Entdeckt: Opel GT – Nur Fliegen ist schöner

Okay – sonderlich kreativ war die Überschrift jetzt nicht gerade. Tut mir wirklich leid! Aber es war nun mal der Werbespruch der Corvette des kleinen Mannes: Der Opel GT.

Nun gebt es doch schon zu.

Wenn ihr Old- oder Youngtimer auch nur ein bisschen mögt, dann schaut ihr garantiert doch auch alten Autos hinterher, die euch im Straßenverkehr oder auf einem Parkplatz begegnen. Oder liege ich da nun so falsch? Genau. Mir geht es genauso. Schon oft habe ich am Straßenrand oder bei Gebrauchtwagenhändler seltene oder ungewöhnliche Autos entdeckt, die eigentlich so gut wie komplett aus dem Straßenbild verschwunden sind oder eigentlich nur noch als Oldtimer verhätschelt und nicht als Alltagsauto verwendet werden. Und genau diesen Autos möchte ich mit dieser kleinen Blogreihe einen Platz im Internet schaffen. Wahrscheinlich werdet ihr hier deshalb auch keinen 124er Mercedes und keinen Golf II entdecken, wenn sie nicht gerade irgendetwas besonderes an sich haben. Autos ohne Lobby, vom Leben gezeichnete Klassiker oder saubere Survivor – denen möchte ich hier ein kleines Denkmal setzen. Es gibt eindeutig Wichtigeres im Leben, es bringt mir aber Spaß. Und euch hoffentlich auch.

Stellt euch mal den Straßenverkehr in Deutschland 1965 vor. Auf der Straße tummelt es von Käfern, vielleicht knattert auch irgendwo ein DKW Junior vorbei. Und geparkt am Straßenrand steht vielleicht ein Opel Kadett oder ein Rekord P2. Porsche sieht man kaum fahren und eine Heckflosse ist auch schon ein echtes Highlight. Wenn ihr viel Glück habt, seht ihr eine ganz futuristisch aussehende Badewanne von Ford. Auch wenn die Autos heute alle supercool sind, wurde es damals nicht zwingend so gesehen. Gerade auf dem Land hatte noch längst nicht jede Familie ein Auto – und da ging es auch eher darum, überhaupt ein Auto zu haben, als ein Auto rein zum Spaß zu besitzen. Das war eher was für ganz reiche Leute. Ein günstiger Sportwagen? Fast unvorstellbar. Und dann stellte Opel auf der IAA 1965 plötzlich eine Studie namens „Opel GT Experimental“ vor. Ein kleiner, günstiger Sportwagen für die Masse. Die Leute waren begeistert.

Und sind es auch noch!

Tatsächlich ist diese Sichtung schon fast zwei Jahre alt. Es war im Februar 2021, als ich den gelben Flitzer an einem kalten, nebeligen und verregneten Morgen in Hamburg auf einem Parkplatz sah. Und so ganz passt er ja auch nicht ins Schema dieser kleinen Blogreihe, denn eigentlich geht es mir ja nur um Underdogs. Und das ist der Opel GT eigentlich nicht. Eigentlich. Denn der Sportwagen, der zwischen 1968 und 1973 gebaut wurde, hat durchaus eine große Fangemeinde. Und auch ich würde einen Opel GT nicht aus meiner Garage verbannen, wenn man mir einen schenken würde. Aber das geht mir mit fast jedem alten Opel so. Aber das tut ja nun nichts zur Sache. Wenn man aber schaut, wie andere Sportwagen aus den Baujahren gehandelt werden, ist der Opel GT zumindest finanziell noch einigermaßen leistbar. Und dank zuverlässiger Opel-Serientechnik sollte er auch nicht das Konto bei den laufenden Kosten ruinieren.

Und was für einen coolen Sportwagen man dann hätte. Das hat man übrigens damals schon gedacht – und zwar nicht nur in Europa. Die Hälfte der produzierten Opel GT gingen in die USA und wurden dort über Buick-Händler verkauft. Neben den großen, eher ungelenk wirkenden Straßenkreuzern wirkte der Opel GT sogar noch sportlicher, als er es eh schon war und bekam eine richtige Fangemeinde. Dabei ist die Technik des Opel GT tatsächlich sogar eher Hausmannskost. Der „kleine“ Opel GT namens „GT 1100“ wurde von einem Opel-Kadett-Triebwerk mit – ihr habt es euch wohl schon gedacht – 1,1 Litern Hubraum befeuert. Dank Doppelvergaser-Anlage brachte es der GT auf 60 PS, was für eine Höchstgeschwindigkeit von 155 km/h reichte. Für mehr Dampf sorgten der Opel GT 1900 und der Opel GT/J. Bei beiden Versionen steckte ein 1900er-Motor aus dem Opel Rekord unter der Haube, der für 90 PS sorgte und den Wagen auf ganze 185 km/h Höchstgeschwindigkeit katapultierte. 1965! Das schaffen viele moderne Autos heute nicht einmal.

Show and Shine

Nur eins ist so ein Opel GT gar nicht. Und zwar praktisch. Wer einen großen Kofferraum sucht, ist beim Opel GT falsch. Man findet nicht einmal eine Kofferraumklappe. Das Gepäck musste durch die Fahrer- oder Beifahrertür hinter den Sitzen verstaut werden. Und anscheinend war der Opel GT auch für große oder breite Menschen eher nicht so gebaut – zumindest verrät das dieser Werbespot von Opel. Ich habe tatsächlich noch nie in einem GT gegessen, wobei das nicht an meiner Statur liegt (Ich würde wohl reinpassen) sondern eher daran, dass von den rund 100 000 Exemplaren nicht mehr so viele übrig geblieben sind. Neben Gevatter Rost, der so ziemlich jedes Auto aus der Zeit befiel und dem Fakt, dass die meisten GTs in den USA gelandet sind, haben vor allen Dingen viele Tuner dazu beigetragen, dass es kaum mehr gute GTs gibt. GFK-Breitbauten und andere Tuningsünden musste der von Erhard Schnell designte Flitzer über sich ergehen lassen.

Was dabei viele gar nicht wissen: Die Karosserie des Opel GT wurde gar nicht bei Opel gebaut. Opel hatte für den Sportwagen nämlich gar keine Kapazitäten frei. Zu sehr waren die Werke mit dem Bau von Kadett, Rekord und co beschäftigt. Deshalb wurde der französische Karosseriebauer Chausson mit dem Bau der Karosserien beauftragt. Chausson ist dabei keine unbekannte Karosseriebaufirma, denn auch die Karosserien von Schmuckstücken wie der Renault Caravelle und dem Citroen SM wurden hier hergestellt. Die fertigen Karosserien wurden dann nach Rüsselsheim ins Opel-Werk gebracht und dort mit der Technik versehen. Let’s talk about Produktionsaufwand. Und wie viele Leute denken, dass der 500E der Baureihe W124 schon einen aufwändigen Werdegang hatte. Der blieb zumindest in der gleichen Region – und wurde nicht durch mehrere Länder gekarrt.

Guckguck!

Natürlich darf ich in dem Beitrag nicht vergessen, die legendären Klappscheinwerfer zu erwähnen. Schließlich gab es sogar den Witz „Woran erkennt man einen Opel GT-Fahrer? Na, am dicken Unterarm!“ Die Klappscheinwerfer wurden nämlich nicht per Elektromotor oder pneumatisch aufgemacht – dafür hab es einen großen Hebel in der Mittelkonsole. Außerdem klappten sie nicht auf wie beim Mazda MX5 NA, sondern drehten sich – und verpasstem dem Opel GT so sein markantes Gesicht. Ich war erstaunt, dass die Scheinwerfer an diesem Exemplar offen waren, aber wahrscheinlich war er einfach so geparkt worden. Die Kreuzspeichenfelgen und die beiden Endrohre passten auch wie die Faust aufs Auge. Allgemein sah der Wagen sehr, sehr geliebt aus. Es wunderte mich ein wenig, dass der Wagen beim Hamburger Schmuddelwetter draußen stand und nicht irgendwo in einer Garage Winterschlaf hielt – aber dann hätte ich ihn wohl auch nicht zeigen können. Autos wurden ja schließlich zum Fahren gebaut – und der GT erst recht.

Vielleicht habt ihr ja sogar schon mehr Geschichten, die ihr vom Opel GT erzählen könnt. Habt ihr vielleicht einmal einen gehabt? Oder Freunde von euch? Besitzt ihr vielleicht jetzt gerade sogar einen? Ich würde mich auf jeden Fall darüber freuen, wenn ihr mir die Geschichten erzählt. Genauso wie ich mich jetzt gerade freue, euch mit dieser kleinen Geschichte den GT gezeigt zu haben. Irgendwie juckt es mich nun total in den Fingern, Inserate von Opel-Oldtimern zu durchsuchen – aber das würde garantiert nicht gut ausgehen. Und ich habe doch noch so viele Projekte. Oder etwa nicht?

Ich kann ja mal kurz nach GTs schauen…


Hier findet ihr die letzte Sichtung aus der Reihe „Entdeckt“: Big Brother

Über Watt'n Schrauber

Autoverrückt, restauriert einen Buckelvolvo mit wenig Budget, mag Fotografieren, Tanzen und ist manchmal wohl ein wenig durcheinander. Und mag Norddeutschland.
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5 Antworten zu Entdeckt: Opel GT – Nur Fliegen ist schöner

  1. Pingback: Die letzten Kiesplatzhändler

  2. Stefan sagt:

    Nö.
    Mir ging es beim Probesitzen einst ähnlich, wie dem Herren in der Werbung. 200 cm sind da einfach viel zu viel. Schade.
    Gruß Stefan aus VEC

    • Watt'n Schrauber sagt:

      Hey Stefan,

      schade, dass es zwischen dir und dem Opel „nicht gepasst“ hat 🙂 Hast du dich dann für einen anderen Opel entschieden?

      Liebe Grüße
      Lars

      • Stefan sagt:

        Moin,
        nein, fahre schon immer Fahrzeuge aus dem VAG-Konzern, vor allem Bulli und Golf I.
        Was aber nicht heißen soll, daß Opel nicht meins wäre, ein Rekord C/Commodore z.b. wäre toll.

        • Watt'n Schrauber sagt:

          Hey Stefan,

          bei Rekord C und Commodore bin ich voll bei dir – wunderhübsche Autos! 🙂 Bulli und Golf 1 sind natürlich super. Zumindest beim Golf 1 kann ich ja mitreden 😉
          Liebe Grüße
          Lars

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