„Was du brauchst ist eine Kur…“

Das Nahrungsergänzungsmittel aus der Werbung mit Hannelore Elsner hilft nicht mehr.

Mein treuer Dieseldackel bekommt eine Frischzellenkur. Nichts da mit Abwrackprämie.

Ein kurzer Dreh am Zündschlüssel, sofort springt der Motor an.

Kurz überlege ich, warum ich überhaupt an diesen Ort gekommen bin, aber seine Entscheidung zu unterstreichen ist ja nie verkehrt. Erwartungsvoll schaut mich der Verkäufer an, doch ich weiß nicht ganz genau, was für eine Antwort er von mir erwartet. „Der läuft ja doch noch ganz schön!“ ? Bei einem Auto, das nicht einmal achtzigtausend Kilometer gelaufen hat und erst vier Jahre alt ist? Wäre schlimm, wenn es nicht gut laufen würde. Trotzdem kommen mir die eben niedergeschriebenen Worte über die Lippen. „Das ist ja auch wirklich ein robuster Motor!“, bekomme ich als Antwort zu hören. Ich schaue mich im Wagen um. Ein Radio mit Touchdisplay wohnt im Armaturenbrett, neben meinem rechten Knie ragt der Ganghebel eines Schaltgetriebes aus der Mittelkonsole. Vor mir ein Lenkrad. Geändert hat sich nicht viel. Es hat nur Knöpfe.

„Melden Sie sich gerne, wenn Sie sich entschieden haben!“

Gemütlich laufe ich zurück zu meinem alten Kombi, der mit seinem Schnurrbart und seinem knalligen Rot stark zwischen den schwarzen und silbernen Neuwagen heraussticht. Ich weiß nicht, ob dem Verkäufer von vornerein nicht schon klar war, dass ich mit ihm nicht ins Geschäft kommen werde. Aber ich hatte auch von vornerein mit offenen Karten gespielt, dass ich mich nur einmal informieren wollte und nicht ernsthaft auf der Suche nach einem Ersatz für meinen siebzehn Jahre alten Golf 4 Variant bin. Ganz kurz hatte ich vielleicht überlegt, ob es nun nicht doch Zeit für einen neuen Wagen wäre, denn an Harald steht nun doch ein bisschen Arbeit an, damit er mich weiterhin zuverlässig fünfzigtausend Kilometer im Jahr durch die Gegend kutschiert. Und diese Arbeit ist auch mit dem Investieren von „etwas“ Geld verbunden.

Er wird nicht jünger.

Ich weiß, für die meisten von euch wird das hier ein Artikel sein, der euch vielleicht ein wenig nervt. „Meine Güte, der hatte das doch schon einmal, dass seine Karre als wirtschaftlicher Totalschaden deklariert wurde, warum erzählt er uns den ganzen Mist noch einmal?“ Und natürlich habt ihr auch das ganze Recht dazu – doch dieses Mal ist es ein wenig anders. Dieses Mal weiß ich ungefähr, was an Harald zu tun ist. Und da ich in nächster Zeit noch mehr fahren werde, als ich es ohnehin schon tun werde, kamen bei mir tatsächlich kurz die Gedanken, ob es nicht Zeit wäre, den alten Kämpfer in Rente zu schicken und einen anderen Wagen zu kaufen. Gut – es wird euch vielleicht komisch vorkommen, wenn ihr (wenn es hochkommt) einhundert Kilometer am Tag fahrt, dass ich solche Gedanken mache, einen (bisher) zuverlässigen Wagen wegzugeben. Ich schaffe aber häufig über dreihundert Kilometer am Tag – und da habe ich echt wenig Lust, irgendwo auf dem Standstreifen auf den ADAC zu warten. 300 000 Kilometer gehen nicht spurlos an einem Auto vorbei.

Doch meine Überlegungen hielten nicht lange an.

So gerne ich das Blau des Golf 7 Variants leiden mochte, der dank des „Dieselskandals“ preislich sogar erstaunlich erreichbar gewesen wäre, war die Idee, einen jungen Gebrauchten vom Vertragshändler zu kaufen, schnell verflogen. Wirklich viel macht der Wagen nicht besser. Ein Touchdisplay brauche ich genauso wenig wie ein Multifunktionslenkrad. Massagesitze sind auch nur nett, so lange sie funktionieren. Und in Sachen Übersichtlichkeit schlägt mein alter Golf nicht nur seinen aktuellen Bruder, sondern auch den Mondeo, den ich mir angeschaut habe. Auch nach ähnlich alten Diesel-Kombis habe ich geschaut, doch mir ist die Gefahr zu groß, eine größere Baustelle zu kaufen als ich nun schon besitze. Und irgendwie ist mir der meckernde Schnauzbartträger irgendwie ans Herz gewachsen. Wir sind ein gutes Team geworden. Also bekommt Harald eine kleine Frischzellenkur.

Und die Basis dafür ist nicht verkehrt.

Im März diesen Jahres musste Harald zum Prüfingenieur. Um einen guten Eindruck zu machen, bekam er vorne neue Bremsen und neue Spurstangen. Dazu gab es frisches Öl, neue Bremsflüssigkeit und äh… eine Wäsche. Das war es. Der sympathische Prüfer wollte mir damals nicht glauben, dass mein Wagen schon „so viele“ Kilometer auf der Uhr hätte und verpasste ihm im Prüfbericht den Zusatz: „Sehr guter Pflegezustand“. Der Motor verbraucht kaum Öl und wurde von mir bisher regelmäßig alle 10 000 Kilometer mit frischem Schmierstoff versorgt. Die Karosserie hat es  bisher auch noch nicht mitbekommen, dass sie auch rosten könnte. Die Sitze sind nicht wirklich durchgesessen. Das Getriebe geht seiner Arbeit auch noch gerne nach, die Kupplung ist (bis auf ein sich ab und zu einmal meldendes Zweimassenschwungrad) auch noch gut im Futter – obwohl es noch die erste ist.

Schöne Grüße an Lukas!

Seit ich mich entschieden habe, Harald für sein zweites Leben (So nenne ich es einfach mal, wenn die dreihunderttausend auf dem Tacho stehen) fit zu machen, habe ich mich auch ein wenig mehr mit der Geschichte meines Auto auseinander gesetzt. Und hier kommt Lukas ins Spiel. Lukas (Vielen Dank an dieser Stelle!) war vor einigen Wochen mit seinem Seat Marbella zu Besuch (Ein Bericht darüber folgt noch) und erzählte mir, dass er auf seiner Arbeitsstelle (bei Volkswagen) über die Fahrzeugidentnummer herausfinden könnte, was Harald bisher so erlebt hat. Und dabei kamen recht erstaunliche Dinge zum Vorschein. Harald ist 2001 nämlich als Fahrschulauto ausgeliefert worden, wurde aber in den ersten fünf Jahren gerade einmal knapp über 30 000 Kilometer bewegt. 2006 wurde dann die Fahrertür ausgebeult und nachlackiert – also ist sie tatsächlich einen Hauch dunkler als der Rest. Ab 2006 lief er bei der Familie, von der ich den Wagen gekauft und damals auch viele Rechnungen dazu bekommen habe. Nun habe ich die Servicehistorie bis auf die zwei Jahre vor dem Kauf komplett und weiß, was alles schon gemacht wurde.

Und was noch gemacht werden muss.

Das (leider) auffälligste ist der ab und zu im Leerlauf stotternde Motor. An einem verstopften Dieselfilter kann es eigentlich nicht liegen, der ist noch keine zehntausend Kilometer drin. Anstatt aber nun die Pumpe-Düse-Elemente für teures Geld zu tauschen, werde ich es erst einmal mit dem Pumpe-Düse-Kabelbaum versuchen. Der ist günstiger und löst sich wohl häufig auf. Dann poltern auch noch die Querlenker. Und das ist wohl nicht wirklich erstaunlich – denn das sind doch die, die seit 2001 an dem Wagen hängen. Bis auf die Spurstangen ist die Vorderachse sowieso noch im Werkszustand. Sogar die Stoßdämpfer haben dreihunderttausend Kilometer drauf. Ob ich die gleich mittauschen werde, weiß mein Kontostand noch nicht so genau. Sie ölen noch nicht und haben auch noch auf dem Prüfstand eine recht gute Wirkung gezeigt. Was auf jeden Fall getauscht werden muss, sind die hinteren Bremsen. Die sind nämlich wirklich laut geworden – fast wie das Bremsen einer Straßenbahn. Vielleicht müssen neue Sättel sein – aber das schaue ich mir erst einmal an.

Ähnlich wichtig – und die Arbeit werde ich aus der Hand geben – ist die Erneuerung des Zahnriemens. Der ist jetzt gut 80 000 Kilometer drin, soweit ich weiß liegt das Intervall bei 90 000 Kilometer, doch ich mache es lieber ein wenig früher. Neu kommt dabei dann auch die Wasserpumpe, der Keilrippenriemen und alles, was dazu gehört. Der Rest ist dann eigentlich nur noch typischer Service. Ein Motor- und auch ein Getriebeölwechsel stehen wieder an – und der Wagen muss noch winterfest gemacht werden. Achja – und die mittlere Auspuffhalterung ist kaputt. Und vielleicht ein Radlager vorne, was dann auch 300 000 Kilometer gehalten hätte.

Es gibt also viel zu tun.

Ich weiß, viele werden nun sagen, dass ich die Mühle abstoßen und mir etwas cooleres für den Alltag kaufen sollte. Schließlich besitze ich auch noch einen Mercedes und Volvos und sollte wissen, dass es viel schönere Autos da draußen gibt. Schöne Grüße an Martin von Schneewittchensaab, der schon lange versucht, mich in einen Saab mit LPG zu bekommen. Doch ich möchte gar kein cooleres Alltagsauto. Harald darf mich weiterhin begleiten. Mehr Auto brauche ich nämlich eigentlich nicht. Vielleicht bin ich auch ein wenig trotzig, weil momentan so viel auf dem Diesel herumgehackt wird. Harald hat nicht einmal einen Partikelfilter.

Außerdem würde ich es vermissen, nicht mehr mitzubekommen, wie kleine Kinder ihre Eltern fragen, warum das rote Auto da auf dem Parkplatz einen Schnurrbart hat und die Eltern keine Antwort darauf wissen.

Also, Harald. Nun darfst du es dir einmal so richtig gut gehen lassen.

Abgewrackt wirst du noch lange nicht.

 

Über Watt'n Schrauber

Autoverrückt, restauriert einen Buckelvolvo mit wenig Budget, mag Fotografieren, Tanzen und ist manchmal wohl ein wenig durcheinander. Und mag Norddeutschland.
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4 Antworten zu „Was du brauchst ist eine Kur…“

  1. turboseize sagt:

    Du sollst den Golf nicht wegen seiner Kilometer und des Instandsetzungsbedarfes abgeben, sondern weil es ein VW ist. Als Vielfahrer sind die Dinger bekanntermaßen unzumutbar. Ja, die Golf IV sind haltbar… aber sie haben noch nicht einmal Sitze! Und über das Nachtdesign des Armaturenbrettes reden wir gar nicht erst.

  2. Michael sagt:

    Moin

    Das ist doch alles nur Pillepalle was da zu machen ist, günstiger wirst du kaum fahren können…

    PD Kabelbaum wechseln ist kein Hexenwerk beim quer verbauten TDI PD Motor, maximal 2 Stunden Arbeit

    Wenn du die hinteren Querlenkerlager erneuern willst, dann bau die vom TT ein, sind baugleich bis auf das diese im Gummilager keine Öffnungen haben, minimaler Komfortverlust mit Standartbereifung bis 16″ merkt man nichts, dafür spurstabiler als der Serienmüll

    Ich hoffe du machst einmal im Jahr die vorderen Radhausschalen raus und kratzt den gesammelten Dreck da raus, denn in den Ecken rosten nicht nur Golf III durch sodnern auch angeblich vollverzinkte Autos aus dem VW Konzern neuer als Baujahr 2008

    • LarsDithmarschen sagt:

      Hey Michael,

      klar sind das nur Kleinigkeiten.

      Den Pumpe-Düse-Kabelbaum habe ich inzwischen schon ersetzt, das ging wirklich recht gut von der Hand. Dabei habe ich auch gleich gesehen, dass die Nockenwelle überhaupt nicht eingelaufen ist – der Motor hat wohl noch wirklich Zukunft. Zum Zahnriemen-Wechsel gebe ich ihn in die Werkstatt, wenn die einen guten Job machen (Wovon ich ausgehe), wird das ein Dauerläufer.

      Bei den Querlenkern habe ich neue Meyle-HD-Lenker gekauft. Ich habe zwar eine Presse, aber leider keine Hebebühne, weshalb ich sie nur umschrauben kann, wenn ich mir eine Bühne gemietet habe. Ich weiß gar nicht, ob da die hinteren Querlenkerlager Öffnungen haben. Ich meine, die vom TT sind baugleich mit denen vom R32? Die alten Querlenker hebe ich auf jeden Fall auf – und im Falle eines Falles kommen da neue Querlenkerbuchsen vom TT rein und ich baue sie wieder ein. Vielen Dank für den Tipp! Bei 120€ für zwei Meyle-HD-Dinger habe ich nicht so lange überlegt.

      Die Radhausschalen mache ich zwei Mal im Jahr sauber – und konserviere da auch gleich alles dick mit Seilfett. Genauso den kompletten Unterboden, die Achsteile und die Kofferraumklappe. Hohlräume natürlich auch – aber die nur einmal im Jahr. Rosten wird er so hoffentlich nicht… 😉

      Schöne Grüße
      Lars

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