„Aber das ist doch eine Wertanlage!“

„Oldtimer sind teuer!“ hängt wohl den meisten Leuten beim Hobby „Oldtimer“ im Kopf.Lasst mich euch von den Abenteuern bei der Suche nach einem ehrlichen Oldi erzählen.

„Mir wurde erzählt, dass Sie einen Buckelvolvo fahren…“

Ich glaube, man kann nichts dagegen tun. Es spricht sich einfach herum. Wenn man sich freiwillig gerne die Fingernägel dreckig macht und (mehr oder weniger) erfolgreich an Autos schraubt, dauert es garantiert nicht mehr lange, bis man Fragen wie: „Mein Astra macht ein Geräusch, was könnte das sein?“ oder „Was für ein Auto soll ich mir kaufen?“ zu hören bekommt. Ab und zu wird man dann auch nochmal inständig gebeten, ob man beim Autokauf nicht assistieren könnte – schließlich gibt es so viele schwarze Schafe da draußen. Doch das war nicht die Absicht des mir noch unbekannten Herren am anderen Ende der Leitung. Er erzählte mir, dass er sich endlich einen jahrelang gehegten Traum erfüllen und einen Buckelvolvo kaufen wollte. Und da er nicht wirklich viel von Autos wusste, bekam er über Freunde meiner Verwandten, die gleichzeitig auch seine Freunde sind, meine Nummer. Oder so.

Freiwillig bot ich ihm sofort meine Hilfe an. Nicht nur, weil ich in den fünf Jahren, die ich meine Buckeldame „Elsa“ jetzt besitze, mich noch mehr in den Autotyp verliebt habe und mich über jeden Buckelvolvo in einem pflegenden Zuhause freue, nein. Ich war einfach mal neugierig, wie es ist in Zeiten, in denen die Verkaufsanzeigen von alten Autos mit Worten wie „Wertanlage“, „retro“ oder „Klassiker“ gespickt sind, einen Oldtimer zu kaufen. Dass ganz viele Autos unrealistisch eingepreist sind, merkte ich schon, als ich im Februar nach einem Kombi-Klassiker suchte – und bei einem beliebten Wagen wie einem Buckelvolvo, stellte ich mir das noch ganz anders, irgendwie spannender vor. Schnell legten wir bei einem persönlichen Treffen die Bedingungen fest, die das Auto erfüllen sollte:

Das Auto sollte…

  • fahrbereit sein (oder mit relativ geringen Mitteln fahrfähig gemacht werden können)
  • möglichst nicht mehr als 10 000€ kosten
  • möglichst alltagstauglich sein
    und
  • ehrlich sein. Kein Blender, dann lieber ehrliche Patina.

Und so konnte die Suche beginnen.

Es gab keine Eile, einen guten Volvo zu finden. Und das war auch gut so. Auch, wenn das Angebot an schwedischen Autos mit Rundrücken gemessen an ihrem Alter doch relativ groß ausfiel (und noch ausfällt), einen Wagen unter 10 000€ zu finden, stellte sich als nicht ganz so leicht heraus. Hier und da gab es schon einmal Angebote, doch entweder gingen die Verkäufer nie ans Telefon oder waren so erschrocken, dass jemand wegen des Wagens anrief, dass sie plötzlich vor sich hinstotterten, dass der Wagen eigentlich doch nicht zu verkaufen sei. Ein Herr, das fand ich besonders lustig, meinte auf einmal, dass der Preis im Internet ein Tippfehler sei. Das wäre einfach so ins Netz gegangen. Ich glaube, mein Lachen schallt heute noch durch die Telefonleitungen.

Nach einigen Wochen der Suche, die auch weiterhin von komischen Telefonaten, auseinandergefummelten, aber trotzdem teuren Projektaufgaben geprägt waren, schickte mir Leser und Kumpel Klaus ein paar Bilder von einem hübschen PV 544, den er am Straßenrand entdeckt hatte (vielen Dank und schöne Grüße an dieser Stelle!). Der Wagen stand nicht weit weg und sah auf den Bildern gut aus. Nach einem normalverlaufenden Telefonat fuhren der zukünftige Buckelbesitzer und ich zu einer Begutachtung.

Eins vorweg – ich möchte hier niemanden ins Lächerliche ziehen oder bloß stellen. Nicht jeder beobachtet den Markt und kann sich dadurch nur an den Preisen, die im Internet aufgerufen werden, orientieren. Deshalb werde ich die Autos, die angeguckt, aber nicht gekauft wurden, auch nur in schwarz-weiß abbilden, um den Verkäufern noch eine Chance zu geben, den Wagen für ihren Wunschpreis zu verkaufen.

Der teure Tipp.

Wenn ich hier über die Freundlichkeit des Verkäufers schreiben würde, hätte der Mann,  dem der 544 am Straßenrand gehörte, eine glatte Eins verdient. Sympathisch lachend grüßte er uns und sofort waren wir per „Du“, aber das gehört sich unter Oldtimerfreunden ja auch so. Während ich am Vergaser kraulte, nach Rost klopfte und im Unterbodenschutz wühlte, erzählte er uns, dass es ihm nicht leicht falle, den Wagen zu verkaufen. Doch andere, wichtigere Dinge wären nun in sein Leben getreten und er müsse sich vom Wagen trennen. Der Wagen sei wirklich gut und am Preis wäre eigentlich nicht viel zu machen. Doch mit jedem Satz, den er über das Auto fallen ließ, wurde meine „Mängelliste“ länger. Wir wussten, dass der Wagen schon etwas länger stand, doch als wir hinfuhren, hatten wir beide noch Hoffnung, dass der Wagen mit wenigen Handgriffen vielleicht wieder auf die Straße bekommen wären. Doch von der Hoffnung verabschiedeten wir uns schnell. Auch, wenn ich den B18-Motor mit wenigen Handgriffen zum Laufen bekam, hatte der Buckel ein großes Problem. Rost.

Neben den Kotflügel und Türen waren auch noch die Schweller, die Bodenbleche, die Rahmenteile und die Achsaufnahmen durchgerostet. Zwar kein Todesurteil für den Wagen, aber selbst für Do-It-Yourself-Bastler eine Menge Aufwand, ihn wieder auf die Straße zu bekommen, schließlich müsste der Wagen nicht nur geschweißt, sondern danach auch noch lackiert werden. Ich spreche da aus Erfahrung. Der Mann schien sichtlich überrascht, als ich ihm die Schwachstellen aufzählte und ihm teilweise krümelige Überreste derselben in die Hand drückte. Als ich noch meinte, dass der Wagen eigentlich gar nicht – und schon gar nicht für den Preis infrage käme, wurde er doch ein wenig weich und meinte, er würde doch mit sich handeln lassen. Als ich ihm dann meine Preisvorstellung sagte, die bei einem Fünftel seines Wunschpreises lag, war er sichtlich enttäuscht. „Aber das ist doch eine Wertanlage…“, meinte er geknickt. Er müsse erst mit seiner Frau reden, meinte er. Wir tauschten Telefonnummern, doch ich wusste: Der wird es sicherlich nicht.

Eigentlich darf man nicht suchen.

Es vergingen wieder einige Wochen ohne Erfolg. Die Autos im Internet waren immer noch die Gleichen und die waren entweder zu teuer oder schon auf den Fotos zu grottig.  Auch die Exemplare mit Besitzern, die Lampenfieber beim Telefonat bekamen oder gar nicht erst abnahmen, waren immer noch inseriert. Genauso der Wagen, der eigentlich viel teurer war, war noch im Internet zu sehen. Auch die Suche in passenden Foren wie das der Volvoniacs ergab nichts. Erst durch Zufall, als ich mit Elsa noch einmal zum Abschmieren in meine Lieblingsoldtimerwerkstatt (Mit Hebebühne ist das einfach schöner) fuhr, bekam ich den nächsten Tipp.

Das Museumsstück.

Um ehrlich zu sein, ich wusste schon ungefähr, was uns erwartete, als wir den zweiten Volvo anschauten. Ich kannte nämlich den Wagen und auch ihre Besitzer, die das Hobby „Oldtimer“ wirklich leben. Der Wagen musste nicht verkauft werden (war daher auch nicht inseriert), aber wie es immer so ist: Wenn man mehr als einen Klassiker hat, hat man nicht immer Zeit für alle Autos. Da wäre es nicht schlecht, wenn einer geht. Schon vor der Probefahrt durften wir einen Blick unter den Rock des Wagens werfen. Der Verkäufer zeigte offen alle Schwachstellen, die aber weniger schlimm ausfielen. Auch die Probefahrt verlief problemlos (mit der Ausnahme, dass ich merkte, wie viel Arbeit „Elsa noch braucht). Der Motor lief genauso ruhig wie das Getriebe, alles funktionierte wie es sollte – und wirklich schick ist der Wagen auch noch dazu.

Und das war das Problem – der Preis war wirklich  mehr als fair, mir fiel überhaupt nichts ein, wie man den Wagen runterhandeln könnte. Und der Preis lag doch etwas über der Mindestgrenze. Zudem gab es einige Dinge, die dem zukünftigen Besitzer nicht ganz so zusagten. Zum einen hatte der Wagen noch keine Sicherheitsgurte – und Kopfstützen wären auch nicht schlecht. Das sind zwar Dinge, die sich relativ leicht nachrüsten lassen, doch die Wahl fiel doch nicht auf den Wagen. Wenn das komplette Budget schon für Anschaffung des Wagen draufgeht und keine Reserve für Reparaturen da ist, dann ist es schon doof.

Und so ging die Suche weiter.

Der Sommer verlief immer weiter. Immer wieder schauten wir ins Internet und in Zeitschriften nach bezahlbaren und recht guten Volvos, doch irgendwie blieb uns nur das Museumsstück als einzig ehrliche Alternative. Nur Leserin Marlin (Schöne Grüße auch an dich an dieser Stelle!) schickte uns noch Bilder von einem Volvo in Hannover – aber das war uns doch noch ein wenig weit. Als mich der zukünftige Buckelbesitzer anrief, um noch einmal über die Anschaffung des Wagens zu schnacken, scrollte ich nebenbei nach gebrauchten Ersatzteilen und Fahrzeugen. Als wir gerade auf das Thema „Preis“ zu sprechen kamen, ploppte auf einmal ein Wagen auf. Er war gerade vor einer halben Stunde inseriert worden Ein 1954er PV 444. Nicht ganz original, aber mit frischer, mängelfreier HU, Kopfstützen und Sicherheitsgurten. Dazu fast vor der Haustür und weit im Budget. Noch am selben Abend rief der zukünftige Oldtimerbesitzer an und machte einen Besichtigungstermin aus.

Darf ich vorstellen? Knut der Volvo.

Glaubt mal, dass wir pünktlich wie die Maurer waren, als es um die Besichtigung des Autos ging. Auch dem Verkäufer des maroonroten Volvos fiel es nicht leicht, sich von seinem Auto zu trennen. Ich glaube, gut zehn Jahre hatte er ihn besessen und technisch in der Zeit einiges an Arbeit in den Wagen gesteckt. Doch wenn die Garage für den Wagen auf einmal wegfällt… ich hatte etwas Mitleid mit ihm. Der Wagen entpuppte sich als sehr solide Basis. In Sachen Rost war nichts tragisches zu finden – außer ein paar kleinen Bläschen an der Kofferraumhaube. Die Substanz haute hin – und den zukünftigen Buckelbesitzer störte es auch gar nicht, dass das „H“-Modell an einigen Stellen modernisiert wurde. So war der Wagen nicht nur mit 12-Volt statt der ursprünglichen 6-Volt-Anlage unterwegs, auch der ursprünglich 1,4-Liter Motor wurde durch einen B18 mit Vierganggetriebe ersetzt. Die Volvo 142 – Innenausstattung passte auch. Gut für die Alltagstauglichkeit, nichts für Puristen. Doch darum ging es ja auch gar nicht.

Nachdem die Probefahrt auch keine Mängel aufdeckte, war der Deal perfekt. Auch hier fiel mir absolut nichts ein, was gegen den Preis sprechen würde, trotzdem ließ der Verkäufer den Preis noch einmal um einhundert Euro fallen – ich musste nur das Versprechen einhalten, dass ich drauf aufpasse, dass sich gut um den Volvo gekümmert wird. Doch darum mache ich mir gar keine Sorgen. Schon bei der Abholung des Volvos, bei der ich auch dabei war, erzählte mir der stolze, frischgebackene Buckelbesitzer, dass der Schwede ab jetzt den Namen „Knut“ tragen würde.

Nur Geduld.

In der Zwischenzeit wurden Elsa und ich schon von Knut und seinem glücklichen Besitzer besucht. Es gab noch ein paar Kleinigkeiten zu tun und sein Besitzer wollte gerne lernen, wie die alten Schweden so funktionieren – da war es für mich Ehrensache, mit Rat und Tat beiseite zu stehen. Ein kleiner Buckel-Workshop, von dem es wohl noch ein paar geben wird. Aber ansonsten hat sich mein „Patenbuckel Knut“ bisher super geschlagen – der Wagen war wirklich ein ehrlicher Kauf und sein Besitzer scheint mir in den Wagen wirklich verliebt zu sein. Die besten Voraussetzung für eine lange Beziehung zwischen Auto und Besitzer.

„Knut“ und auch das Museumsstück zeigen doch – es gibt da draußen noch ehrliche Oldtimer für einen ehrlichen Preis. Man muss sie nur zwischen all den Traumtänzern mit ihren viel zu hoch eingepreisten Rostlauben heraussuchen, geduldig und auch selbst ehrlich sein und mit vielen komischen Besichtigungsterminen und Telefonaten rechnen – dann wird man auch fündig. Für jeden Pott gibt es einen Deckel, für jeden Fan einen Oldtimer. Ich hatte mir die Suche ein wenig leichter vorgestellt (Lag wohl daran, dass ich bisher nur fast-schrottreife Oldtimer gekauft habe) – doch überrascht war ich nicht. Ich hatte es vermutet. Aber – nichts ist unmöglich. Das weiß nicht nur Toyota.

Also, falls ihr euch nun zu Weihnachten mit einem Oldtimer beschenken wollt, ich wünsch euch dabei ganz viel Glück!

Achja – und Geduld.

Über Watt'n Schrauber

Autoverrückt, restauriert einen Buckelvolvo mit wenig Budget, mag Fotografieren, Tanzen und ist manchmal wohl ein wenig durcheinander. Und mag Norddeutschland.
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5 Antworten zu „Aber das ist doch eine Wertanlage!“

  1. thorsten sagt:

    Wer mit einem alten Auto spekulieren möchte, muss das sehr geschickt anstellen. Möglichst gute Substanz kaufen, wenn der Preis im Altautotränental ist, und dafür sorgen, das die Substanz sich nicht verschlechtert. Dazu um die Technik gelegentlich kümmern, das macht schon Arbeit. Es geht, ist aber nichts für nichtschraubende Spekulanten. Und die Marge ist, wenn man die Arbeit abzieht, klamm. Zumindest was das Brot-und-Butter-Auto betrifft.
    Ich freu mich, das ich auf diese Art und Weise halbwegs billig Auto fahren kann und nichts kaufen muss, das sowieso nicht mir gehört. Spekulieren im Bereich von Fahrzeugen, die nicht gerade von Porsche oder Ferrari sind und im Altautogebrauchszustand gekauft werden zu einem schon steigenden Preis-
    wird nix. Nicht für Leute, die nicht möglichst alles selbst können!

    Garagengold..

    Ich hab mich vorsichtig nach einem Duett umgeschaut. Noch viel schlimmer als ein Buckel mit Buckel…

    Und teurer. Schrott für 10k€…

  2. Ben sagt:

    Schön geschrieben Lars und Thorsten ! Ist in der VW Scene noch schlimmer finde ich.
    Ich sage nur T1 Bus. Was da ein hype drum gemacht wird und was die Leute dafür haben wollen ist unglaublich.Jeder der größer als 1,80m ist kann in dem natürlich wirklich hübschen Auto kaum gescheit sitzen UND fahren.Aber wenn natürlich die Werbeindustrie auf „jedes“ Produkt nen Bulli druckt will es natürlich jeder haben.
    DAS ist Marketing ! Ich bin so froh das ich mir vor 7 Jahren meinen Käfer gekauft und restauriert habe !Mittlerweile könnte ich mir keinen mehr anschaffen…

    Das Hobby Oldtimer wird auf kurz oder lang nur noch Spielplatz für reiche Schnösel sein…

    MfG Ben vom kaeferhauptquartier.blogspot.de

  3. Michael sagt:

    Mittlerweile werden schon für ranzige T4 Horrorpreise aufgerufen, meist mit dem berühmt berüchtigtem Schiffsdiesel AAB welcher bei falscher Schadstoffeinstufung schnell 900 Euro Steuern kosten kann

  4. Pingback: Watt'n Törn 2.0 - Halber Tacho Abstand | Watt'n Schrauber.Watt'n Schrauber.

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