Natürlich ist es Quatsch, fast dreihundert Kilometer für einen Cheeseburger zu fahren.Außer man lernt neue Leute kennen. „Watt’n Schrauber“ wird auf einmal ganz real.
„Auf der A7 Richtung Flensburg gibt es zwischen der Abfahrt „Hamburg-Hausbruch und dem Elbtunnel fünf Kilometer stockenden Verkehr.“
Ich drücke die Vier auf dem Casettenradio meines treuen Dieselkombis „Harald“. Der Verkehrsfunk von NDR 2 verstummt, auf N-Joy spielen sie schon Musik. Ich brauche nun keinen Verkehrsfunk, denn so schnell werde ich aus dem eben erwähnten stockenden Verkehr nicht wieder herauskommen. Ich drehe die Musik ein wenig lauter. Ich kenne den Text von „These Days“ von Rudimental noch nicht auswendig, also klopfe ich fröhlich summend im Takt auf dem Lenkrad. Um mich herum fahren vollgeladene Kombis und Minivans, ab und zu quetscht sich nur eine neue, meist schwarze Limousine mit einem Geschäftsmann hinter dem Lenkrad dazwischen. Genauso eine steht gerade neben mir. Der große neue Audi glänzt. Der Fahrer hat ein weißes Hemd an, die schwarze Krawatte sitzt schon ganz schief. Sein Kopf ist hochrot. Er brüllt laut. Ob er nun in das Bluetoothding an seinem Ohr schreit oder sich über den Stau aufregt, kann ich nicht sagen. Vor einigen Wochen hätte ich mich auch noch über diese kleine Verzögerung aufgeregt. Aber heute bin ich ganz entspannt. Es bringt ja nichts sich aufzuregen. Gerade, wenn man man die letzten Stunden wunderbar fand und sie richtig genossen hat. So, wie ich es gerade getan habe. Entspannt lehne ich mich zurück.
Der Verkehr steht weiterhin. Ich denke an den heutigen Tag. Und muss grinsen. Im September werden es schon fünf Jahre, dass ich die Leute im Internet mit meinen Geschichten über meine alten Autos nerve. Da war ich gerade siebzehn, hatte mir Elsa gekauft und mich dazu entschieden, nicht nur für die Schülerzeitung, sondern auch über Elsas Wiederauferstehung zu schreiben. Erst tat ich das nur im Alltagklassiker-Forum, irgendwann meinte ein Kumpel von mir, ich solle mit meinen Geschichten doch einen Blog füttern – und damit fing ich im gleichen Monat noch an. Wäre ich nun in irgendeiner RTL-Doku-Soap würde ich sagen, dass das eine Entscheidung war, die mein Leben tiefgründig verändert hat. Aber so ganz falsch ist das auch nicht, denn inzwischen habe ich über diesen laienhaft geführten Blog schon viele coole Menschen getroffen. Und genau daran habe ich noch mehr Spaß als am Schrauben, Schreiben oder Fahren. Und genau aus diesem Grund stehe ich nun grinsend im Stau, denn heute habe ich wieder den realen Menschen zu den virtuellen Kommentaren kennengelernt.
„Ich möchte lieber nicht mit dem Anhänger durch Hamburg fahren, aber du kannst ja gerne einmal vorbeischauen. Dann können wir ja mal eine Kleinigkeit zusammen essen – und du kannst dir meinen neuen Syncro anschauen!“
Ein Angebot, das ich nicht ausschlagen konnte. Eigentlich ist es albern, für einen Cheeseburger von McDonals von der schleswig-holsteinischen Nordseeküste ganz nach Niedersachsen zu fahren, aber anders hätte ich Blogleser Markus wohl so schnell nicht kennengelernt. Markus wohnt nämlich eigentlich in München – und das ist ja noch eine ganze Ecke weiter weg. Markus und ich hatten schon einige Nachrichten gewechselt, von daher wusste ich ungefähr, wer mich südlich der Elbe erwarten würde. Markus ist nämlich noch autoverrückter als ich. Neben seinem Alltagsgolf besitzt der Gute nämlich noch einen ganzen Schwung an historischen Audis (Wohl nicht verwunderlich für jemanden, der in der Nähe von Ingolstadt aufwuchs) – und nun, ganz frisch, auch noch einen alten Passat Variant. Gestern bekam ich schon einige Bilder von der Bergung des Scheunenfundes, der irgendwo im Landkreis Winsen-Luhe die letzten Jahre unter einer dicken Schicht Staub auf sein Schicksal gewartet hat. Das weckte natürlich meine Neugierde – und so fand ich mich relativ früh morgens schon auf der Autobahn wieder. Hamburg ließ ich links liegen. Niedersachsen? Ich komme.
Nach knapp über zwei Stunden Fahrt erreiche ich mein Ziel. Ein kleiner Ort, irgendwo in Niedersachsen, den man ansonsten nur aus Staumeldungen kennt. Ganz prominent auf einem Trailer steht am Straßenrand der weiße Passat, der ab jetzt zur Sammlung von Markus dazugehört. Markus und der Vorbesitzer Christian sitzen im Inneren des Wagens und schrauben noch schnell eine fehlende Innenraumbeleuchtung rein, als ich staunend auf den Wagen zu laufe. Ich hätte nicht gedacht, dass es irgendwo noch neue Passat Syncro zu kaufen gibt. Zumindest optisch macht der Wagen schon richtig was her – aber ich hatte per „Liveticker“ ja mitbekommen, wie der Wagen gewaschen wurde. Nur die Türen rosten ein wenig. Typische Krankheit. Freundlich werde ich von Markus und Christian begrüßt. Die Innenraumleuchte passt auf Anhieb.
Während Christian noch versucht einen der zahlreichen Audi 100 (die sich den Platz mit VW LT und gefühlt dutzenden, weiteren VW Passat 32b teilen) auf dem Hof nach langer Standzeit wieder Leben einzuhauchen, komme ich mit Markus ins Gespräch und merke schnell, dass ich mit einem richtigen Benzinblüter spreche. Zwischen dem Stottern des Fünfzylinder-Audis und einer leicht verrücktspielenden KE-Jetronic höre ich heraus, dass sein Papa früher mal einen Passat 32b hatte und er sich diesen Traum nun wieder erfüllt hat. Die Freude steht ihm so richtig ins Gesicht geschrieben. Vielleicht auch, weil es Jahre dauerte, Christian den Wagen aus den Rippen zu leiern. Ich kann Christian schon verstehen. Ein Auto mit so guter Substanz abzugeben wäre mir auch schwer gefallen. Der Lack ist kaum zerkratzt und der Gammel beschränkt sich wirklich nur auf die Türen. Ansonsten steht der Wagen da wie ein Neuwagen. Nur ein Manko gibt es. Der Motor ist nicht mehr so fit. Aber das wird für Markus kein Problem sein. Bei Facebook verfolge ich fast live seine Restaurierungen. „Schrauben entspannt mich halt“, sagt er mir lächelnd, als ich auf die tadellose Innenausstattung schaue. „Es ist mein Ausgleich.“ Einmal noch laut sprotzend springt hinter uns auf einmal der Audi an, nur um dann in einen seidenweichen Leerlauf zu fallen. Zeit für Mittag.
Zeit für ’nen Cheeseburger.
Leider habe ich vor lauter Schnacken vergessen, ein paar Fotos zu machen. Ich setze mich auf die Rückbank des nagelneuen Alltagsgolf-GTD-Variant von Markus, mit dem er die meiste Zeit Kilometer abreißt. „Kate“ ist noch kein Jahr alt und hat schon über 50 000 Kilometer auf der Uhr. Markus fährt noch mehr als ich. Während ich manchmal schon keine Lust mehr habe, Autos überhaupt anzusehen, scheint Markus die Vielfahrerei aber überhaupt nicht zu stören. Auf dem Weg zum Fast-Food-Restaurant reden wir über vergangene Autos, zukünftige Pläne und Autos, die eigentlich noch viel zu schade sind, um im Schrott zu landen. Typisches Helfersyndrom. Anscheinend ist jeder Rostsüchtige ein wenig davon infiziert. „Kate“ fährt übrigens echt klasse. Gerade das große Sonnendach gefällt mir prima. Die Fahrt zum Imbiss vergeht wie im Flug.
Es ist eigentlich immer grausam, wie gut so Fast-Food ab und zu mal schmeckt. Während Cheeseburger und Pommes auf den Weg über unsere Mägen machen und ich überlege, ob mich das doppelt abgerechnete Pfand bankrott gehen lässt, kommen wir zu dem Entschluss, dass irgendwie jeder Papa in den 80ern einen Passat 32b gehabt haben muss. Auch meine Eltern hatte einen. Das war zwar nur ein müder Saugdiesel ohne Ausstattung, legte aber den Grundstein für sieben weitere Passat, die bis heute folgen sollten. Als ich klein war, wollte ich so einen „kastenförmigen“ Passat immer als erstes Auto haben. Bisher hat es noch nicht geklappt. Aber man soll niemals nie sagen. Noch kann man sie ja kaufen. Und so ein Saugdiesel wäre schon klasse, so in Zeiten der Dieselkrise… Ich höre auf zu träumen und beiße noch einmal in den pappigen Cheeseburger.
Das Gespräch läuft von alten Autos über Arbeit und Studium und wieder zurück zu alten Autos. Immer, wenn ich mich mit Altautosüchtigen unterhalte, merke ich wieder einmal, dass alle ungefähr die gleichen Probleme haben. Während Markus den Großteil seines Fuhrparks so in Schuss hält, dass er jederzeit eines der Autos nehmen und im Alltag fahren könnte, habe ich eher das Problem, dass sich Reparaturen manchmal… äh.. „anhäufen“. Beim letzten Bissen meine Burgers nehme ich mir vor, auch meine Autos wieder alltagstaulich zu machen. Schließlich habe ich mit jedem Auto dieses Jahr noch einige spannende Touren geplant…
Der Cheeseburger wird schon langsam verdaut und Christian ist schon lange wieder in seiner Werkstatt verschwunden, als ich mich von Markus verabschiede. Es liegen noch einige hundert Kilometer vor ihm und seinem Gespann, mich ruft ein Termin wieder in Richtung Norden. Ich verabschiede mich von Markus und wünsche ihm eine gute Reise. Haralds Hupe hört sich freudig an, als ich aus der Straße der kleinen Siedlung fahre und wieder in Richtung Hamburg starte. Ich freue mich, Markus einmal persönlich kennengelernt zu haben. Ein echt sympathischer Typ mit dem Herz am rechten Fleck. Ich weiß, dass ich das bisher über jeden Leser gesagt habe, den ich bisher traf – aber es stimmt wirklich. Ob das am gemeinsamen Hobby liegt? Bestimmt. Im Rückspiegel sehe ich den Trailer immer kleiner werden, bis nur noch ein weißer Fleck zu sehen ist.
Aber das ist bestimmt nicht das letzte Mal, dass ihr von Markus oder seinem Passat zu lesen bekommt.
Der Sommer ist noch lang.
Schöne Grüße an Markus! War echt nett dich kennenzulernen. Ich wünsche dir viel Erfolg bei der Auferstehung deines Passats! Ich bin wirklich gespannt, was du daraus machst. Wie gesagt… der Sommer ist ja noch lang ;-).
Danke für den Artikel ! Schön geschrieben, ich berichte wenn der Syncro wieder mit alter Kraft läuft !
Hey Markus,
sehr gerne! Ich bin schon sehr gespannt, wann der Variant wieder durchstartet 🙂
Schöne Grüße
Lars