Es ist schon Tradition. Seit neun Jahren bin ich bei der Fichtenhain-Rallye in Heide dabei.Dieses Mal war neben der Vorfreude auch ein bisschen Angst dabei. Und ein Feuerlöscher.
„Bitte nicht! Die Benzinpumpe ist undicht…“
Meine Beifahrerin und der Starter der Wertungsprüfung schauten mich mit großen Augen an, als ich den ersten Gang einlegte und mit großem Grinsen davonfuhr. Wobei… ich glaube, das Grinsen war auch eher gespielt. Mir war nämlich eher etwas mulmig zumute. Wobei ich noch nie ohne dieses Gefühl bei der Fichtenhainrallye teilgenommen habe. Vor neun Jahren, als ich meinen Vater als Beifahrer unterstützte, ging es los. Genau einen Tag vor der Rallye machte Henkelmännchens Lichtmaschinenregler die Grätsche. Der Lichtmaschinenregler hielt nur ungefähr ein Jahr – denn 2011 ging er wieder kaputt. Wieder genau am Tag vor der Fichtenhain-Rallye. 2012 klemmte am Tag vor der Rallye das Thermostat, 2013 brach plötzlich der Zündschlüssel ab. So ging es Jahr für Jahr. Auch als ich das erste Mal mit Elsa mitfuhr, ging auf einmal das Licht nicht mehr. Und der Fahrersitz klappte während der Fahrt auf einmal in die Liegeposition.
Dieses Jahr hatten wir uns vorgenommen mit zwei Autos anzutreten. Meine Eltern wollten mit Henkelmännchen an den Start gehen und ich hatte mir eine sympathische Beifahrerin gesucht, die mich in Elsa begleiten sollte. Am Tag vor der Rallye schaute ich bei Henkelmännchen noch einmal nach allen Flüssigkeiten, tankte ihn (fast) voll und fuhr noch einmal eine große Kontrollrunde. Bei dem kleinen Golf war soweit alles in Ordnung. Fast hatte ich die Hoffnung, dass dieses Jahr die Tradition des Kaputtgehens von unseren vierrädrigen Gefährten vergessen wurde – doch als ich mit Elsa das gleiche Programm durchziehen wollte, merkte ich: Sie hatten es nicht vergessen. Neben dem Brummen des Vierzylinders konnte ich nämlich eindeutig ein Plätschern hören. Ein Plätschern, das ich bisher noch nicht gehört hatte. Als ich ausstieg und unter mein Auto schaute, sah und roch ich recht schnell, dass Elsa Regenwolke spielen wollte. Nur anstatt mit Wasser mit Benzin.
Der Feuerlöscher war immer in Griffweite
„War Elsa denn wirklich so undicht? Hätte Sie wirklich abbrennen können?“, fragte mich meine Beifahrerin besorgt, als ich auf das „Feuer frei!“ des Starters meinen blöden Spruch gebracht hatte. Und um ehrlich zu sein – ich glaube schon. Elsa hatte sich nämlich dazu entschieden, dass es ganz passend wäre, aus heiterem Himmel das Benzin aus ihrer Kraftstoffpumpe quasi regnen zu lassen. Einen halben Tag Arbeit, etwas Blut und viel Schweiß kostete es mich, meiner alten Volvo-Dame die Inkontinenz wieder abzugewöhnen. Das hatte ich mangels Ersatzteilen auch nur mit einer nicht ganz so konventionellen Methode hinbekommen. Deshalb kaufte ich mir auch lieber noch einen Feuerlöscher, den ich auf der Rallye immer in Griffweite hatte. Es heißt zwar, dass nichts so lange hält wie ein Provisorium – doch das Risiko war mir einfach zu groß.
Eine brennende Elsa hätte mir die Rallye bestimmt versaut.
Und das wäre mächtig schade gewesen, denn ich freue mich immer schon am Anfang des Jahres auf die Fichtenhain-Rallye. Dabei habe ich nicht einmal wirklich den Ehrgeiz etwas zu gewinnen. Mir geht es eher darum, mit anderen Altautofans durch die Gegend zu fahren und eine schöne Zeit zu haben. Neben einem buntgemischten Teilnehmerfeld und tollen Gesprächen hat die Fichtenhainrallye als Sahnehäubchen auch immer ein tolles Abendessen zu bieten. Und genau diese Beweggründe erzählte ich auch meiner Beifahrerin, die nach der Fahrerbesprechung auf dem Verkehrsübungsplatz in Heide wohl etwas überwältigt war. Wenn man das erste Mal an so einer Veteranenfahrt mit Wertungsprüfungen teilnimmt, kann es einen schon etwas überwältigen. Gerade der Beifahrer hat nämlich nicht gerade wenig zu tun. Als wir im Auto auf den Vorstart warteten, zeigte ich ihr unser Bordbuch, unsere Bordkarte und versuchte ihr alles etwas einfacher zu erklären.
Das Wichtigste bei dieser Rallye (jede Rallye kann da unterschiedlich sein) ist wohl das Bordbuch. Im Bordbuch sind nämlich Kartenauszüge ausgedruckt, die einen über die richtige Strecke irgendwann wieder ans Ziel führen. Dabei sollte man schon relativ genau drauf achten, denn natürlich fährt man fast keine Hauptstraßen und ab und zu ist auch einmal ein kleiner Schlenker eingebaut. Für Motorradfahrer, die während der Fahrt eher schwer eine Karte halten können, waren am Straßenrand Zeichen angebracht. Im Bordbuch sind aber auch die verschiedenen Wertungsprüfungen aufgelistet. Sechs Stück hatte die Fichtenhain-Rallye dieses Jahr für uns zu bieten, dazu noch eine „geheime“ Wertungsprüfung, die auch für mich Neuland war. Wobei das nichts zu sagen hat. Ich habe das Gedächtnis eines Goldfisches. Was eine Wertungsprüfung ist? Ganz einfach: Man muss eine vorgegebene Strecke in einer vorgegebenen Zeit fahren. Möglichst auf die Millisekunde genau. Hört sich doch schwer an? Es ist auch nicht ganz so leicht…
Und die Konkurrenz war groß.
Als wir am Heider Marktplatz vor einem relativ großen Publikum vorgestellt und auf die Reise geschickt wurden, hatte sich das Teilnehmerfeld aber schon relativ weitläufig verteilt. Mit Startnummer 31 waren wir auch ziemlich genau in der Mitte des Starterfelds angesiedelt. Meine Eltern hatten die Num mer 30 bekommen und waren schon nicht mehr zu sehen. Anstatt euch aber nun zu schreiben, wie wir uns mit Elsa durch den Heider Stadtverkehr quälten, möchte ich euch lieber ein paar bekannte Gesichter im Starterfeld vorstellen. Lesern mit gutem Gedächtnis sollte der gelbe 1303 oben schon aufgefallen sein: Karsten, der uns auch schon auf der SuperVerbleit begleitet hatte, war auch dieses Mal am Start. Zusammen mit seinem Beifahrer Torsten, der seinen Kadett dieses Mal stehen ließ. Das erste Mal war Olaf vom OST-Blog bei der Rallye dabei. Sein marinogelber Passat sollte so langsam wohl schon jede Rallye im Norden mitgemacht und auch fast gewonnen haben.
Dass wir nicht gewinnen wollten, erzählte ich meiner Beifahrerin auch noch einmal, als wir an der ersten Wertungsprüfung warteten. Um die Rallye nicht zu schnell vorbeigehen zu lassen, hatten die Veranstalter zwischen den einzelnen Prüfungen Zeiten vorgegeben, die man nicht unterschreiten durfte. So sollte verhindert werden, dass die ersten Teilnehmer schon auf das Abendbrot warten, während andere noch ihre Mittagspause machen. Und ich glaube, das klappte auch ganz gut. Zumindest trafen wir hier auch meine Eltern wieder, die auch zu flott unterwegs waren.
Learning by driving.
Ich glaube, mit Wertungsprüfungen ist es so wie mit vielen anderen Dingen: Man muss sie erst einmal gemacht haben, um sie zu verstehen. Und so starteten wir auch relativ entspannt in die erste Wertungsprüfung. Die sollte 3,7 Kilometer lang sein und dafür sollten wir möglichst 391,76 Sekunden brauchen. Das sind 6 Minuten, 31 Sekunden und 76 Millisekunden. So viel Mathe. Die Strecke ging natürlich nicht nur geradeaus, sondern schlängelte sich über Feldwege. Beim Fahren gibt es dann zwei Taktiken. Zum einen kann man langsam beginnen und am Ende hetzen, weil die Zeit kaum noch reicht, zum anderen kann man erst flott durch die Gegend fahren und am Ende mit weniger als Schrittgeschwindigkeit durch die Lichtschranke rollen, weil die Zeit doch üppiger war, als gedacht. Wir entschieden uns für die erste Variante. Als wir bei zehn Sekunden Restzeit merkten, dass wir noch gut fünfhundert Meter nach hatten, durfte Elsa das erste Mal seit langem über Feldwege fliegen. Zwanzig Sekunden waren wir zu spät.
Das hört sich jetzt vielleicht gar nicht einmal so schlecht an, bringt einem aber trotzdem die Höchststrafpunktzahl von „9,99“ ein. Ich glaube, das steht dafür, dass man mindestens 9 Sekunden und 99 Millisekunden zu schnell oder zu langsam war – aber Profis können mich hier ruhig berichtigen. Und war es aber ganz egal: Wir freuten uns schon auf das Abendessen und auf die schöne Strecke durch Dithmarschen. Zur nächsten Wertungsprüfung hatten wir fast eine Stunde Zeit und ließen es ganz ruhig angehen. Wobei – ich konnte es ruhig angehen lassen. Meine Beifahrerin hatte ein wenig zu tun. Sie musste mich nämlich nicht nur navigieren, am Straßenrand hatten die Veranstalter auch Schilder mit Buchstaben und Zahlen aufgestellt, die sie in der richtigen Reihenfolge aufschreiben musste. So konnten sie sehen, dass wir auch wirklich jeden Schlenker mitgenommen haben.
Der Benzingeruch half wohl beim Konzentrieren.
Kurz vor der zweiten Wertungsprüfung – wir hatten sowieso noch ganz viel Zeit – nutzte ich eine kleine Pinkelpause dazu, um einmal zu sehen, ob mein Provisorium noch hielt. Elsa begann nämlich nach Benzin zu riechen. An der Benzinpumpe konnte es aber nicht liegen, die war zu meinem Erstaunen noch recht dicht. Ich entschied mich aber dazu, nicht am Straßenrand nach einem eventuellem Leck zu suchen und ließ nun einfach während der Fahrt das Dreiecksfenster offen. Nach dem Entleeren der Blase und einer kurzen Nachfrage bei meinen Eltern, ob Henkelmännchen noch brav wäre (er war noch brav), ging es dann zur Wertungsprüfung zwei. Und hier wurde ich ziemlich überrascht.
Ich habe bestimmt die ersten acht Rallyes gebraucht, um zu verstehen, wie das mit den Wertungsprüfungen läuft. Meine Beifahrerin sieht aber nicht nur besser aus als ich, sie hat auch mehr auf dem Kasten. Laut Stoppuhr rollten wir (wir hatten uns für die zweite Taktik entschieden) auf die Sekunde genau durch die Lichtschranke. Ihr Ehrgeiz war geweckt. Und bevor ihr nun die Geschichte schließt, weil ihr denkt, ich erzähle euch jetzt von jedem kleinen Detail der Rallye, dann kann ich euch beruhigen. Nur so viel: Auch die letzten vier Prüfung liefen viel besser, als ich es jemals erwartet hätte. Wir waren immer relativ dicht an der vorgegebenen Zeit. Total ungewohnt für mich. Ich war ansonsten schon immer froh, am gleichen Tag durch die Lichtschranke zu fahren.
Und abends wurde gegrillt.
Auch wenn mich einige nun vielleicht als „Mörder“ ansehen – ich esse unheimlich gerne Fleisch. Deshalb habe ich mich auch besonders über das Grillbuffet am Abend gefreut. Neben Köstlichkeiten vom Grill gab es nämlich auch noch ausreichend Salate, Brot und andere Leckereien. Für jeden war etwas dabei. Im Zelt auf dem Verkehrsübungsplatz ließen wir den Tag noch einmal Revue passieren. Wir erzählten anderen von der kleinen Katze, die sich uns mitten in den Weg setzte und erst nachdem ich ausgestiegen war, dann auch Platz machte. Und vom Motorradfahrer, der sich beim Wenden vor uns mit seiner Maschine langlegte. Zum Glück war weder ihm, noch der Maschine etwas passiert, sonst hätten wir wohl nicht so guten Appetit gehabt. Den hatten wir uns auch wirklich verdient, denn meine Beifahrerin und ich waren uns einig: Das war wirklich anstrengend. Nur Elsa wirkte irgendwie nicht müde. Ihr tat die lange Strecke wohl einmal ganz gut.
Eigentlich wollten wir schon vor der Siegerehrung abhauen, so wie es Karsten und Torsten mit dem gelben Käfer gemacht haben. Die kamen mächtig spät am Ziel an. Sie behaupten ja immer noch, ich hätte ihnen einen falschen Weg erzählt, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass sie (vertieft in Gesprächen und Gummibärchen) die Karte einfach falschherum gehalten haben und einen Schuldigen suchten. Da ich mich aber noch ein wenig mit Olaf festgequasselt hatte, entschieden wir uns dann doch noch für die Siegerehrung zu bleiben. Zumindest Olaf war wohl insgesamt auf dem 3. Platz gelandet und hatte in seiner Klasse den zweiten erwischt. Und so kam es auch – und Olaf hat wieder ein bisschen weniger Platz zu Hause auf dem Regal. Umso erstaunter waren wir, als unsere Namen aufgerufen wurden. In unserer Klasse hatten wir den ersten Platz erfahren. DAS kam wirklich überraschend. Ich hatte noch nie eine Trophäe.
Nächstes Jahr sind wir wieder dabei.
„Nun müsst ihr ja euren Titel verteidigen“, grinste mich Olaf an, der übrigens auch einen tollen Blogeintrag über die Rallye geschrieben hat. Und das werden wir auch tun. Nicht, weil wieder etwas gewinnen wollen, wir freuen uns einfach wieder auf einen tollen Tag unter tollen Leuten. Ich möchte mich ganz herzlich bei meiner Beifahrerin und bei dem Veranstalter-Team des DDAC-Heide bedanken, die sich jedes Jahr mächtig viel Mühe geben. Ganz besonders stolz bin ich natürlich auf Elsa, die so gut durchhielt. Und weil sie uns so gut von A nach B gebracht hat, durfte sie am Sonntag ihr „Rallyeoutfit“ auf noch auf dem Oldtimertreffen in Meldorf zeigen. Ich meine, verdient hat sie es ja, oder?
Ich hätte nie gedacht, dass in der alten Dame eine kleine „Sportlerin“ steckt.
Schöne Grüße an Leser David, den ich am Sonntag in Meldorf das erste Mal persönlich kennenlernen durfte. Hat mich gefreut, einmal das Gesicht hinter den Kommentaren kennenzulernen!
Hat mich ebenfalls gefreut 🙂
Mit volvo- und jetzt auch solexschraubenden Grüßen von der anderen Seite der Eider,
David
Ich bin ja schon sehr auf Fotos von der Solex gespannt 😉
Schöne Grüße
Lars
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