Røøøhr-mø

Ein sonniger Strand, gute Freunde und viele, alte Autos. Das ist das Rømø Motorfestival.Lasst mich euch von meinem Besuch dort und von einem kleinen Missgeschick erzählen.

Kommt mit auf eine Reise.

Stellt euch einmal vor, ihr wäret ein Vogel und wir würden alle im Schwarm durch die kalte, salzige Nordseeluft eines Wintersturms fliegen. Es weht zwar eine steife Brise, aber die kann uns nicht wirklich etwas anhaben. Erstaunt beobachten wir die tosenden Wellen, die fast dunkelgrau wirken und lautstark auf die Küste treffen. Erst als Gischt kann sich das Wasser beruhigt auf dem Sandstrand ausbreiten. Wir fliegen ein Stück weiter und hören dabei den scharfen Wind, der durch das Dünengras fegt und den Sand gleich mitnimmt. Wir steigen ein wenig in die Höhe, um zu sehen, an welcher Küste wir uns überhaupt befinden. Relativ schnell erkennen wir auch Wasser auf der anderen Seite des Lands – wir haben also eine Insel vor uns. Eine besonders grüne Insel. Gut 60%, so schätzen wir, als wir uns ein wenig im Wind treiben lassen, sind mit grünen Pflanzen bedeckt. Der Rest ist bedeckt von Sand.

Es scheint nicht sonderlich viel los zu sein. Im Westen fliegen wir über eine kleine Einkaufsmeile, die aber nun im Winter fast vollkommen verlassen ist. Ein paar Werbetafel für Pølser schaukeln quietschend im Wind – doch das alleine ist uns zu langweilig. Ein bisschen weiter in Richtung Süden finden wir – neben ein paar verstreuten Ferienhäusern noch einen Hafen. „Havneby“ heißt der Ort und auf einem Schild lesen wir (Wir sind besonders schlaue Vögel) etwas von einem Fährbetrieb nach Sylt. Doch auch da ist nun im Winter nichts mehr los. Erst im Sommer, so stellen wir es uns vor, wird auf dieser Insel richtig viel los sein. Nicht nur die Einkaufspassage, sondern auch das Meer und der befahrbare Strand werden bestimmt viele Touristen anlocken…

Gentleman, start your engines!

So, nun habe ich euch aber genug verwirrt. Vielleicht wolltet ihr gerade den Tab schließen, weil ihr hier etwas von brüllenden Motoren lesen wolltet und nicht von irgendwelchen Vögeln – doch ich wollte euch einfach mal einen kleinen Eindruck von Rømø vermitteln. Als ich vor ein paar Tagen über die im Winter schon fast einsame Insel lief, konnte ich mir einfach nicht vorstellen, wie viel hier noch bei meinem Besuch im August los war. Rømø ist sowieso fast eine reine Touristeninsel (Wenn man die Bewohner der Insel zählen würde, käme man laut Google gerade einmal auf 560), doch an dem Wochenende herrschte Ausnahmezustand auf der Insel. Und der Grund? Alte, laute Autos. Was auch sonst?

Ich weiß noch ganz genau, wie ich das erste Mal auf das Rømø Motorfestival aufmerksam geworden bin. Mein Kumpel Micky aus Österreich hatte mir einen Link zu diesem Video geschickt, das mich recht schnell sabbern ließ. Aufgemotzte, laut brüllende Vorkriegsautos, die von tollkühnen Männern in passender Kleidung über den salzigen Sandstrand einer Insel geprügelt wurden. Zuerst dachte ich, es wäre irgendwo in Großbritannien, doch als ich „Rømø“ las, wusste ich sofort: „Da muss ich hin!“ Die Nordseeinsel ist vom Watt’n Schrauber-Headquarter keine zwei Stunden Fahrt entfernt – und so etwas wollte ich unbedingt einmal live sehen. Als es dann endlich soweit war, schnappte ich mir Hein (Er hatte mich schließlich gerade gut nach Österreich und zurückgebracht) und machte mich voller Vorfreude und mit einem vollem Kamera-Akku auf den Weg.

Velkommen til Rømø

Schon auf der Anreise wusste ich, dass sich der Weg lohnen wird. Je näher ich Rømø kam, desto mehr Klassiker bevölkerten auf einmal die Straßen. Es war wirklich wie eine Sternfahrt. Aus allen Richtungen kam immer mehr altes Blech angerollt. Irgendwann befand ich mich in einem Konvoi, in dem mein rostiger Mercedes schon fast als „Neuwagen“ aufgefallen wäre. Vor mir sang der V8 eines Cadillacs blubbernd sein Lied, hinter mir glänzte der Chrom einer alten S-Klasse mit der Sonne um die Wette. Die Fahrt durch Dänemark verging wirklich wie im Fluge. Naja – zumindest bis Rømø schon fast in Sichtweite lag. 11 Kilometer misst der Damm, der die Nordseeinsel mit dem Festland verbindet. Und drei Mal dürft ihr raten, wie lang der Stau wohl war, durch den Hein und ich uns kämpfen mussten… Was meint ihr? 11 Kilometer? Fast richtig. Es waren ganze siebzehn. Den ganzen langen Weg über den Damm und die 6 Kilometer nach Lakolk fuhren wir im Schritttempo. Immer wieder sah man am Straßenrand einen kochenden Klassiker stehen, dessen Kühlerlüfter wohl nicht so effizient war wie der von Hein. Erst wollte ich schon fast umdrehen, doch als Hein und ich endlich die Insel erreicht hatten, verflog dieser Gedanke recht schnell. Überall parkten alte Autos und alte Motorräder. Die Besitzer standen in passender Kleidung meist lachend daneben. Am Straßenrand des Vesterhavsvej saßen Leute in der prallen Sonne in Klappstühlen und winkten dem langsamen Konvoi aus alten Autos zu. Nur Hein und mir winkte keiner – es fehlte uns wohl deutlich an Chrom. Oder ich hätte mich einmal kämmen sollen.

Benzin in der Luft

Ich tätschelte Hein noch einmal über die Haube, als ich mich mit Kamera und Rucksack bewaffnet auf den Weg zur Rennstrecke machte. Nach der ganzen Kriecherei hatte ich vor dem Abstellen noch ein paar Kreise im Sand gezogen und musste darüber immer noch ein wenig grinsen. Doch Hein hatte ich schon fast vergessen, als ich den ersten Klassiker zwischen all den Neuwagen der Besucher fand. Ein Ford Zephyr, schon deutlichst patiniert. Spätestens jetzt verschwanden alle Zweifel, ob das Video das Event nicht etwas geschönt hätte –  wenn die Besucher mit so einem Wagen anreisen, konnte es nur gut werden. Und es wurde gut. Mit jedem Schritt in Richtung Rennstrecke wurden die Besucherautos immer älter. Zwischen frisch restaurierten Thunderbirds und abgerockten Käfern war alles dabei. Alleine der Besucherparkplatz, so dachte ich mir, wäre die Kriecherei auf die Insel schon wert gewesen. Doch erst einmal wollte ich das Rennen sehen.

Vielleicht sollte ich euch aber erst einmal erzählen, warum Rømø seit einigen Jahren so viele Altautobesitzer und –Fans anzieht. Eigentlich hat Rømø damit gar nichts zu tun, denn der Ursprung für dieses Rennen liegt auf der Insel Fanø. Fanø liegt einige Kilometer nördlich von Rømø, hat aber ähnlich schöne Strände. Und genau auf einem dieser Strände fand am 23. August 1919 das erste Rennen statt. Fünf Jahre in Folge trafen sich immer wieder tollkühne Rennfahrer und lieferten sich mit ihren Autos oder Motorrädern waghalsige Geschwindigkeitsjagden. Leider passierte dem britischen Rennfahrer und Motorjournalist Sir Malcolm Campbell 1924 dann ein schrecklicher Unfall: Bei einem Versuch einen neuen Geschwindigkeitsrekord aufzustellen, verlor sein Rennwagen ein Rad und schoss in die Besuchermenge. Ein 15-jähriger Zuschauer wurde tödlich getroffen. Das Ende der Strandrennen in Dänemark, bis die Organisatoren es 2016 auf Rømø wiederauferstehen ließen. Jetzt ist es eher ein Viertelmeilen-Rennen auf Sand, doch die Autos könnten fast alle schon damals mitgefahren sein.

Reise in die Vergangenheit

Teilnehmen dürfen bei dem Rennen nämlich nur Vorkriegsfahrzeuge und die Fahrer müssen passend dazu gekleidet sein. Es ist also wirklich wie eine Zeitreise, die ich so nur wieder auf dem Nutzfahrzeugtreffen in Burg erleben durfte. Selbst der Besucherparkplatz direkt an der Rennbahn hatte eine Altersbeschränkung. Autos bis Baujahr 1957 durften sich dort einreihen. Kurz ärgerte ich mich, nicht mit Elsa angereist zu sein, aber die wäre bei dem Stau wohl auch übergekocht.  Ich war relativ spät dort, weshalb ich vom Rennen gar nicht mehr so viel mitbekam. Das lag aber auch eher daran, dass das Absperrband, das die Renngerade deutlich von den Besuchern absperrte, voller Menschen war. Selbst wenn ich wollte, hätte ich mich wohl nirgendwo dazwischen zwängen können. Also entschied mich dazu, doch erst einmal die Besucherautos zu inspizieren. Und davon waren reichlich vorhanden.

Natürlich war die Vorkriegsdichte relativ hoch – was mir aber gefiel. Ich habe, wie wahrscheinlich fast alle Benzinblütler, eine relativ lange Liste an Autos, die ich irgendwann noch einmal besitzen möchte. Und ein Vorkriegsklassiker steht ganz oben auf der Liste. Was es für einer werden soll? Darüber mache ich mir wohl erst Gedanken, wenn ich genügend Platz und genügend Geld habe. Es kann also noch gut zwanzig Jahre dauern oder so. Aber Bestaunen und Sabbern ging auf Rømø schon ganz gut. Viele Autos waren natürlich nicht mehr original, sondern zum Hotrod umgebaut. Wirklich kein Auto glich dem anderen. Während man bei einem Auto den Lack als Spiegel hätte verwenden können, trug der Wagen daneben noch die originale, abblätternde Lackierung. Ein toller Mix. Staunend und fotografierend ging ich durch die Reihen. Immer wieder lief ein passend gekleideter Mensch ins Bild.

Von blubbernden und jaulenden Motoren

Natürlich lief das Treffen nicht leise ab – schließlich lieferten sich im Hintergrund alte Autos (häufig ohne Schalldämpfer) flotte Beschleunigungsrennen. Doch auch auf dem Besucherparkplatz war einiges los. Überall konnte man das Standgasblubbern von fetten V8-Motoren hören. Eigentlich war ich nie so der Fan von amerikanischen Autos, doch in den letzten Jahren hat sich das irgendwie geändert. „Eigentlich müsste man sich einen V8 kaufen, so lange man es noch kann“, schoss es mir durch den Kopf, als ich an einem in Standgas laufenden Hudson vorbeilief. Aber auch das muss wohl noch etwas warten, meine Vierzylinder verbrennen ja schon genug Sprit. Und immer nur mein ganzes Geld für Benzin ausgeben kann ich ja auch nicht, schließlich muss ich irgendwann auch einmal was essen. Apropos Essen: So langsam bekam ich von der Lauferei Appetit auf einen HotDog. Zum Glück war der nächste Stand nicht weit.

Natürlich muss ich auch einmal kurz auf das Rennen eingehen. Ganz ehrlich? So viel habe ich da gar nicht drauf geschaut. Es war zwar toll, die Motoren hochjaulen zu hören, aber nach drei oder vier Durchläufen wurde es mir auch schon langweilig. Damit ihr nun aber nicht böse auf mich seid, habe ich tatsächlich ein Video für euch gedreht. Da könnt ihr ein paar alte Autos in Action sehen. Für mich persönlich war das „Drumherum“ viel interessanter. Alte Autos, nette Gespräche und leckere, ungesunde HotDogs. Viel mehr brauch ich eigentlich auch gar nicht, um so richtig glücklich zu sein. Irgendwann war das Rennen vorbei und der große Aufbruch ging los. Ich wollte mich nicht wieder in das Gemenge stürzen und stellte mich mit Hein direkt ans Wasser. Während die Sonne irgendwann langsam unterging, rollte ein alter Rekord vorbei. Spätestens da wusste ich: Ich komme wieder.

Zeit für eine Beichte

Nun zum Ende muss ich euch aber noch etwas gestehen. All diese Bilder, die ihr hier sehen könnt, und die Geschichte, die ich euch erzählt habe, sind vom letzten Jahr. Da war ich nämlich auch schon auf dem Römö Motorfestival, habe aber irgendwie verpennt, einen Artikel darüber zu schreiben. Dieses Jahr – so hatte ich es mir fest vorgenommen – sollte es anders sein. Ich hatte mich mit Andrea und Klaus verabredet und als wir im Konvoi auf den Autostrand fuhren (ohne Hein – ich war mit Harald unterwegs), war… alles leer. Wir hatten das Motorfestival um einen Tag verpasst. Naja – was heißt „wir“? Ich hatte auf den Kalender geguckt. Ich hatte mich schon gewundert, dass ich dieses Mal nicht im Stau stand. Ein paar Oldis konnten wir aber trotzdem noch auf dem Strand und auf unseren Kurztrip nach Ribe entdecken. Nächstes Jahr – so ist der Plan – werden wir uns das volle Programm „Motorfestival“ geben. Mit Wagenburg, Zelten und ganz vielen alten Autos.

Ich freu mich schon drauf!

Über Watt'n Schrauber

Autoverrückt, restauriert einen Buckelvolvo mit wenig Budget, mag Fotografieren, Tanzen und ist manchmal wohl ein wenig durcheinander. Und mag Norddeutschland.
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5 Antworten zu Røøøhr-mø

  1. Christoph Hain sagt:

    Habe es dieses Jahr wegen Terminschwierigkeiten auch ganz knapp nicht geschafft.
    Sollte ja dann auch mal mitkommen 🙂

  2. Micky sagt:

    Oh das macht Lust auf einen Besuch!

    • LarsDithmarschen sagt:

      Na, dann mal los! Von euch zu mir sind es doch auch „nur“ gut 11 Stunden Fahrt. Das geht schneller, als man es denkt.

      Schöne Grüße
      Lars

  3. Pingback: Strand, HotDog und Benzin im Blut - Watt'n Schrauber.Watt'n Schrauber.

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