(Fast) fahrende Versuchungen…

Der Winter naht. Im Kopf des Altautobesitzers spielen sich wieder Szenen im Kopf ab.SAMSUNG CAMERA PICTURESRomantische Szenen von Schweiß- und Schrauberabenden in der warmen Werkstatt…

Nur aus dem Augenwinkel konnte ich die Konturen erhaschen. Im Rückspiegel konnte ich es nicht erkennen. Aber eins war sicher – die eigentlich geplante Reise nach Niebüll müsste für einen Augenblick unterbrochen werden. Unter dem Protest meiner Eltern, deren Kombi ich gerade unter dem Hintern hatte, wendete ich vielleicht etwas zu flott und fuhr zurück. Ich war mir sicher aus dem Augenwinkel einen Wagen erkannt zu haben, der schon länger auf meiner „Will-ich-irgendwann-einmal-haben“-Liste stand. „Meine Güte, du und deine alten Autos!“, hörte ich es nur von der Rückbank meckern. „Wir sind eingeladen! Wir kommen noch zu spät!“ 

Einige Leute sagen, ich würde alte Autos leben. Was auch immer das heißen soll. Ich glaube eher, dass ich behaupten kann, vom Alt-Auto-Virus befallen zu sein. Als kleiner Junge träumte ich schon vom eigenen Oldtimer, als ich an der Hand meiner Mutter überSAMSUNG CAMERA PICTURES Oldtimertreffen schlenderte. Mit dreizehn kaufte ich zusammen mit meinem Vater ein altes Golf Cabriolet und sammelt mit dem Auto die ersten Oldtimer- und Schrauber-Erfahrungen. Mit siebzehn kaufte ich einen rostigen Volvo, nannte die alte Dame Elsa, restaurierte sie und fahre damit heute fröhlich durch die Gegend. Auch meine über vierzig Jahre alte Zündapp schiebe ich nach jeder Panne (und das ist häufig…) mehr oder weniger freudig (kommt darauf an, wie viele Kilometer es noch sind…) nach Hause und freue mich darauf, meine Finger ölig und dreckig zu bekommen und sie wieder fit zu machen. Manchmal freue ich mich ein wenig, wenn etwas kaputt gegangen ist, damit ich es wieder reparieren kann. Dass ich einen Schuss weghabe, ist wohl irgendwie klar.

Meine Augen hatten mich nicht betrogen. Da stand er vor mir, in einem griesen Grauton. Ein alter Opel Rekord B, der die besten Zeiten schon deutlich hinter sich hatte – aber von der Substanz her noch in Ordnung schien. Ein Schild hing im Fenster der hinteren Tür.SAMSUNG CAMERA PICTURES „Zu verkaufen“. Es ist immer gefährlich, wenn man so etwas sieht und rein theoretisch sogar noch ein Stellplatz für ein Auto frei wäre. Ich machte schnell ein Foto von der Nummer und entschied mich den Besitzer später einmal zu kontaktieren. Ansehen könnte man ihn ja mal… und ein paar Infos reinholen. Die Radläufe, die Endspitzen und selbst der Schweller machten einen guten und stabilen Eindruck. Der mattgraue und gerollte Lack hingegen weniger. Auch der Innenraum war nicht mehr so ganz schick – zumindest waren die Sitze nicht zerrissen. Im Kopf malte ich mir natürlich gleich ein Schnäppchen aus. Meine Fantasien wurden von einem Ruf unterbrochen, dass wir uns so langsam wirklich weiter auf den Weg nach Niebüll machen sollten… Den ganzen Nachmittag dachte ich an den alten Rüsselsheimer.

Einige Stunden später rief ich den Besitzer an – und er meldete sich auch sofort. Ich könnte mir den Rekord gerne einmal ansehen. Ich sollte mich nur melden, wann ich denn in der Nähe sei, er würde dann mit dem Schlüssel vorbeikommen. Wir trafen uns SAMSUNG CAMERA PICTURESdort – meine Eltern blieben wissend, dass sie an meinem Tick wohl eh nichts mehr ändern könnten, vorsichtshalber lieber im Auto sitzen. Ich erfuhr ein paar Daten von dem Auto. Es wäre ein Opel Rekord Olympia, also eine der seltenen Sparversion, der eh schon nicht einmal ein Jahr lang gebauten Rekord B- Reihe. Ein fünfzehnhundert Kubik-Motor würde unter der Haube schlummern (Der zwar durchdrehte, aber aufgrund einer müden Batterie nicht startete) und über ein Dreiganggetriebe würde der Wagen seine Kraft an die Hinterachse weiterleiten. Der Preis war fair – aber kein Schnäppchen. Und über meinem selbstgesetzten Limit, das mit jeder Minute eher noch sank als stieg, je mehr Ecken und Kanten ich mir von dem Wagen ansah. Ich bedankte mich bei dem Verkäufer, stieg in das Auto meiner Eltern und machte mich wieder auf den Heimweg.

Situationen wie diese kommen in letzter Zeit immer häufiger vor. In letzter Zeit sehe ich immer mehr Autos am Straßenrand stehen, die mich interessieren könnten. Wie zum SAMSUNG CAMERA PICTURESBeispiel eben dieser Rekord oder ein blauer Mercedes W123 als 300D. Auch an Orten, wo ich nicht wirklich an Oldtimer denken würde, kamen mir schon Autos vor die Nase, die ein neues Zuhause suchten. So fand ich neulich auf einem Trödelmarkt einen schwarzen Rekord P1, der schick aussah – aber (zum Glück) zu teuer für mich war. Ich bin nämlich verwundbar. Es ist nämlich noch ein Stellplatz frei. Und ich habe leicht Mitleid mit alten, herrenlosen Autos. Gerade, wenn sie noch ein wenig Aufmerksamkeit brauchen. Jeder mit dem Alt-Auto-Virus weiß, dass diese Kombination gefährlich ist. Sehr gefährlich.

Helfen tun da auch nicht wirklich Oldtimerfreunde, die nach dem nächsten Projekt nach Elsa fragen oder mir sogar ein neues Projekt vorschlagen. Neulich hatte ich es erst. Ein schwarzer Opel Kapitän stand aus einer Erbschaft heraus zu verkaufen. Der Besitzer starb leider während der Restauration des großen Opels und die Erben wollten ihn in gute Hände wissen. Auf Geld kam es ihnen gar nicht so sehr an. Bevor ich selbst nachdenken könnte, ob der Wagen (ein weiterer Traumwagen von mir) etwas für mich wäre, fand ich zum Glück jemanden, der sich dem Schlachtschiff angenommen hat und mir nun immer fröhlich Bilder vom Zusammenbau der lackierten Rohkarosse schickt und mich ein wenig neidisch macht. Denn Lust zu schrauben hätte ich ja schon…

„Na, das ist doch mal vernünftigt“, hörte ich von der Rückbank, als wir von Niebüll nach Hause fuhren und ich meinte, dass der Rekord nichts für mich wäre und ich das Geld comp_comp_sam_3652alieber in die vorhandenen Fahrzeuge stecken wollte. Geld ist nämlich ein großes Thema, wenn man eine „Autosammlung“ hat. Jedes Auto kostet Steuern und Versicherung. Bei mehreren Oldtimern kann man da mit einem 07er-Kennzeichen gegensteuern – aber Sprit-, Service- und Reparaturkosten fallen auch da an. Reifen werden irgendwann hart und pöros, Öl altert und verliert seine Schmiereigenschaften und sogar die Gummidichtungen an den Fenstern werden irgendwann hart. Und auch, wenn es sich alles nach Kleinigkeiten anhört – Kleinvieh macht auch Mist. Sogar viel Mist, wenn man mehrere kleine Viecher hat.

Dann ist da noch der Faktor Zeit. Wenn man nicht gerade mit einem Goldesel beglückt ist und für Reparaturen oder Servicearbeiten einen eigenen Angestellten (oder zumindest eine gute Werkstatt) hat, ist das Hobby „Altauto“ nämlich doch recht zeitaufwändig. Sei es nun der jährliche (zumindest mach ich ihn jährlich) Ölwechsel, das Abschmieren oder comp_comp_sam_1305nur das Pflegen und Sauberhalten – alles das kostet Zeit. Je mehr Autos man hat, desto mehr Zeit kostet es auch. Auch Reparaturen brauchen Geduld. Oft sind es nur Kleinigkeiten, die kaputt gehen oder Aufmerksamkeit brauchen. Aber alte Autos haben die Gabe eine eigentlich nur fünf Minuten andauernde Reparatur in ein Wochenendprojekt zu verwandeln. Wobei das ja auch Spaß bringt. Meistens zumindest. Die Gefahr ist halt, wenn man mehrere Oldtimer hat, dass das kaputte Auto erst einmal stehen bleibt. „Das mach ich schon noch.“ Mir fallen spontan drei Sammlungen ein, bei dem mindestens die Hälfte der Autos angefummelt oder auseinander gebaut sind („Ich muss nur noch die Teile bestellen!“) und Standschäden sammeln – denn bewegt werden mögen die alten Mobile auch gerne. Meiner Erfahrung nach laufen Autos dann am besten, wenn sie regelmäßig bewegt werden. Wer rastet, der rostet.

So groß die Lust auf ein Winterprojekt auch ist und im Kopf Szenen von Schweiß- und Schrauberabenden in der warmen Werkstatt abspielen – ich habe mir vorgenommen SAMSUNG CAMERA PICTURESstandhaft zu bleiben und mir kein weiteres Auto zu kaufen. An Elsa und Henkelmännchen sind ein paar Kleinigkeiten zu tun, die ich im Winter erledigen werde. Und ansonsten werde ich mich weiter mit dem Ausbau der Garage in das (für mich) perfekte Oldtimer-Zuhause beschäftigen. Ich kaufe in letzter Zeit immer mehr nicht unnützes Werkzeug, das mir das Schrauben erleichtern soll, um auch nicht Geld für ein weiteres Auto ansparen zu können. Denn eins weiß ich, wenn ich noch eines kaufe, dann habe ich für das Leben gar nichts mehr übrig und komme gar nicht dazu, meine Küche zu renovieren oder einmal in den Urlaub zu fahren. Außerdem würde ich den jetzigen Mitgliedern des Fuhrparks weniger Aufmerksamkeit schenken. So toll ich Schrauben und Autos wie den patinierten Opel da auch finde – ich muss standhaft und eisern bleiben. Und nicht mein komplettes Geld in Autos versenken. Nicht einmal, wenn es ein Schnäppchen ist.

Ich kaufe nichts mehr dazu. Nichts mehr. Echt nicht.

Ihr werdet also wahrscheinlich in nächster Zeit von meinem nächsten Projekt lesen…

 

Über Watt'n Schrauber

Autoverrückt, restauriert einen Buckelvolvo mit wenig Budget, mag Fotografieren, Tanzen und ist manchmal wohl ein wenig durcheinander. Und mag Norddeutschland.
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