Nach drei Jahren war es letzten Samstag für mich endlich wieder soweit. Ab nach Rømø!Dieses Jahr war der Ausflug auf die dänische Nordseeinsel eine kleine Auszeit für mich.
Manchmal muss man einfach raus.
Ich weiß ja nicht, wobei ihr so entspannt. Vielleicht bei einem schönes Buch? Bei einem Glas Wein vorm knisternden Kamin? Ein packendes PC-Spiel? Oder geht ihr irgendwo nett Essen? Ich habe mich letzten Samstag für einen Tag am Strand entschieden. Aber nicht, um zu baden und irgendwie in der Sonne zu braten, nein. Das war nicht der Grund, warum ich mich früh morgens in mein Auto setzte (leider nicht Elsa) und mich auf den Weg zur dänischen Nordseeinsel Rømø machte. Eigentlich brauche ich hier gar nicht länger herumschwafeln, denn ihr wisst vom Titel und vom Bild hier sowieso schon, warum ich nach Dänemark gefahren bin. Ich entspanne am besten in, unter und rund um alte Autos. Keine Ahnung, warum das so ist – aber es ist nun mal so. Und wenn es irgendwo alte Autos zu sehen gibt, dann auf dem Rømø Motorfestival!
Aber erst einmal reisen wir mehr als einhundert Jahre in die Vergangenheit. Wir schreiben das Jahr 1917. Die Welt ist seit einigen Jahren im Krieg und alle hoffen auf bessere Zeiten. So auch Svend Simmelkjær. Als er über einen der riesigen Strände einer dänischen Insel läuft, stellt er sich ein Rennen vor, sowohl für Autos als auch für Motorräder. Und diese Idee ließ ihn nicht mehr los. Am 23. August 1919 setzte er seine Idee endlich um – das erste Strandrennen Dänemarks fand auf der Insel Fanø statt. In kurzer Zeit entwickelte sich das Rennen zu einer der bedeutendsten Motorsport-Veranstaltung der Welt. Von überall her kamen Leute und versuchten neue Geschwindigkeitsrekorde aufzustellen – zu einer Zeit als die wenigsten Menschen überhaupt ein Auto hatten. 1924 endete das Strandrennen auf Fanø, als sich ein Reifen des Autos vom britischen Rennfahrer Malcolm Campbell löste und einen Zuschauer tötete.
Ein tragisches Ende
Die fünf turbulenten Jahre der dänischen Strandrennen-Ära wären wohl in Vergessenheit geraten, wenn das Orga-Team des Rømø Motorfestivals es 2016 nicht einfach wieder ins Leben gerufen hätten. Zwar nicht auf Fanø, dafür aber mit Autos aus der Ära. Von einer kleinen Veranstaltung mit 40 Autos hat sich das Motorfestival inzwischen zu einem der „Must-visit“-Veranstaltungen für Autofans und Schaulustige entwickelt. Und das merkte ich auch, als ich kurz nur noch rund 6 Kilometer vom Veranstaltungsort „Lakolk“ entfernt war, das Navi mir aber noch gut eine Stunde Fahrzeit anzeigte. Es ist halt inzwischen kein Geheimtipp mehr. Aber das macht auch gar nichts. Ich setzte mir meine Sonnenbrille auf, drehte das Fenster herunter und genoss im Stau die Musik, die die dänischen Radiosender so über die Lautsprecher dudelten.
Irgendwann hatte ich mich dann doch auf die Insel gekämpft und sogar einen Parkplatz fast direkt an der „Rennstrecke“ gefunden. Beim Rennen in Lakolk geht es nicht darum, irgendeinen Parcours auf dem Strand zu fahren, es ist im Stil eines Viertelmeilen-Rennens gehalten. Die Teilnehmer fahren also „nur“ geradeaus und beschleunigen so schnell wie möglich. Das „Nur“ habe ich in Anführungszeichen gesetzt, weil das Ganze auf einer buckeligen Sandpiste garantiert nicht so einfach ist, wie gedacht. Aber ich glaube, für viele stand das Rennen gar nicht im Mittelpunkt. Überall am Strand hatten sich Camps gebildet, die mit reichlich Chrom oder Rost geschmückt wurden. Das alles musste ich erst einmal aufsaugen, als ich aus meinem Kombi stieg. Es wunderte mich auch gar nicht, dass mir fast jemand mit einem motorisierten Bierkasten über die Füße fuhr. Sowas gehört zum Motorfestival.
Ankommen und entspannen
Und obwohl viel Trubel war, fühlte ich mich gleich entspannt. Viele Leute saßen auf den Dünen und schauten das Rennen an, noch einmal so viele schlenderten durch die Reihen und guckten sich die Autos an. Und ich? Ich tat beides. Auf der Suche nach Bastian und seiner Familie, die auch das Rennen verfolgen wollten, fiel mir auf, dass es nicht einmal nach Abgasen roch. Eher nach frischer Nordseeluft mit einem Hauch von Leder und Fett. Viele amerikanische Modelle hatten sich eingereiht, aber tatsächlich konnte ich auch einen VW Käfer und einen Buckelvolvo finden. Ein bisschen wuchs mein schlechtes Gewissen dann doch, dass ich Elsa Zuhause hatte stehen lassen. Hochglänzende Chevrolets standen neben hochglänzenden Buicks, während sich hier und da noch ein HotRod auf Ford-Basis oder ein gechoppter Opel dazwischengequetscht hatten.
Irgendwann fand ich Bastian und seine Familie tatsächlich – eher zufällig – in dem Gewusel. Und von da an wurde der Tag noch entspannter. Erst schlenderten wir wieder durch die Reihen der chromglänzenden Autos, bei denen man immer wieder neue Modelle entdecken konnte – immer wieder kamen neue Autos an und alte fuhren weg. Hier blubberte ein V8, dort knatterte ein Flathead-Ford – und mittendrin hörte man plötzlich ganz klar einen Redblock-Volvo. Alles eigentlich – zumindest für heutige Standards – wirklich simple Technik, die selbst fast 70 Jahre später noch einwandfrei funktioniert. Keine Chips, keine Steuergeräte und bis auf die Zündung kaum Elektrik. Einfach nur Bauteile, die man jederzeit ersetzen oder theoretisch sogar nachbauen könnte, ohne irgendwo eine Software zu haben. Sowas fasziniert mich.
Here comes the sun
Irgendwann saßen wir dann gemütlich auf einer Decke, hinter einem gechoppten 49er Ford Coupe und schauten uns all die Rennfahrerinnen und Rennfahrer an, die mit ihren Motorrädern und Autos an uns vorbei zurück zur Ziellinie fuhren. Und irgendwie… irgendwie bekam ich auch wirklich Lust auf einen Vorkriegswagen, als die Autos dort so vorbei fuhren. Und irgendwie bekam ich auch Lust, mal bei so einem Rennen mitzufahren – obwohl ich ja das genaue Gegenteil von einem Rennfahrer bin. Aber es sah einfach nach riesigem Spaß aus, wie die Leute dort mit teilweise wirklich hohen Geschwindigkeiten über den Strand bretterten. Inzwischen habe ich auch mal einen Blick in verschiedene Inserate geworfen – zum Glück sind die Autos viel zu teuer, als dass ich mir einen Rømø-Rennwagen aufbauen könnte. Außerdem habe ich ja noch Hein.
Was ich an dem Tag anscheinend nicht hatte, war genügend Sonnenschutz. Irgendwann merkte ich, dass ich doch recht tomatig wurde. Uncool – aber da nicht mehr zu ändern. Und die Coolness der Rennkisten lenkte davon auch gut ab. Irgendwie schien auch zwischen den Fahrerinnen und Fahrern eine sehr entspannte Atmosphäre zu sein. Auf dem Bild oben habe ich nicht den einzigen Fistbump festgehalten. Sowas finde ich toll – es gibt viel zu viele Oldtimer-Veranstaltungen, bei denen sich die Leute zu ernst nehmen und somit allen den Spaß versauen. Vielleicht gab es das hier auch – aber zumindest machte das nicht den Eindruck. Irgendwann schienen alle Autos noch ein zweites Mal zu fahren und ich folgte Bastians Familie an den Strand. Dort gab es neben Wasser auch noch weitere Oldtimer zu sehen, die durch den Sand cruisten.
Ich komme wieder!
Irgendwann musste ich mich wieder auf den Weg machen, weil ich abends noch zum Essen eingeladen war. Ich verabschiedete mich von Bastian und seiner Familie (Schöne Grüße noch einmal an dieser Stelle!) und ging zurück zum Auto. Ich bin wohl gerade noch rechtzeitig losgekommen, denn wohl nur wenig später kamen die Leute kaum mehr von der Insel weg. Als ich gemütlich mit 80 über die dänischen Landstraßen fuhr, nahm ich mir fest vor, nächstes Jahr wieder da zu sein. Vielleicht sogar von Freitag bis Sonntag, so mit Ferienhäuschen. Dann könnte man auch Samstagabend auf die Party gehen. Und dann natürlich mit Elsa. Ich grinste, als ich darüber nachdachte. Erst an der Grenze zu Deutschland fiel mir auf.
Einen HotDog zu essen, hatte ich ganz vergessen.
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