Nach fest kommt „AAAH!“

Im Alter kann das Gesäß der Schwerkraft schon einmal etwas nachgeben. Auch bei Elsa. Lasst mich euch erzählen, wie ich Elsas Hintern straffer bekam – und dabei Blut vergoss.

Man muss sich schon an seine Vorsätze halten.

Es soll ja Leute geben, die sich Jahr für Jahr vornehmen endlich mit dem Rauchen aufhören zu wollen. Feierlich drücken sie kurz vor 0 Uhr am Silvesterabend ihre letzte Zigarette aus, stoßen um Punkt 0 Uhr auf ihr ab jetzt rauchfreies Leben an, nur um drei Stunden später wie der Butler James aus „Dinner for One“ beim Versuch sich sturzbetrunken eine Zigarette anzuzünden durch die Gegend zu stolpern. Und dann gibt es noch die Leute, die sich zum ersten Januar im Fitnessstudio anmelden, um im Frühjahr endlich einmal eine vorzeigbare Figur zu haben. Spätestens nach vier Wochen, wenn der Muskelkater schon fast chronisch wird, merken sie aber meist, dass der Fast-Food-Imbiss doch viel näher dran ist – und verschieben ihren guten Vorsatz aufs nächste Jahr.

Aber gut, es ist auch nicht ganz leicht, den inneren Schweinehund zu bändigen. Sogar ich, dem schon einmal gesagt wurde, dass er wie ein solches Tier aussähe, hat damit manchmal so seine Probleme. Doch bei einem Vorsatz war ich stärker als das Tier in mir. Dass ich dank Spritmangel fast mit Henkelmännchen stehen geblieben bin, hängt mir immer noch sehr im Hinterkopf. Und da ich Ostersonntag und Ostermontag nicht viel zu tun hatte, nahm ich mir vor, mit der Umsetzung meines Plans anzufangen. Die To-Do-Listen meiner Autos sollten endlich kürzer werden. Als erstes Auto hatte ich mir Elsa ausgeguckt. Nicht nur, weil Gründonnerstag die Ersatzteile (im Wert von dreihundert Euro… schluck…) geliefert wurden – ich wollte sie auch für die kommende Saison und die erste Rallye Anfang Mai vorbereiten.

„Das ist ja schnell gemacht.“

Diese Hoffnung schlummert wohl tief in jedem Schrauber. Selbst, wenn er weiß, dass Autos oft wirkliche Zicken sind und sich meist nichts „mal eben so“ erledigen lässt. Zumindest nicht ohne zwischendurch für drei Kernschmelzen, sieben Operationen und zwölftausend Nervenzusammenbrüche zu sorgen. Trotzdem hatte ich noch Hoffnungen, dass alles reibungslos und flott klappen würde, als ich am Morgen des Ostersonntags rausging, um Elsa schon einmal warm zu fahren. Schließlich standen erst einmal nur Kleinigkeiten auf dem Zettel. Beim Abschmieren der Vorderachse und der Kardanwelle konnte ja eigentlich nicht so viel schiefgehen. Ich könnte höchstens (wie bei mir so üblich) etwas kleckern, wenn ich Elsas Öl-Kanäle mit frischem Motoröl verwöhne. Auch bei der einzig größeren Aufgabe (dem Tausch der hinteren Federn) sollte nicht viel schiefgehen, schließlich hatte ich gerade einen neuen Federspanner gekauft. Und die Hinterachse beim Buckelvolvo ist so einfach aufgebaut, dass dagegen sogar eine Sackkarre wie hochwertige Ingenieurskunst aussieht.

Doch es kam alles anders. Und blutig.

Bevor ich euch aber sage, wie ich mich dieses Mal verletzt habe (im Gegensatz zum letzten Mal war ausnahmsweise nicht meine eigene Dummheit schuld), muss ich erst noch etwas loswerden: Ich brauche eine Hebebühne. Dieses Herumkriechen auf dem Boden geht mir langsam wirklich auf den Geist. Wahrscheinlich weiß das aber inzwischen auch die ganze Nachbarschaft, ich habe es schließlich nicht nur einmal laut herausgerufen, als ich über die Pflastersteine robbend alle Schmiernippel mit der Fettpresse besuchte und das Motoröl wechselte. Apropos Motoröl: Da gab es auch noch einen kleinen Schockmoment. Elsa hatte im Ölfiltergehäuse nämlich so komischen Ölschlamm. Es kann gut sein, dass der durch die längeren Strecken, die ich mit der Dame fuhr, aus den Ölkanälen gewaschen worden ist. Oder auch nicht. Aber das erzähle ich euch ein anderes Mal. Fließendes Blut ist schließlich auch viel interessanter.

Ich freue mich ja meist schon auf die Probefahrt nach der Reparatur, bevor ich damit überhaupt angefangen habe. Besonders freute ich mich aber dieses Mal, denn mit den alten, müden Hinterachsfedern fuhr Elsa gar nicht mehr so schön. Gerade bei vollbesetztem Auto hing der Hintern der alten Dame schon mächtig tief runter. Dieses „Sportbootfahrwerk“ sah nicht nur doof aus – es sorgte sogar einmal dafür, dass Elsa auf einer Fahrt über einen Feldweg aufsetzte und sich dabei eine Auspuffverbindung auseinanderriss. Außerdem gab sie jede noch so kleine Unebenheit direkt an die Insassen weiter – besonders lustig war das immer bei Kopfsteinpflasterstraßen. Besonders doof fand Elsa allerdings Kurven. Vor drei Jahren lag sie noch wesentlich besser auf die Straße. Zum Schluss wurde man fast seekrank. Und das ist doof – besonders, wenn man kurz vorher ein Krabbenbrötchen hatte.

Elsas Popo sollte wieder schön knackig und straff werden.

Die neuen Federn lagen schon ausgepackt bereit, als ich Elsa aufbockte und sie um ihre Hinterräder beraubte. Das lief noch alles ohne Probleme und ohne Blut ab. Ich hatte mir nämlich sogar Handschuhe anzogen. Nicht etwa, um keine dreckigen Hände zu bekommen – im Gegenteil. Ich wollte mit meinen dreckigen Händen nicht die Weißwandreifen von Elsa schmutzig machen. Wenn ihr nun an meiner geistigen Gesundheit zweifelt – ich kann es euch nicht übelnehmen. Auch mein Schrauberhuhn Hennriette schaute ganz verwirrt.

An sich ist so ein Federwechsel an der Hinterachse eines Buckelvolvos recht leicht zu bewerkstelligen. Am oberen Ende wird die Feder durch einen Federteller fixiert, der in die letzte Windung geschoben wird. Den schraubt man einfach an der Karosserie fest – und schon kann sich die Feder oben nicht mehr bewegen. Genauso ist es am unteren Ende. Auch hier kommt ein Federteller zum Einsatz, der wird allerdings nicht an der Karosserie, sondern an der Achse festgeschraubt. So ist die Feder fixiert und kann nicht abhauen. Natürlich sollte man nicht einfach die beiden Schrauben lösen, denn selbst im ausgefedertem Zustand steht die Feder noch auf Spannung. Und wenn man die Schrauben löst, kann es schnell passieren, dass einem die Feder um die Ohren fliegt. Und das kann – ohne Witz – sogar tödlich enden.

Aber für solche Situationen gibt es ja einen Federspanner.

Für alle, die es nicht so mit Technik haben: Ein Federspanner ist niemand, der unsittlich auf Federn starrt. Ein Federspanner drückt eine Feder einfach so sehr zusammen, bis man sie ausbauen kann. Und dabei muss er ganz schön was aushalten, denn auf so einer Feder ist mächtig Kraft. Auch wenn Elsas Federn schon etwas müde waren, war ich trotzdem froh, einen neuen Federspanner gekauft zu haben. Papa hatte mir zwar angeboten, ich könne seinen alten, vor über vierzig Jahren selbstgebauten Federspanner nehmen, mit dem er schon bei seinem VW Käfer die Federn wechselte, aber mein Vertrauen in das neue Markenprodukt war doch etwas größer. Und so baute ich motiviert den Federspanner ein, zog ihn etwas an, prüfte dann nochmal, ob er auch wirklich richtig saß und begann die Feder zusammenzudrücken.

Und dann gab es einen lauten Knall.

Ich schaute auf meinen linken Daumen. Langsam tropfte das Blut auf das Pflaster – und ich wusste gar nicht genau, wieso es das tat. Das Werkzeug, das ich eben noch in den Händen hielt, lag weit verstreut in der näheren Umgebung. Verwirrt wickelte ich erst einmal ein Papiertuch um meinen Daumen, der irgendwie ganz stark pochte. Ich schaute noch einmal in den Kotflügel und bekam einen großen Schreck. Irgendwie hing die Feder ganz schief und war nur noch auf der einen Seite zusammengedrückt. „Das gehört doch nicht so?!“, dachte ich mir und schaute noch einmal genauer hin. Tatsache. Die zweite Hälfte des Federspanners war irgendwie weg. Also… die fehlte! In Luft auflösen kann sich Werkzeug eigentlich nur, wenn man es gerade nur einmal kurz zur Seite legt, aber ich hatte es ja benutzt. Dann sah ich eine Kerbe in einem der Pflastersteine unter Elsa… und so langsam wurde es mir klar.

Ich wurde sofort wütend auf mich selbst. Eigentlich stand relativ schnell für mich fest, dass ich den Federspanner nicht richtig befestigt hatte und der abgerutscht war. Laut über meine eigene Dummheit schimpfend machte ich mich (mit einem immer stärker pochenden und tropfenden Daumen) auf die Suche nach meinem Werkzeug – das ich dann auch recht schnell fand. Zumindest einen Teil davon. Die Gewindestange mit der oberen Halbschale, die um die Windung der Feder gelegt wird, lag noch unter Elsa. Und als ich mir die genauer anschaute, wusste ich gleich, dass ich dieses Mal keine Schuld hatte. Die Gewindestange hatte der Last der alten, müden Federn von Elsa, die man schon fast mit der Hand zusammendrücken konnte, nicht standgehalten und war durchgebrochen. Einfach so.

I was not amused.

Noch mit tropfendem Daumen rief ich bei der Hotline des bekannten Werkzeugherstellers an. Normalerweise motze ich nicht gleich los, aber da es mich mit einer neuen Feder den Daumen (oder noch mehr) hätte kosten können, war ich wirklich so geladen, wie schon lange nicht mehr. Zum Glück war es aber Ostersonntag und es nahm keiner ab. Im Nachhinein bin ich auch recht froh darüber, denn die Hotline-Betreuer können ja auch nichts dafür, dass ein Haarriss in der Gewindestange übersehen wurde. Falls ihr euch wundert, warum ich weder Hersteller erwähne, noch ein Bild des Federspanners zeige: Ich möchte erst die finale Reaktion des Herstellers abwarten. Das Werkzeug ist momentan wieder auf dem Weg zurück, der Hersteller will es untersuchen lassen und sich dann melden. Und ich hoffe für ihn, dass er das auch tut. Und für alle anderen hoffe ich, dass ich das einzige Mängelexemplar im Umlauf erwischt habe.

Mit meinem Vertrauen zu Federspannern in einem „All-Time-Low“ wollte ich den vor vierzig Jahren selbst gebauten Federspanner meines Vaters dann nur noch mit seiner Hilfe ausprobieren. Auch, wenn ich seinem handwerklichen Geschick als Schlosser und Schweißfachmann vertraue – so ganz geheuer war mir das alles nicht mehr. Vor allem hatte Papas Federspanner keine „Halbschalen“, die sich an die Federwindungen anschmiegen. Auch, wenn meine Angst vielleicht nicht ganz unbegründet war – alles lief gut. Die schiefe Feder hatten wir schnell vorsichtig aus ihrer misslichen Lage befreit – und die neue Feder nahm ihren Platz auch recht schnell ein. Beim Vergleich neue Feder/alte Feder konnte man übrigens ganz gut merken, dass die alten wirklich keine Lust mehr hatten. Die ließen sich sogar von meinen Streichholzarmen ein ganzes Stück weiter zusammendrücken als die neuen. Aber wenn die alten nun schon 62 Jahre Arbeiten mussten, haben sie sich die Rente auch verdient.

Und ich habe wieder etwas gelernt.

Zum einen habe ich gelernt, dass Elsa mit neuen Hinterachsfedern viel besser fährt. Auf einmal liegt sie wieder gut auf der Straße und ich kann auch wieder vollbesetzt überall hinfahren. Vor allem habe ich aber gelernt, dass man mit dem Arbeitsschutz wirklich aufpassen sollte. Ich habe dieses Mal wirklich Glück gehabt und bin nicht im Krankenhaus gelandet. Bis auf einem Kratzer am Daumennagel und einen Ratsch in der Haut ist nicht viel passiert. Zuerst war er auch noch etwas blau – aber das ist dank Kühlen schnell weggegangen. Ab jetzt werde ich mir jedes Werkzeug (egal, wie toll der Hersteller ist) drei Mal anschauen, bevor ich es benutze. Zumindest, wenn ich bei der Benutzung meine Gesundheit in Gefahr bringe. Denn noch so eine Aktion kann ich wirklich nicht gebrauchen.

So langsam muss mein Schrauber-Schutzengel nämlich wohl an einem Burnout leiden.


Vielen Dank an Nils vom ZwiMo-Blog für die Überschrift! 😉

Über Watt'n Schrauber

Autoverrückt, restauriert einen Buckelvolvo mit wenig Budget, mag Fotografieren, Tanzen und ist manchmal wohl ein wenig durcheinander. Und mag Norddeutschland.
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3 Antworten zu Nach fest kommt „AAAH!“

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  2. Maik Mugato sagt:

    Meine Güte, du hast aber auch die Kacke am Schuh, hömma!

    Ich werde für dich zu den Göttern der Schrauberkunst beten, dass ab jetzt alles glattläuft, ohne Blut und Gewebeverlust!

    Mfg, Maik

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