Freundschaft, frische Luft und die fünfziger Jahre

Oder: Wie fühlt sich ein Auto aus den fünfziger Jahren an?

comp_comp_FILE0995avSeit ihr schon mal in einem Auto aus den fünfziger Jahren gefahren? Nein? Dann kommt doch mal mit!

Meine Elsa hat ja ein kleines Problem. Bei dem schönen Wetter werde wohl nicht nur ich mich nach einer großen Tour durch Dithmarschen sehnen, sondern auch Elsa. Sie liegt momentan aufgebockt auf unserem Operationstisch. Da ist nicht so viel mit fahren. Dabei würde ich doch gerne mal in einem Auto fahren, das so komplett anders ist, als die anderen Autos. Mit Zwischengas und alt. Meine Schrauberhilfe JM hat das Glück, so ein Auto zu Hause stehen zu haben. Und er lädt mich auf eine Tour zu einem Eiscafé ein. Yeah!

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Dem Stern hinterher.

Seit Januar sind wir beide volljährig (wir sind nur zwei Tage auseinander) und können alleine on Tour gehen. Im Alltag fährt er normalerweise einen Skoda – und ich eben meinen Alltagselchen. Aber manchmal ist alles anders. JM, auch Schrauber und Fahrzeugliebhaber durch und durch, gelüstet es auch manchmal nach einer Veränderung. Passend dazu steht ein 1953er Mercedes 170V Diesel in ihrer Halle. Und der soll uns beide nun zu einem entfernterem Ort bringen, damit wir dort ein Eis essen können.
Hey! Da bin ich doch glatt dabei.

Steigen wir doch mal ein- und ich muss dazu sagen, dass ich nicht das erste Mal in diesem Mercedes Beifahrer bin. Aber so Einiges erinnert aus dem Benz an Elsa. Die Knöpfe, die Armaturen, das große Lenkrad.
Okay – der Tacho von Elsa sitzt, wie langweilig, hinter dem Lenkrad.comp_comp_FILE0057a Dort, wo er noch heute sitzt. Mercedes hat das im Jahr 1953 ein wenig anders gebaut und den Tacho in die Mitte des Armaturenbretts gebaut. Und irgendwie….irgendwie dreht sich hier die Nadel andersherum. Anstatt von links nach rechts, dreht sie sich von rechts nach links. Auch lustig. Die Uhr ist toll! Sowas hat Elsa zum Beispiel überhaupt nicht. Gut gemacht, Benz! Und sie geht richtig. Im Gegensatz zu der Digitaluhr in meinem Alltagselchen. Ist vielleicht auch nicht gut, immer alles neu machen zu wollen. Der Passat meiner Eltern hat schon wieder eine analoge Uhr eingebaut.

comp_comp_FILE0996aJM steuert souverän den 170er über die Landstraße und die kleinen Orte, die hier mitten in den Feldern auftreten. Der OM-636-Dieselmotor tuckert vorne vor sich hin und will uns irgendwie vermitteln, dass alles im Alltag zu hektisch ist. JM und ich lassen uns Zeit und genießen die Landschaft. Anstatt über die großen Landstraßen fahren wir lieber unsere Schleichwege, direkt am Deich entlang. Hier sind die Leute nicht hecktisch und drängen  mit ihren silbernen und schwarzen Limosinen nicht auf die kleine, rote Limosine mit der wir hier unterwegs sind. So lässt es sich doch viel entspannter fahren. Vor allem ist so ein Auto ja auch etwas komplett anderes, als so ein moderner Kram, wie wir ihn im Alltag fahren.
comp_comp_FILE0073Das „kleine“ Wägelchen hat übrigens ein unsychronisiertes Vierganggetriebe. Benz hat 1953 also schon ein Gang mehr verbaut, als VOLVO 1957. JM ist den Mercedes noch nicht sehr oft gefahren – aber die Sache mit dem Zwischengas-Schalten hat er wirklich schon gut raus. Das klappt wie am Schnürchen! Nur der erste und der zweite Gang sind extrem kurz übersetzt, was der Benz mit einem Ruckeln erklärt. Alles klar! Zeit zum Schalten! Auch das Bremsen ist eine Sache für sich. ABS? Nee! Bremskraftverstärker? Nein. Und Servolenkung? Wofür?
Vielleicht sind wir auch ein wenig verwöhnt, was unsere Autos angeht. Passive Sicherheit an einem Auto ist wirklich schön und gut, aber ich denke mal, wenn wir weniger hektisch wären, gäbe es noch weniger Unfälle. Aber die Zeit war. Nun ist alles unpersönlich und alles unter Termindruck. Zeit für Zwischenmenschliches ist nicht mehr vorhanden. Schade.
Oh, wir sind schon da, in dem kleinen Ort, wo es viele Urlauber hinzieht. Und wie die alle comp_comp_FILE0063gucken! Und da sind schon wieder Jemandem fast die Augen rausgefallen! So ein Auto aus den Fünfziger Jahren scheint doch nicht mehr oft vorzukommen. Natürlich nicht. Egal – Parkplatz? Gefunden. Nun nur noch den Parkschein. Aber wohin damit?
Was soll man tun, wenn man kein richtiges Armaturenbrett hat? Unter den Scheibenwischer klemmen? Nein. Da bleibt wohl nur noch der Aschenbecher, wo man den Zettel einklemmen kann. Vor sechzig Jahren gab es das Problem noch nicht. Es gab vielleicht Parkuhren, aber wahrscheinlich nicht hier. Heute kann man sich den Parkschein in den Halter an der Windschutzscheibe klemmen oder es auf das Armaturenbrett legen. Gut, bei Elsa könnte ich das auch.
comp_comp_FILE0007aDas Gute an dem Auto ist ja – man sieht, wo es vorne aufhört. Dort prankt ein großer Stern auf dem Kühler, der zwischen den beiden Scheinwerfern empor steigt. An dem Stern flattert noch ein Bändchen von der letzten Hochzeit, auf der der treue Diesel ein Liebespaar in das hoffentlich lange währende Glück begleitet hat. Und natürlich – ganz charakteristisch für Mercedes-Fahrer hier in der Gegend – hängt ein Hufeisen am Kühler. Das gibt es hier wirklich oft. Scheint Glück zu bringen. comp_comp_FILE0002Und natürlich hängt auch eine ADAC-Plakette am Kühler. Ob der Benz in all den Jahren überhaupt mal liegen geblieben ist? Ich denke mal nicht. Zumindest dieselt sein Aggregat ganz zuverlässig. Ich bin auch ADAC-Mitglied. Und obwohl es ja eine zeitlang durch die Medien ging, wie schlecht der Verein sei, habe ich mich davon nicht beirren lassen. Mir geht es nicht darum, ob nun der Golf das beste Auto ist, oder nicht. Mir geht es um Hilfe, falls mal eines meiner Auto liegen bleibt. Obwohl? Ich fahre Volvo.

Und ich möchte euch nun noch ein paar kleine Aufnahmen des patinierten Benz zeigen.
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comp_comp_FILE0004acomp_comp_FILE0005acomp_comp_FILE0008abcSchade, dass auf dem Bild die modernen Autos noch mit drauf sind. Ansonsten hätte das Bild aus den fünfziger Jahren sein können, oder?
JM und ich finden dann erst einmal ein Eis kaufen. Und dann noch eins. War doch so schönes Wetter. Und da ich auf meine tägliche Portion Sport nicht *hust*….ähem… verzichten wollte, haben wir uns vorgenommen, den „Trischendamm“ entlang zu gehen. 2,4 Kilometer. Eine Tour. Okay? Warum nicht?
comp_comp_FILE0014Später wusste ich, warum nicht…
Aber, auf den insgesamt 4.8 Kilometer, bekleidet nur mit einem dünnen Hemd und einer Jeans, begleitet vom kalten Nordseewind, kann man sich auch viel Gedanken machen. Über die Schule. Über die Pläne für die Zukunft. Darüber, dass alte Autos doch irgendwie cooler sind, weil sie es eigentlich nicht sein wollen. Und darüber, ob einige Menschen wirklich ein Statussymbol brauchen, um sich selbst zu beweisen.
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Und hier mal ein „Doppelshot“. Ich stand gegen den Wind. Gemein. Sieht man an meiner nicht sehr vorhandenen Frisur. Oha.

comp_comp_FILE0035Und am Ende des Weges, was finden wir? Ein rostiges Stück Blech. Ich weiß jetzt nicht, ob das eine Metapher für irgendetwas ist. Aber irgendwie fand ich das schon sehr symbolsträchtig. Vielleicht denke ich auch manchmal einfach zu viel nach. Neben dem rostigem Stück Blech (Was es wohl mal war?), lag noch eine tote Möwe. Rest in peace. Das war dein letzter Weg. Ob deine Träume nun vorbei sind? Oder ob du sie erst richtig lebst? So, nun heißt das aber Umdrehen. Aua. Meine Beine. Mir ist kalt. Bin ich zu wehleidig? Jap. Bin ich. Aber mir ist wirklich kalt! Hätte ich mal doch meine Jacke mitgenommen…
comp_comp_FILE0017aIch kann euch sagen – 4.8 Kilometer ohne Jacke im Wind in einem dünnen Hemd sind lang. Normalerweise dauert die Rücktour nicht so lang, wie die Hintour. Normalerweise. Gegenwind. Arrrgh! Bloß nicht Ärgern, Lars, das macht graue Haare…

…ups! Das ging ja „flott“. Hm. Eine Bank. Da setzen wir uns jetzt mal hin. Ha! Meine Bei.. hab ich schon gesagt? Oh, ‚tschuldigung. Sagt ruhig Bescheid, wenn ich mich wiederhole.
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Und nun? Vorglühen und ab nach Hause. Den Leuten werden wieder die Augen rausfallen. JM? Bald machen wir auch eine Tour mit Elsa. Vielleicht schaffen wir es sogar mal zu einem Fotoshooting mit Elsa und  dem 170V. Wäre doch mal lustig, oder?

Elsa? Mach dich auf Touren gefasst. Also…wenn du fertig bist… Bald.

Über Watt'n Schrauber

Autoverrückt, restauriert einen Buckelvolvo mit wenig Budget, mag Fotografieren, Tanzen und ist manchmal wohl ein wenig durcheinander. Und mag Norddeutschland.
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5 Antworten zu Freundschaft, frische Luft und die fünfziger Jahre

  1. Giovanni sagt:

    Sehr schöne Fotos 🙂

    Cari saluti, Giovanni

    • Danke dir, Giovanni :). War auch eine prima Tour!

      Das alles geht auch ohne Spiegelreflex :). Solange meine Kamera noch lebt, wird sie auch benutzt. Einmal habe ich sie für 50€ reparieren lassen, und seitdem geht sie wieder. Die schmeiß ich doch nicht weg ;).

      Schöne Grüße
      Lars

      • Giovanni sagt:

        Ich schmeiße auch nichts weg, das funktioniert. Alles ist noch irgendwie gut, wenn es die Funktion erfüllt, außerdem macht sie doch gute Bilder 😉

        Liebe Grüße, Giovanni

  2. Wenn etwas bei mir noch funktioniert, wird es nicht weggeschmissen und nicht neugekauft. So einfach ist das :D. Auch, wenn ich da manchmal vielleicht etwas kauzig bin..

    Gute Bilder macht sie auf jeden Fall, zeigt aber schon langsam Alterserscheinungen..

    Schöne Grüße von der Nordsee in den Süden,
    Lars

  3. Pingback: Oldtimernachwuchs – gibt es ihn? | Ein Leben mit Benzin im Blut

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