Die Kombination zwischen altem Auto und einem jungen Kerl ist wohl ungewöhnlich. Zumindest konnte ich heute mit meiner „Elsa“ nicht einmal in Ruhe zum Tanken fahren…
So ganz leicht fiel es mir ja nicht.
Es hat immer etwas von Abschied, wenn ich Elsa das letzte Mal volltanke und auf den Winterschlaf vorbereite. Irgendwie werde ich dabei immer ein wenig traurig, meine Lieblings-Auto-Dame für ungefähr ein halbes Jahr nicht fahren zu können. Doch der Wetterbericht sagt für die schleswig-holsteinische Nordseeküste in nächster Zeit fast nur noch Schmuddelwetter an und nass mag wohl wirklich niemand zu Bett gehen. Auch nicht Elsa. Ist ja auch eklig. Und genau deshalb nutzte ich heute den fast strahlend blauen Himmel (und die trockenen Straßen), um Elsa winterfit zu machen. Reifenluftdruck erhöhen, den Motor noch einmal warm fahren – sowas eben. Achja, und den Tank musste ich noch einmal befüllen. Den hatte ich die letzten Wochen über nämlich irgendwie etwas leer gefahren. Autos müssen ja auch bewegt werden.
Vielleicht ist es unsinnig, dass ich mich für eine Tankstelle in gut dreißig Kilometern Entfernung entschied, aber um wirklich kein Kondenswasser mehr im Motor oder im Auspuff zu haben, schien mir die Strecke nicht ganz verkehrt. Außerdem wollte ich die letzte Fahrt mit Elsa möglichst lange genießen. Der nächste Frühling steht ja doch noch nicht so direkt vor der Tür. Das wird ja doch schon noch einige Tage dauern bis die Bäume wieder sprießen und ich die Frühlingsluft durch die geöffneten Dreiecksfenster zu schnuppern bekomme – und die Entzugserscheinungen merkte ich schon, als ich mich hinter dem großen Bakelit-Lenkrad versammelte, am Zündschlüssel drehte, ein wenig am Choke zog und zuhörte, wie der alte Vierzylinder freudig viertaktend seine Kaltstartmusik zum Auspuff herausposaunte.
Es herbstete noch gar nicht so sehr.
Könnte man an den Bäumen kleine Knospen erkennen, hätte man den Tag heute auch für einen schönen Frühlingssamstag halten können. So wirklich zufrieden fühle ich mich gar nicht, dass die Saison für Elsa nun schon vorbei ist. Durch diesen wirklich doch recht stark vorhandenen Sommer hat die alte Dame gerade einmal 1510 Umdrehungen vom Kilometerzähler machen müssen. So wenig wie noch nie, seit sie fahrbereit und zugelassen ist. Doch in nächster Zeit werde ich weder Zeit noch Geld haben, meinen Buckelvolvo zu bewegen, deshalb ist die Pause nun doch ganz gut. Umso mehr genoss ich die letzte Fahrt. Auch einige Motorradfahrer hatten wohl die gleichen Gedanken. Grüßend kam mir eine Gruppe von 20 Bikern entgegen. Fröhlich hupend grüßte Elsa zurück. Auch ein kleiner Junge, der einen Bollerwagen voller Kastanien, goldbraunen Blättern eher missmutig hinterher zog, schaute sofort hoch als er die ersten Schallwellen vom zufriedenen Brummen meines Volvos zu hören bekam. Über beide Ohren grinsend winkte er uns. Auch ihn grüßte Elsa fröhlich hupend zurück. Kurz kam es mir wieder in den Kopf geschossen, warum ich mit diesem einundsechzig Jahre alten Wägelchen so gerne unterwegs bin – nicht nur ich habe Spaß, sondern auch ganz viele, die es fahren sehen.
Doch die nächste Reaktion war weniger fröhlich.
„Na? Wohin des Weges?“ Ein wenig verwirrt schaute der Streifenpolizist schon, als ich den Holzkeil aus der Tür zog und die Scheibe ein wenig in die Fahrertür drückte. „Ich möchte mein Auto gerne volltanken“, antwortete ich ihm wahrheitsgemäß, aber mit ganz schlimmem schlechten Gewissen, ob ich eben beim Einfahren in den Ort nicht doch etwas falsch gemacht hatte. War da etwa seit Neuestem dreißig? Oder war an der neuen Kreuzung dort etwa Rechts-vor-Links? Wäre mir das nicht schon früher aufgefallen? „IHR Auto? Soso. Na, einmal Führerschein und Fahrzeugpapiere, bitte“, forderte mich der Polizist auf – wohl immer noch leicht verwirrt über die Fensterheberkonstruktion der alten Schwedin. Vor lauter Aufregung bekam ich die Betonung von „IHR Auto“ gar nicht wirklich mit, ansonsten wäre mir wohl schon an dieser Stelle alles klar gewesen. Aber so versuchte ich gleichzeitig nervös mein Portemonnaie aus der Hosentasche zu fummeln und das Handschuhfach zu öffnen. „Normalerweise fällt es während der Fahrt immer von alleine auf“, sagte ich mit leicht zitternder Stimme zum irgendwie sehr angespannt wirkenden Polizeibeamten.
„So, hier, bitte.“
Mit großen Augen, aber irgendwie erleichtert, schaute der Beamte abwechselnd auf meinen Führerschein und auf die Fahrzeugpapiere. „Oh, ja, ähm… das ist ja tatsächlich Ihr Auto!“ Sofort wurde mir einiges klar – und von meinem Herzen fiel doch ein großer Felsbrocken. „Sie hatten bestimmt gedacht, dass ich das Auto hier geklaut hätte, oder?“, fragte ich den Polizisten, der sofort lachend zustimmte. Er erklärte mir, dass es in letzter Zeit häufiger zu Diebstählen von Oldtimer gekommen – und ich doch ein wenig zu jung für so ein altes Auto wäre. Also auf den Durchschnitt betrachtet. Ganz ohne zitternde Stimme berichtete ich ihm noch kurz, wie ich vor gut einem Jahr schon einmal aus dem Grund in so eine Kontrolle geraten war. „Naja, dann wünsche ich Ihnen noch eine gute Fahrt! Aber wie kommt es denn, dass Sie so ein altes Auto fahren?“, fragte mich der Beamte, während er mir die Fahrzeugpapiere und meinen Führerschein durch das Fenster reichte. Kurz erzählte ich ihm meine wie ein Gedicht auswendig gelernte Kurzfassung (Mit siebzehn aus Neugierde als Wrack gekauft, drei Jahre ohne wirkliche Kenntnisse restauriert, seit zwei Jahren nun auf der Straße), verabschiedete mich, startete den Motor und fuhr weiter in Richtung Tankstelle.
Situationen wie die Polizeikontrolle kommen schon recht häufig vor, wenn ich mit der alten Dame unterwegs bin. Natürlich nehme ich es den Beamten nicht übel, dass mich angehalten haben – schließlich hätte der Wagen ja wirklich geklaut sein können (Ich muss dringend an meinem Outfit arbeiten…). Neben den üblichen Fragen „Ist das schon ein Oldtimer?“, „Wie viel verbraucht das Auto denn?“ und „Ist das ein Opel?“ werde ich tatsächlich häufig gefragt, ob dass das Auto meines Papas oder meines Opas sei und ob ich ihn überhaupt fahren dürfte. Die Krönung hierbei war einmal ein Mann, der mir (nicht wissend, dass wir vor meinem Auto stehen) erklärte, wie dieser Oldtimer zu fahren sei – und der Meinung war, junge Leute wie ich könnten es ja gar nicht mehr bedienen. Aber darüber habe ich euch ja schon einmal berichtet.
Auch auf Oldtimertreffen kommt es häufig vor.
Wobei… es hat sich schon gebessert. Nun weiß ich nicht, ob es daran liegt, dass ich älter geworden bin und (laut meiner Oma unmöglicherweise) mit 22 schon Falten im Gesicht trage, oder ob die Oldtimerszene tatsächlich „toleranter“ geworden ist. Als ich ganz stolz vor fünf Jahren mit frischem Führerschein (sogar ganz ohne Begleitung!) mit dem Golf Cabriolet auf Oldtimertreffen fuhr, wurde ich oft belächelt – oder beschimpft, dass junge Leute nichts hinter dem Steuer von alten Autos zu suchen hätten. Schließlich würden die ja alle Autos nur verheizen. Ab und zu kommen immer noch solche Experten an, die meinen, dass junge Leute Oldtimer nur kaputt fahren würden. Aber da es meist die selben Leute sind, die neben einem nicht anspringenden Ford Capri mit den Händen in den Hosentasche stehen und auf „defekte Glühkerzen“ tippen, ist mir das recht egal geworden. Die meisten Leute sind inzwischen doch eher interessiert, warum, wieso und weshalb. Anscheinend wurde erkannt, dass das Hobby „Oldtimer“ ohne Nachwuchs ausstirbt. Und das ist wirklich gut so.
Achja – getankt habe ich natürlich auch noch.
Ich hatte kaum den Tankdeckel aufgeschlossen und die Zapfpistole aus der Säule genommen, als mich auf einmal ein Mann freundlich von hinten ansprach (und mir dabei so einen Schrecken einjagte, dass ich mir fast Benzin über die Schuhe gegossen hätte). „Sie haben da ja einen schönen Wagen!“, meinte er, nachdem er sich für meinen Mini-Herzinfarkt entschuldigt hatte. „Ha! Das steht da ja auf Schwedisch. Bensin. Was verbraucht der denn so?“, sagte er, als er einen Blick durch das geöffnete Fahrerfenster warf. Natürlich erklärte ich ihm alles. Auch drei Mal, dass der Wagen im Schnitt wirklich mit 8,5 Litern Super auf einhundert auskommt. Aber nicht, dass ich Bleiersatz in den Tank kippe und kein Zweitaktöl. Das wusste er. „Ich hätte ja nicht gedacht, dass so ein junger Mensch wie Sie so ein altes Auto fährt!“
Ich weiß noch nicht ganz genau, wie ich den Winter ohne solche Gespräche überstehen soll. Denn auch, wenn es hier vielleicht nicht so rüber kommt, ich genieße sie wirklich. Ob ich mir heimlich Tonaufnahmen anfertigen sollte? Ist auch doof. Ich glaube, ich werde mir einfach Chromstoßstangen an meinen Alltagsgolf spaxen.
Da führt ja eigentlich fast kein Weg dran vorbei.
Hallo Lars,
Super Geschichte über Deine Elsa. Ich freue mich immer sehr, senn ich von Dir auf Deiner Homepage lesen kann.
Schönen Winterschlaf.
Gruss aus der Schweiz
Hey Jean-Pierre!
Das freut mich sehr, dass du hier gerne mitliest. Da bringt es gleich umso mehr Spaß, für neuen Lesestoff zu sorgen.
Schöne Grüße in die Schweiz
Lars
Nachwuchs ist in der Oldtimerszeene eher selten und daher umso mehr zu begrüßen. Wünsche Elsa eine angenehme Winterruhe. Was eine Seele hat, verdient auch einen Namen. – und ja, es GIBT beseelte Gegenstände!
Hey MiG!
Ja, da kann ich dir nur zustimmen. Es gibt wirklich Gegenstände mit Seele. Davon stehen sogar welche in meiner Garage. Bei dir anscheinend auch? 😉
Die angenehme Winterruhe werde ich Elsa ausrichten. Da freut sie sich ganz bestimmt!
Schöne Grüße von der Küste
Lars
Ähnliche Fragen musste ich mit meinem ersten Wagen auch „ertragen“, dem vom Schrott geretteten /8 Ex-Taxi…
Dann mit mitte 20 und dem ersten W124 gab es auch reichlich schräge Blicke nach dem Motto „Vom Papi geliehen sicher“…
Mich hat es immer mehr amüsiert als aufgeregt.
Hey Maik,
na, da kennst du die Geschichten ja auch. Das Taxi überlebte doch leider nicht lange, oder?
Wann wirst du denn deinen 124er auf die Straße holen? Hast du da schon einen Plan? Auch, wenn die 124er nicht so „meine“ Lieblinge sind – die fahren ja doch schon nicht ganz so schlecht.
Schöne Grüße
Lars