Ich habe mal einen Blick in die Familienalben geworfen. Aus der Sicht eines Autofreaks.„Wir haben uns früher nie so für Autos interessiert“, sagten meine Eltern. Wirklich?.
Sonntagnachmittag, der vierte Advent. Es wird langsam dunkel. Eigentlich wollte ich noch eine Runde mit meiner Zündapp fahren, aber es war mir schon zu kalt und zu dunkel. Zum Schrauben an Henkelmännchen oder Elsa fehlte mir die Lust und auch die passenden Ersatzteile. Weihnachtsmärkte habe ich dieses Jahr schon genug besucht. Viel mehr hatte ich Lust auf dem Dachboden nach alten Sachen zu stöbern. Ich finde Dachböden ja wirklich spannend. Eigentlich sind die Dinge auf den Dachböden meist alles kleine „Scheunenfunde“. Abgestellt, weil man sie irgendwann noch einmal brauchen kann oder sie zu schade zum Wegschmeißen sind. Und es ist wie bei einer Scheune. Hat man viel Platz, hat man auch viel zugestellt. Viel Brauchbares für meine Wohnung fand ich nicht. Nur einen Karton fand ich interessant. Dadrin lagen Rückleuchten und Radkappen von Papas erstem Auto. Einem cobaltblauen, 1969er VW-Käfer. Und das brachte mich auf eine Idee. Meine Eltern sagen immer, ich wäre der erste autoverrückte Mensch in der Familie. Ob das angehen kann? Ich ging zum Schrank mit all den Fotoalben, nahm mir ein paar heraus und blätterte sie durch.
Fotoalben finde ich richtig toll. Auf Papier festgehaltene Erinnerungen. Meine Eltern haben früher viel fotografiert. Komisch, dass sie das kaum mehr machen. „Früher hatten wir fast jede Woche einen Film voll.“ Heute kommen sie mit einem Film (Ja, sie fotografieren noch analog) gut ein Jahr weit. Schade, eigentlich. In der Familie meiner Mutter gab es wohl schon recht früh eine Kamera – und auch Autos. Mein Onkel kaufte in den 60er Jahren einen 1957er Käfer „Export“, den mein Opa irgendwann übernahm. In der Familie meines Vaters hatte nur die Hamburger Verwandtschaft einen Wagen – einen Opel Rekord. Erst mit dem Käfer meines Vaters zog Anfang der 70er Jahre ein Auto ein. Der Messerschmitt Kabinenroller meiner Tante kam erst kurz darauf. Dodge Charger fuhr übrigens die Verwandtschaft „übern Teich“. Soweit ich weiß sogar ein paar Stück. Jedes Mal kam per Post ein Bild. Land of Dreams. Man wollte zeigen, was man erreicht hatte. Heute fahren sie Ford F150. Klar.
Ein paar Autos möchte ich euch heute sogar zeigen. Nicht alle, weil meine zum Teil verstorbene Verwandtschaft nun wirklich nichts im Internet zu suchen hat.
Ziemlich weit vorne in einem Album, einfach nur als loses Bild hineingesteckt, fiel mir dieser blaue C-Kadett in die Hand. Also nicht wirklich das Auto, nur ein Foto davon. Mein Opa gab seinen 1957er „VW Export“ irgendwann wieder an meinen Onkel zurück. Ein anderes Auto musste ins Haus. Opa arbeitete, nachdem er mit Oma 1945 von Pommern nach Dithmarschen ziehen musste, als Knecht bei einem Bauern. Während mein Opa beim Bauern arbeitete, hielt meine Oma zu Hause ein paar Schweine und Hühner und baute auch Gemüse an. „Selbstversorger“ würde man das heute nennen. Früher war es auf dem Land normal. Sparsam haben die beiden gelebt, also durfte es nach dem Käfer ein gebrauchter Opel Kadett werden. Beim Autohaus „Opel Möller“ in Meldorf kannte mein Opa einen Verkäufer. Der Herr verkaufte meinem Opa einen gebrauchten, frühen Opel Kadett B. Einen ganz frühen, mit schmalen Rückleuchten. Beigefarben, mit Stufenheck. „Opel, der Zuverlässige“ passte zu dem Wagen. Irgendwann wurde er bei „Opel Brodersen“ in Tönning gegen einen gebrauchten C-Kadett in beige getauscht. Meine Mutter blieb zwei Mal damit liegen. Einmal ging die Wasserpumpe kaputt, dann war die Kopfdichtung hin. Obwohl er auf einer Tour nach Österreich noch durchhielt, gab es bereits nach eineinhalb Jahren einen anderen Wagen. Einen Neuwagen. Dieser blaue C-Kadett 1200. Meine Mutter hätte damals gerne einen grünen gehabt, aber der blaue stand bei „Opel Leinweber“ im Schaufenster und wurde genommen. Meine Mutter war damals schon in der Lehre und gab einen Teil zum Wagen dazu. Sechs Jahre fuhren meine Mutter und mein Opa mit dem Auto durch die Gegend. Pannen oder Ärger gab es bei dem Wagen nicht. Nur einmal rutschte Opa bei Schnee seitlich gegen einen Poller. Mein Vater beulte den Wagen aber schnell wieder aus. 1980 starb mein Opa. Meine Mutter fuhr von da an alleine mit dem Auto durch die Gegend. Ab und zu durfte wohl auch mal mein Vater fahren, der den Wagen als „lahm“ in Erinnerung hat.
Aber auch der Kadett wurde irgendwann verkauft. 1982 schaute meine Mutter wieder bei „Opel Leinweber“ nach einem anderen Auto. Keinen dieser Opel-Händler gibt es übrigens mehr. Einer wurde geschlossen, die anderen beiden wurden durch zwei große Ketten übernommen. Gerade, als ich das Bild des C-Kadetts wieder zurückgelegt hatte, setzte meine Mutter sich zu mir und sah gleich das Bild von ihrem ersten, eigenen neuen Auto. „Oooh, mein Kadett!“, sagte sie sofort. So viel zum Thema: „Wir sind keine Autofans.“ Niemals nicht. Den Kadett 1.2s kaufte sie auch neu. „Warum sieht man davon eigentlich keine auf Oldtimertreffen?“ Gute Frage. Meine Mutter fuhr ihren D-Kadett vier Jahre. In den vier Jahren fing der Opel an der Heckklappe an zu rosten. Wenn es anderen ähnlich gegangen ist, werden wir wohl den Grund haben, der C-Kadett hatte nach 6 Jahren damals keinen Rost. Praktisch war er aber, viel einladen konnte man in den Wagen schon. Eine Freundin meiner Eltern lobt ihren D-Kadett auch heute noch dafür, dass der Wagen so praktisch war. 1986 entschieden sich meine Eltern dann nur noch ein Auto zu fahren. Meine Mutter gab ihren Kadett und mein Vater seinen Renault 9 beim VW-Händler in Zahlung. Der nächste wurde ein VW. Ein Passat. Aber darüber berichte ich ein anderes Mal.
Auch „das erste Westauto“ kann ich hier behandeln. Ein paar Seiten, also auch gut ein Jahrzehnt Familienfeiern, Urlaube und Weihnachtsfeste, stieß ich auf einen grauen Opel Corsa A. Dieser gehörte einem Cousin meiner Oma. Willi lebte mit seiner Frau in der DDR. Der Handwerker war ein sehr lustiger und geselliger Typ, aber auch immer ein bisschen unruhig. Wenn er nichts zu tun hatte, dann war er ein bisschen nervös. Zwei Autos hat er in seinem Leben besessen. Einen Trabant – klar. Und später dann diesen Corsa A. Neu gekauft. Er mochte nicht besonders gerne Autofahren. Mit dem Corsa sind die Magdeburger nur einmal an die Nordseeküste gekommen. Nach gut zehn Jahren und kaum Kilometern verkauften sie den Corsa wieder. Danach fuhren die beiden mit dem Bus oder der Bahn. Oder mit dem Fahrrad. So wurde das „erste“ Westauto auch das letzte. So viele Opel in der Familie. Und trotzdem fahre ich Volvo.
Achja. Volvo. Es gibt da in der Verwandtschaft jemanden, der wohl Schuld daran ist, dass ich Volvo fahre. Mein Onkel fährt nämlich auch seit ein paar Jahrzehnten Autos der schwedischen Marke mit der Querstrebe im Grill. Von meinem Onkel kann man wirklich sagen, dass er auch ein „wenig“ autoverrückt ist. Das zweite Auto, dass ich in meinem Leben gefahren bin, war ein Volvo V70 III mit dem großen Turbofünfzylinder und über 200 PS. Könnt ihr da mithalten? 1984 fuhr er auch schon einen schnellen Volvo. Einen Volvo 244 GLT. Der war aber nicht immer mit Blumen geschmückt. Dieses Auto war das Hochzeitsauto meiner Eltern. Ich glaube, dass meine Eltern ein bisschen nervös waren, als sie damit zur Kirche fuhren. Vielleicht waren sie auch gar nicht darauf fixiert, dass sie in dem Volvo saßen. Aber irgendwie… ein bisschen habe ich mich schon gefreut, dass meine Eltern mit dem Volvo zur Trauung gefahren sind. Wahrscheinlich haben sie gar nicht auf die Alufelgen, die Schmutzfänger oder die blaue Innenaustattung geachtet. Ein Glück kann ich das nun nachholen.
Das letzte Auto in diesem Album ist ein weißer Lada. An den Wagen kann ich mich noch gut erinnern, die anderen Autos vorher waren weit vor meiner Zeit. Als ich auf die Welt kam, fuhren meine Eltern einen roten Passat Pacific und mein Onkel war schon bei Volvo 850 oder V70 angekommen. Dieser Lada gehörte meinem Opa väterlicherseits. Nach einem VW Käfer, einem DAF 55 und zwei Ladas kam dieser Samara in die Garage meiner Großeltern. Ich fand den toll. Ich kann mich nicht erinnern jemals bei meinen Großeltern mit im Auto gefahren zu sein, aber ich kann mich erinnern, dass ich als kleiner Stöpsel von drei Jahren damals erkannt habe, dass eine Bremslichtbirne hinten kaputt war. Darauf war ich wirklich stolz. Ich mochte den Lada wirklich gerne. Wenn ich auf dem Rutscheauto gefahren bin, habe ich so getan, als würde ich einen Samara fahren. Opa hatte an dem Auto auch Schmutzfänger. Und Lammfellbezüge. Wie ich in meinem Buckelvolvo. 2000 starb Opa und der Lada wurde verkauft. Für 400 Mark. Der Lada war weg, aber nicht komplett. Aber darüber werde ich auch bald noch einmal berichten.
„Wir interessieren uns ja nicht so für Autos.“ Und trotzdem finde ich überall Bilder. Lustig. Es ist immer das Gleiche. Es sind noch einige mehr, aber für heute habe ich genug geblättert.
Ich hoffe, dass euch mein kleiner Ausflug einmal gefallen hat.
Hallo Lars,
Wunderbar geschrieben, ist sehr schön das zu lesen, was so in den Familienalben ist.
Gruss
Vielen Dank, Jean-Pierre! 🙂
Jetzt hast Du also auch Verwandtschaft mit unseriösen Kraftfahrzeugen. Die sogar noch Fotos von denen schickten, nein wie aufdringlich. 🙂
Danke für Deinen Einblick und Deine Kommentare zum Familienalbum, bitte mehr davon!
Marc
Die habe ich nicht erst „jetzt“ – die habe ich schon länger! ;-).
Mehr davon kann es auch gerne geben. Wenn ich mal wieder Zeit habe.
Schöne Grüße
Lars