Scheiben ausbauen – ohne Hammer

Wenn man ein Auto schön lackieren lassen möchte, müssen die Scheiben raus.

comp_comp_SAM_4125Genau das wollten wir auch bei Elsa. Dichtungen und Scheiben sollten ganz bleiben.

Die letzte und die nächste Zeit wird für mich ziemlich stressig. Zwar werde ich am 04.04 nach Brokstedt fahren – vielleicht trifft man ja die ein oder andere Person – , aber danach wird es wohl so stressig für mich werden, dass ich für ein paar Wochen keine Zeit für den Blog habe. Ich hoffe, ihr versteht es. Ist halt ein Hobby von mir und manchmal muss man auch auf Hobbys verzichten.

Heute soll es aber nun mit meiner kleinen, rostigen Elsa weitergehen.

Folgendes passierte am Samstag, den 13.09.2014 – Schraubertag Nummer 72.

Die Motivation etwas an ihr zu machen war nicht so groß. Heute Morgen saß ich total unmotiviert vor’m Schreibtisch und schaute mir bei YouTube-Videos an. Dann kam ich auf eine Folge von „Wheeler Dealers“, die in der Sendung einen Ford Fiesta XR2 der ersten Generation wieder aufhübschten. Und ich dachte „Och ja, an alten Autos schrauben bringt Spaß….“ und ging dann zu Elsa. Ich schaute so an ihr rum und ergriff den Plan, nach dem Mittagessen da aufzuhören, wo ich angefangen war.

comp_comp_SAM_4121Von El-Gigante bekam ich den Tipp, überall halbe Wäscheklammern unterzuwühlen, um sie dann rauszudrücken. Mein schlaues Volvo-Buch sagte mir aber, dass die Seitenscheiben nach innen reingedrückt werden müssen, wenn man z.B. den Schlüssel drin hat liegen lassen und die Tür nicht aufginge. Gut, Elsa hat keine Türen und der Schlüssel hängt neben den anderen Autoschlüsseln. Aber ich könnte es doch mal so versuchen . Ging aber nicht.  Also ließ ich es erstmal liegen. Das war alles vor ein paar Wochen.

comp_comp_SAM_4122In der Zwischenzeit redete ich mit meiner käferschraubenden Schrauberhilfe JM nochmal drüber, wie er die Scheiben rausbekommen hatte. Er meinte „Da hab ich ’n dickes Band zwischengeklemmt und rausdrückt. War fummelig, ging aber.“ Gar keine schlechte Idee. Die Dichtung ist ja praktisch ein „U“-Profil. Wenn man da nun die Dichtung hochbekommt und ein Seil dazwischen klemmt, hat man ja ein „L“-Profil und kann es dann rausdrücken. Ob das geht?
Die erste Hürde bestand darin, erstmal ein richtiges Seil zu finden. Zu dünn darf es nicht sein und zu dick auch nicht. Mama fiel dann ein, dass Papa immer verschiedene Seile im Kofferraum des Passats herumkutschierte. Davon passte ein rotes. Dann konnte es ja losgehen. Als Hilfe musste meine Mutter beistehen, Papa hielt nämlich Mittagsstunde.

Nachdem ich das Seil erst falsch angesetzt hatte (und es wieder rausrutschte) und ich es per Daumen und Zeigefinger meiner linken Hand (die zogen die Dichtung hoch) und dem Daumen meiner rechten Hand (der drückte das Seil rein) ein zweites Mal comp_comp_SAM_4123reindrückte, sollte es dann nochmal versucht werden. Meine Mutter musste wieder ins Auto klettern („Puh, ist das waaarm hier drin!“) und ich stand draußen schwitzend, weil ich die Scheibe nicht kaputt machen wollte. Ich klatschte und haute erst ein paar Mal auf die Scheiben und drückte dann ein wenig stärker. Spannung. Mama schaute gespannt und war bereit die Scheibe aufzufangen. Ich drücke mit aller Kraft (aber gesteuert) und hatte Angst die Scheibe gleich zu zerbrechen. Wir hörten die Gummidichtung quietschen und die Dichtmasse nachgeben und *flupp* war die Scheibe an einer Seite draußen. Puh. ich konnte mir die Schweißperlen von der Stirn wischen und mich freuen. Die Scheibe war draußen. Ich habe mich so gefreut, dass ich zum Fenster gegangen bin, wo Papa pennte, klopfte und die Scheibe zeigte. Er schlief aber weiter.

Das selbe Spiel wiederholte sich dann auf der Beifahrerseite mit der Seitenscheibe. Ich drückte unter massivem Verlust meiner Haut an meinen Fingern (und ich wunderte mich, woher die roten Flecken an Elsa herkamen) das Seil wieder drunter, drückte, es rutschte raus, ich popelte es wieder unter die Dichtung, ich drückte und *flopp* war die andere Seitenscheibe auch raus. Zum Vorschein kamen übrigens auf beiden Seiten rostfreie Fensterführungsbleche (?). Wie nennt man sowas?

Übrigens, was ich noch nicht erzählt habe. Uns ist aufgefallen, dass alle Scheiben – bis auf Heck- und Türscheibe – eigentlich kaputt sind. Von innen sind Punkte in die Scheiben eingebrannt. Ob die von Papas Schweißen kommen oder nicht, können wir schlecht sagen. Neu zu kaufen gibt es sie nicht mehr, aber man kann sie „relativ günstig“ (so sagte man mir) bei einem Autoglaser nachbauen.

Doppelte Scheibe, doppelte Scheibenwischer, doppelte Scheibenwaschdüsen. Ich wusste von meinem Besuch bei einem Volvo-Gebrauchteile-Händler, dass die Scheiben bei Volvo nicht das Gelbe vom Ei sind. Sie sind oft nicht so dicht und lassen somit den Scheibenrahmen rosten. Und das ist ieh. Man sollte sich damit behelfen, ordentlich Dichtmasse reinzuschmieren, wenn man die Scheiben neu einsetzt. So hat das wohl auch mal eine Werkstatt (oder ein Besitzer?) gemacht, der die Frontscheiben neu einsetzte. Ordentlich Dichtmasse reinschmieren. Lecker, hmmm. Ich kann mir den Werkstattmann (falls es einer war) richtig vorstellen, wie er es damals dem Lehrling beibrachte:
„Man nehme einen 57er PV 444 LS mit der Erstzulassung im März 58 mit kaputten Frontscheiben. Dazu zwei Stück neue Frontscheiben, zwei Dichtungen (eine große und eine kleine) und 444 kg Dichtmasse. Nachdem behutsamen Entfernen der alten Scheibe und der alten Dichtungen und dem unabdingbarem Reinigen des Scheibenrahmens, nehme man die 444 kg Dichtmasse und verteile sie auf dem Rahmen und in der Dichtung. Anschließend baut man die Scheiben schnell ein und lässt es trocknen. Serviert wird dem Kunden dann ein PV 444, der dort nicht mehr rostet und die Scheiben nie wieder verliert.“

comp_comp_SAM_4124So der Plan. War wohl auch gut durchdacht. Allerdings ist es doof, wenn man die Scheiben wieder raushaben will. Habe ich heute gemerkt. Außenrum bin ich mit einem Schaber unter die Dichtung (unter… gar nicht leicht) und bin einmal rundherum lang gegangen. Und auch ein paar Mal abgerutscht, was mir neben blutigen Fingern auch noch einen blutigen Unterarm brachte. Die Scheibenwischdüsen sind ein wenig schärfer gewürzt, als ich dachte.

comp_comp_SAM_4127Erst ging es an die Beifahrerseite. Mit meinen hautlosen und immer noch blutenden Fingern popelte ich das Plastikseil diesmal von innen unter die Dichtung. Was für eine Arbeit. Alte, störrische Dichtung, Schmerzen, warm, Nervösität. Diesmal war der Schweiß kein Angst- oder Nervositätsschweiß, sondern richtiger. Puh… normalerweise schwitze ich nicht schnell. Als das Band endlich untergedrückt war (und wieder rausrutschte) und ein zweites Mal am Platz war, meinte meine Mutter: „Elsa, nun ärger‘ uns nicht so.“ Ich legte mir ein paar Decken in Elsas Fußraum und legte mich hin, um mit den Füßen die Scheibe vorsichtig rauszudrücken. Ich habe zwar „Fingerspitzengefühl“ und bin eigentlich auch recht geduldig, aber mein Gefühl in den Füßen reicht für Kupplung, Bremse, Gas und für’s Tanzen. Fußballspielen kann ich überhaupt nicht. Genauso wenig schnell rennen. Trotzdem reichte mein Gefühl anscheinend, um die Scheibe gefahrlos rauszudrücken. Das ging übrigens auch erstaunlich einfach.

Auf der zweiten Seite, also der Aufkleberseite, war es schon schwieriger. Noch mehr comp_comp_SAM_4128Dichtmasse. Was für ein Schmierkram. Erstmal musste ich wieder das Band mit meinen blutigen Fingern (Ja, ja, ich höre gleich auf zu jammern :P ) unter die Dichtung bekommen. Diesmal rutschte sie nicht raus. Doof war diesmal das Gegendrücken von innen. Irgendwie ist da so ein großes, rundes Objekt im Weg, mit dem man machen kann, dass das Auto dahin fährt, wo man es haben will. Das ist natürlich, wenn man auf Decken gut gepolstert auf dem Rücken liegt (und bloß den Nacken nicht zu stark bewegen) blöd an die Scheibe zu komme. Mit ein wenig „Fußfeingefühl“ ging es auch und die Scheibe war ebenfalls unbeschädigt draußen.

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Unter der Dichtung konnte man eine von mir bereits erwartete Durchrostung sehen. Das habe ic vorher schon immer gesagt, dass sie da durch ist. Egal – nun noch die Heckscheibe.

comp_comp_SAM_4130Elsa ist kein kleines Auto. Wenn man mit anderen, europäischen Autos aus der Zeit vergleicht, würde ich sagen, dass sie sogar recht groß und recht luxuriös war. Nur ein Problem hat sie. Die Heckscheibe sitzt wirklich doof. Sicht nach hinten ist eigentlich nie schlecht. Nur, wer soll da etwas erkennen können? Die Scheibe sitzt hoch und ist flach. Der ganze Bereich, wo die Heckklappe ist, sieht man nichts, da sie auch nur einen Rückspiegel hat. Vielleicht ist deswegen meine Heckstoßstange, die immer noch auf den Zusammenbau wartet, ein wenig zerdellt. Hoffen wir mal, dass ich keine neuen reinmachen werde.

Erstmal ging es wieder darum, die alte mit Dichtmasse und Lack zugekleisterte Dichtung zu lockern. Doof, wenn man wie ich, nicht der Größte ist und Elsa auch noch recht hoch aufgebockt ist. Ein paar Mal bin ich abgerutscht. Es würde sich lustig anhören, wenn ich sage, dass ich dabei vom Hocker gefallen bin, aber das war es gar nicht mal so. Übrigens – die zugematschen Dichtungen sind ein weiterer Grund dafür, dass die Scheiben zum Lackieren rauskommen. Ein Ferkelkram ist das vielleicht…

comp_comp_SAM_4132Dann musste von innen das Band wieder reingedrückt werden. Nein, nicht „das“ rote Plastikband, sondern ein anderes. Das rote Plastikband war zu breit, obwohl es bei vier anderen Scheiben brav seinen Dienst tat. Ja, das muss man nicht verstehen.
Ein Glück hat Volvo damals bei der Entwicklung an mich gedacht. Wenn man einen Buckelvolvo restauriert, kann man, wenn man den Tank bereits über ein Jahr demontiert hat, die Füße prima in der dafür vorgesehenen Öffnung comp_comp_SAM_4134baumeln lassen und sich dabei mit den schmerzenden Fingern und dem komischen Band und der Dichtung abmühen. Ist das Band drunter gewurschtelt, gehört es eigentlich nur noch zur Aufgabe eine nackenschonende Liegeposition einzunehmen, um die Scheiße per Sockenmassage rausdrücken zu können. Das mit der nackenschonenden Liegeposition muss ich nochmal irgendwie üben… Irgendwie hatte ich mich verheddert.

comp_comp_SAM_4133Nachdem ich eine Position im Liegen mit meinen viel zu warmen Socken am Fenster eingenommen hatte, kommt es losgehen. Natürlich rutschte das Band aus der Dichtung fast ganz heraus. Nun reichte es mir. Insgesamt haben wir an fünf Scheiben zweieinhalb Stunden gesessen.

An einer Ecke saß das Band noch. Mit dem (äußerst dummen) Risiko die comp_comp_SAM_4135Heckscheibe zu zerbrechen, drückte ich dort einfach gegen und ich hörte es leicht knirschen. Egal, wenn sie nun kaputt geht, dann… *flopp* draußen. Puh. Nachdem ich mich aus der Lage wieder befreit hatte, freute ich mich. Und zwar richtig. Alle Scheiben waren unbeschadet draußen. Die Heckscheibe kam dann erstmal auf den Boden in Sicherheit.

Aber was hatte da so geknirscht und gebröselt beim Ausbau? Eine neue Baustelle. Mein Vater freute sich vielleicht…

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Zweieinhalb Stunden um. So schnell. Nun war Elsa zugig. Wer braucht schon Scheiben? Vielleicht sollte ich einen Elsa-Buggy bauen…

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Das war es dann erstmal wieder von Elsa. Als nächstes wird wieder mal gebruzzelt.

Ist halt nicht in 45 Minuten getan, so eine Auto-Wiederbelebung.

Über Watt'n Schrauber

Autoverrückt, restauriert einen Buckelvolvo mit wenig Budget, mag Fotografieren, Tanzen und ist manchmal wohl ein wenig durcheinander. Und mag Norddeutschland.
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6 Antworten zu Scheiben ausbauen – ohne Hammer

  1. El Gigante sagt:

    Moin Lars,

    da hättest Du statt des Seils ruhig weiterhin die Wäscheklammern nehmen können – Du bist nur zu zaghaft an die Sache heran gegangen. Speziell wenn zusätzlich irgendeine Dichtmasse zwischen Dichtung und Karosserie gequetscht wurde, backt der ganze Salat recht fest im Rahmen. Na ja – egal, Du hast es ja auch so geschafft.

    Gruß
    Andreas

    • Hey Andreas,
      ich glaube auch, dass ich mit den Wäscheklammern wohl etwas zu sanft umgegangen bin. Zumindest war die Scheibe, wo ich vorher die Wäscheklammern zwischen geklemmt habe, am schnellsten heraus. Und meine Finger blutig ;-).
      Schöne Grüße
      Lars

  2. El Gigante sagt:

    … ach ja – und die vielen kleinen eingebrannten Punkte in den Scheiben sind durch den Funkenflug beim Flexen (also durch die Trennscheibe) entstanden. Dadurch sind die Scheiben jedoch nicht kaputt – Du kannst die kleinen Stückchen auf den Scheiben mit einem Ceran-Kochfeldreiniger (son Schaber mit Rasierklinge) wieder glatt machen. Und halt draus lernen: beim Flexen dürfen die Funken NIE auf Scheiben oder schicken Lack fliegen!

    Gruß
    Andreas

    • Hey Andreas,
      das ist ein guter Tipp! Vielen Dank dafür :-).
      Wir wissen nicht, ob die Punkte schon da waren oder ob wir sie gemacht haben. Abschraben werden wir sie nun aber. Neu nachschneiden lassen werden wir aber trotzdem welche. Noch haben wir die originalen Scheiben ja als Vorlagen.

      In Zukunft beim „nächsten“ bauen wir die Scheiben dann gleich aus ;-).

      Schöne Grüße
      Lars

      • El Gigante sagt:

        Hi Lars,

        wie wollt Ihr die Scheiben „nachschneiden“ lassen? Das ist doch spezielles Glas, auf keinen Fall normales Fensterglas. Oder willst Du da Plexiglas nehmen? Das zerkratzt schnell.

        Gruß
        Andreas

        • Hey Andreas,
          wir werden die Scheiben von einem Autoglaser anfertigen lassen. Da es ja planes Glas ist, ist es nicht so aufwendig wie zum Beispiel eine Panoramascheibe herzustellen. Wir haben auch schon einen Autoglaser gefunden – waren aber nur noch nich da ;-).
          Schöne Grüße
          Lars

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