Wieder einmal habe ich etwas am Straßenrand entdeckt, was man nicht mehr täglich sieht. Dieses Mal ist es eine kleine Zeitreise in die Zeit des Wirtschaftswunders. Rängdängdäng!
„Da war doch was?!“
Wenn ihr Old- oder Youngtimer auch nur ein bisschen mögt, dann schaut ihr garantiert doch auch alten Autos hinterher, die euch im Straßenverkehr oder auf einem Parkplatz begegnen. Oder liege ich da nun so falsch? Genau. Mir geht es genauso. Schon oft habe ich am Straßenrand oder bei Gebrauchtwagenhändler seltene oder ungewöhnliche Autos entdeckt, die eigentlich so gut wie komplett aus dem Straßenbild verschwunden sind oder eigentlich nur noch als Oldtimer verhätschelt und nicht als Alltagsauto verwendet werden. Und genau diesen Autos möchte ich mit dieser kleinen Blogreihe einen Platz im Internet schaffen. Wahrscheinlich werdet ihr hier deshalb auch keinen 124er Mercedes und keinen Golf II entdecken, wenn sie nicht gerade irgendetwas besonderes an sich haben. Autos ohne Lobby, vom Leben gezeichnete Klassiker oder saubere Survivor – denen möchte ich hier ein kleines Denkmal setzen. Es gibt eindeutig Wichtigeres im Leben, es bringt mir aber Spaß. Und euch hoffentlich auch.
Ich entdeckte ihn im Vorbeifahren aus dem Augenwinkel – so wie auch schon den Rover 213 S beim letzten Mal. Eigentlich hatte ich gar keine Zeit, doch wenn ein altes Auto mit Chromstoßstangen fast herrenlos am Straßenrand steht, dann kann ich einfach nicht anders – aber es geht euch wohl genauso. Mit kugelrunden, großen Scheinwerfern schaute er mich erstaunt an, als ich mein Auto umgedreht und geparkt hatte und auf ihn zu lief. Den Lack könnte man wohl als „eierschalengelb“ bezeichnen, wobei die Farbe unter all dem Staub und Schiet auch einen ganz anderen Farbton hätte haben können. Vielleicht war er also auch eher Stützstrumpfumbra oder Hörgerätebeige. Die Chromstoßstange hätte eine Politur vertragen können und überall auf dem Wagen fand sich etwas Flugrost – und trotzdem war ich gleich hin und weg von dem Kleinwagen aus der Wirtschaftswunderzeit. Ich könnte ja jetzt fragen, ob ihr das Auto schon erkannt habt – aber das wäre ziemlich doof. Schließlich habe ich ja schon im Titel verraten, dass ein kleiner DKW Junior vor mir stand.
„Der Schlüssel zu Ihrem Glück!“
Den „Auto Union DKW Junior“, wie er mit vollem Namen heißt, werden wohl fast nur noch Leute kennen, die den Wagen noch im Straßenbild erlebt haben. Selbst bei Leuten mit Faible für Klassiker ist der Junior nicht sonderlich bekannt. Dabei war der Kleinwagen, der in dieser Form von 1959 bis 1962 in Ingolstadt vom Band lief, im Prinzip ein wirklich ernstzunehmender Konkurrent zum VW Käfer. Der größte Vorteil des Juniors gegenüber des runden Bestsellers aus Wolfsburg war eindeutig das Platzangebot. Auch wenn jetzt viele Käferfahrer aufschreien, wie ich dieses kleine Auto mit einem Kultkrabbler vergleichen könnte – seid fair! Sonderlich viel Platz war in euren Autos nie. Ganz anders hingegen im Junior. Die mit ihren Heckflossen amerikanisch wirkende Karosserie, die auf einem Kastenrahmen aufgebaut ist, bot nicht nur für vier Menschen Platz, sondern hatte auch noch einen großen Kofferraum zu bieten. Und was er noch drauf hatte, zeigt euch dieser Werbespot:
Herrlich, oder? Besonders gefällt mir übrigens die „92-prozentige Vollverglasung“. Nicht nur im Käfer oder im Buckelvolvo fällt die Rundumsicht ja etwas dürftig aus – auch in vielen neuen Autos gleichen die Fensterausschnitte nur noch Schießscharten. Und das hat meiner Meinung nach tatsächlich mehr mit dem Fahrzeugdesign als mit der Crash-Sicherheit zu tun – aber nun gut. So ganz rosig wie der Junior im Werbevideo dargestellt wurde, war er aber nicht. Sein größter Nachteil war wohl der Dreizylinder-Zweitaktmotor, der unter der Haube schlummerte. Der Motor war zwar wassergekühlt und sorgte damit sogar für eine richtige Heizung, aber wirklich up-to-date war ein Zweitaktmotor Anfang der 60er Jahre nicht mehr so. Obwohl er wohl dank der vierfach gelagerten Kurbelwelle sehr ruhig lief, hatten die Kunden einfach nicht mehr sonderlich viel Lust auf das Mischen von Zweitaktöl und Benzin. Und auch der relativ hohe Verbrauch kam bei der Kundschaft nicht besonders gut an.
Top oder Flopp?
1961 stellte die Auto Union den Nachfolger des Juniors vor, der gleichzeitig als luxuriöse Variante des Juniors gedacht war. Der „Auto Union DKW Junior de Luxe“ (Fast wie so’n Adelstitel!) unterschied sich in einigen Details vom DKW Junior, den ich bei einem Händler am Straßenrand stehen sah. So hatte er neben anderen Scheinwerfern unter anderem auch einen größeren Zweitakt-Motor, noch mehr Zierleisten und Ausstellfenster in den Türen. Auch eine Frischöl-Automatik war gegen Aufpreis erhältlich, die das Mischen vom Zweitaktöl in das Benzin übernehmen sollte – aber doch häufig nicht so zuverlässig arbeitete wie erhofft. Gut 240 000 DKW Junior und Junior de Luxe wurden zwischen 1959 und 1963 gebaut – also gar nicht einmal so wenige. Zumindest konnte der Nachfolger, der eigentlich ein weiterentwickelter DKW Junior de Luxe war, nicht an diese Verkaufszahlen herankommen. Der DKW F11/F12, wie er hieß, wurde übrigens auch als Cabriolet verkauft. Dessen Nachfolger – der F102 – wurde der dann letzte zivile Zweitakt-PKW aus westdeutscher Produktion.
Eins muss ich ja zugeben – so ganz kalt hat mich meine Entdeckung dieses Mal nicht gelassen. Während beim Rover vom letzten Mal mein Rettungsinstinkt eher ansprang, weil ich Sorge hatte, der Wagen würde gepresst werden – inzwischen ist er für 5999€ inseriert – sprach mich der Junior irgendwie sofort an. Unter all dem Dreck und all dem Staub schien nämlich wirklich eine gute Substanz zu stecken. Anscheinend wurde die kleine Limousine schon einmal vor einigen Jahren lackiert – zumindest war etwas Farbnebel auf dem Halter der fehlenden Heckstoßstange. Aber anscheinend wurde das Auto nicht sonderlich gut gelagert. Überall konnte man Rostflecken auf dem Lack entdeckten – es wäre aber durchaus noch als Patina durchgegangen. Die Radkappen waren schon böse verrostet, die Innenausstattung aber noch heil. Seit der ersten Entdeckung bin ich nun schon ein paar Mal an dem Auto vorbeigekommen – und irgendwie reizt mich der Wagen wirklich sehr. Bisher bin ich aber standhaft geblieben. Eigentlich habe ich auch ja mehr als genug Autos…
Also redet ihn mir bitte aus, ja?
Hi,
der Cousin meiner Großmutter, der bis Mitte der Neunziger unser Nachbar war, hatte einen DKW Junior. Er hat ihn damals neu gekauft und fuhr ihn im Alltag, bis er selbst nicht mehr fahren konnte. Das war ca. 2010.
Ich kannte den Wagen also tatsächlich noch als Alltagsfahrzeug 😉
Cooles Gerät ! Ich mag die DKW´s !
Wenn du kannst schlag zu !
MfG Ben
Hallo baue gerade einen UR-Junior von 61 wieder auf.
Hallo Carsten,
das ist ja cool! Ich wünsche dir viel Erfolg dabei. Gibt es viel zu tun?
Schöne Grüße
Lars
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