstoffe. Nicht nur Volvo wollte Autos bauen, auch in den USA gab es einige Autohersteller, die das vorhatten. Schlussendlich konnte aber 1947 der erste PV an ausgeliefert wurden. Es dauert nicht lange, und alle Autos waren ausverkauft. Das bedeutete für Volvo Verlust. Durch ständige Verbesserungen und teuren Entwicklungen konnte Volvo den PV eigentlich nicht mehr für den angesetzten Preis von 1944 verkaufen. Gabrielsson wollte und machte das aber. Auf dem Schwarzmarkt wurden damals Kaufverträge bis zum dreifachen Preis des Autos verkauft. Über die Jahre gab es immer wieder Verbesserungen und das Auto verkaufte sich wie sonstwas. Es gab wirklich lange Wartezeiten und Volvo machte einen guten Umsatz, der immer gleich in die Verbesserung der Arbeitsweise und der Autos gesteckt wurde. Aber auch der Export wurde immer wichtiger. Natürlich war Nordamerika ein großer Abnehmer für buckelige Volvos, 1953 wurden aber sogar 50 Fahrzeuge nach Japan verkauft. Volvo ließ sich, um das Auto immer attraktiv zu halten, auch ein paar Geschäftsmodelle einfallen. 1954 gab es eine Garantie, die viele Kunden anlockte. Wenn man ein Auto kaufte, war es automatisch für fünf Jahre versichert. Da kaum etwas kaputt gingen, wurden Schäden über 200 Kronen (auch Unfallschäden) von Volvo übernommen. Das fanden Versicherungen nicht so toll und zeigten Gabrielsson an, der 1958 dann aber freigesprochen wurde.
Der PV (PersonVagn) 444 (4 Sitze, 40PS, Vier Zylinder) wurde bis 1958 gebaut. Zuletzt in der „L“-Modellreihe, wie auch Elsa eine ist. Zu dem Zeitpunkt war das Konzept schon 14 Jahre alt, eigentlich doch mal Zeit für etwas neues, oder? Volvo dachte sich das aber anders und ließ die alten Karosserieformen überarbeiten, was wesentlich günstiger war, als eine komplett neue Karosserie zu entwerfen. Der 544 war geboren. Vor allem die durchgehende Frontscheibe und die größere Heckscheibe verraten ihn. Aber auch im Innenraum gab es Veränderungen, da ist vor allem der Bandtacho auffällig. Der PV 544 war, im Gegensatz zu Elsas Modellreihe, nun als Fünfsitzer zugelassen. Wobei ich mir da nicht ganz sicher bin, da Elsa auch als 5-Sitzer im Fahrzeugbrief eingetragen ist. Buckelvolvos wurden auch viel in Rallyes eingesetzt, die sie immer sehr gut meisterten, weil sie kaum Mängel hatten und äußerst robust waren. Eine bessere Werbung konnte es damals nicht geben. Heute ist der PV, gerade in Schweden, ein Kultauto. Und das sage ich nicht, weil ich einen habe und denke, er ist dadurch mehr wert. Dort gibt es viele Umbauten, gerade auch auf Duett-Basis (Das ist der Kombi mit einem Rahmen anstatt einer selbstragenden Karosserie). Durch die äußerst stabile Bauweise konnte mit etwas Pflege ein PV ewig halten. Sie können aber auch rosten, wie ich es angeblich mal irgendwo gehört habe. Wobei ich das immer noch für ein Gerücht halte. Angeblich gibt es in Schweden öfter noch ältere Herrschaften über 80, die ihren PV als Neuwagen gekauft haben. Insgesamt wurden 440 000 Buckel verkauft und 180 000 gingen, wie meine Elsa, in den Export. Auf einer Oldtimerrallye hörte ich mal einen lustigen Satz: „Abba, Knäckebrot und Buckelvolvo. Schwedischer geht es nur noch mit einem Billy im Kofferraum.“
Herzlichen Glückwunsch, Buckelvolvo.
Aufgrund seines neutralen Status lief das Leben in Schweden auch während des Krieges in den bekannten zivilen Bahnen ab – der Überlebenskampf spielte sich in so gut wie allen anderen europäischen Ländern ab.
In den Neunzigern konnte man wirklich noch ältere Herrschaften mit ihrem PV 444 bei Besorgungen in den kleinen Orten sehen.
Hallo Nils,
das stimmt! In Schweden war es da etwas entspannter als im Rest von Europa.
Mein PV ist übrigens bis in die 90er Jahre in Dänemark geblieben. Ob er noch aus erster Hand ist, kann ich allerdings nicht sagen. Einige PV fahren anscheinend sogar noch heute in erster Hand herum. Wohl gerad ein Nordschweden. Krass, oder?
Schöne Grüße
Lars