Zauberwürfel oder Spielekonsole?

Seit vierzig Jahren ist das Golf Cabriolet auf dem Markt – und ist so populär wie eh und je. Ein Generationenvergleich. Für alle, die noch nicht wissen, welche Körbchengröße passt.

Türen? Braucht man nicht.

Es ist das Auto der Zahnarztgattinnen, das Abiturgeschenk für die Tochter aus betuchtem Hause und das verhätschelte Liebhaberstück für Tuner mit Chromfelgenfetisch: Das Golf Cabriolet. Seit nun mehr genau vierzig Jahren ist es auf dem Markt und bot bisher vielen Leuten die Möglichkeit, für relativ geringe Unterhaltskosten viel Fahrspaß zu genießen und sich ordentlich Wind um die Ohren pusten zu lassen. Dabei standen die Sterne zur Geburt des Golf Cabriolets aber nicht so gut. Das Verkehrsaufkommen in den 1970er Jahren stieg rasant an, fast proportional dazu wuchs leider auch die Zahl der Unfalltoten. Politik und Hersteller waren sich recht schnell einig: Die Autos mussten sicherer werden. Der erste Schritt der Hersteller war, einfach einmal alle Cabriolets aus dem Programm zu nehmen. VW begrub sein populäres Käfer Cabriolet, Porsche bot als Ersatz den Targa an, um wenigstens noch eine Option für Frischluftfetischisten im Angebot zu haben. Autos ohne Dach konnten einfach nicht sicher sein.

Für VW war das ziemlich doof, denn als die Diskussion aufkam, entwickelten sie zusammen mit der Firma Karmann in Osnabrück schon an einem Nachfolger für das Käfer Cabriolet: Es sollte eine offene Version des neuen Verkaufshits „VW Golf“ entstehen. Als sie 1976 dann den ersten Prototypen fertig stellten, wussten sie, dass das Auto so nicht auf den Markt gebracht werden konnte: Es war genauso unsicher, wie alle anderen Cabriolets. Es musste sich noch etwas ändern – und es änderte sich auch was. Als das Golf Cabriolet 1979 dann schlussendlich mit einem großen Überrollbügel auf den Markt kam, waren die Reaktion nicht sonderlich positiv. Eingefleischte Cabriofahrer fühlten sich durch den Bügel in ihrer Freiheit beschränkt und nannten das auf Pressefotos rot lackierte Cabrio spottend „Erdbeerkörbchen.“ Doch als Udo Brinkmann (gespielt von Sascha Hehn) in der Schwarzwaldklinik dann zeigte, dass man durch den „Griff zum Wegwerfen“ wunderbar ins das Cabriolet einsteigen konnte, ohne die Türen zu öffnen, wurde das Golf Cabriolet doch noch zu einem Bestseller.

Ganz ohne Tennissocken.

Nur zu eurer Beruhigung: Die beiden Typen, die da oben neben ihren Cabrios stehen, tragen keine weißen Tennissocken, springen auch nicht durch das offene Verdeck hinter das Lenkrad und heißen vor allem auch gar nicht Sascha Hehn. Der Mann da links, der grinsend vor seinem silbernen Golf Cabriolet steht, ist mein Kumpel Jürgen. Und mit dem kauzigen Typen da rechts verbringe ich immer ganz viel Freizeit: Da lehne ich mich nämlich selbst gegen mein silbernes Golf Cabriolet. Aber heute soll es gar nicht um Jürgen oder um mich gehen – die beiden Autos im Hintergrund sind viel wichtiger. Ich möchte heute nämlich einmal etwas Neues ausprobieren und einen kleinen Vergleichstest schreiben. Die beiden Testautos seht ihr übrigens oben: Jürgens 1998er Golf 4 Cabriolet tritt gegen mein 1980er Golf 1 Cabriolet an.

Auch, wenn ich bisher nur sehr tolerante Golf 1-Cabriolet-Fahrer kennenlernen durfte – spätestens jetzt wird irgendwo ein eingefleischter Golf 1-Cabriolet-Fahrer einen Schreikampf bekommen und anfangen, wütend Kommentare wie „Die kannst du doch nicht vergleichen! Der Golf 1 ist Kult, aber ein Golf 4 – das ist seelenloser Müll!“ zu tippen. Und falls ich dich jetzt gerade dabei erwischt habe, würde ich dich bitten, mir kurz zuzuhören. Ein bisschen hast du ja recht – während das Cabriolet auf Basis des ersten Golfs schon lange Kultstatus genießt, befindet sich das Golf 3-, bzw. das Golf 4 Cabriolet noch „im Tal der Tränen“. Die Autos werden noch ziemlich oft verschlissen, verheizt und verschrottet. Das ist aber auch kein Wunder, denn selbst für unter 1500€ bekommt man schon relativ gute, unverbastelte Exemplare – und diese Zeit ist beim Golf 1 Cabriolet schon lange vorbei. Ist das Golf 4 Cabriolet also vielleicht eine Alternative zum Golf 1? Gibt es überhaupt große Unterschiede?

Oder ist und bleibt ein Golf… ein Golf?

Obwohl uns ja immer gesagt wird, es käme auf die inneren Werte an, wollen wir trotzdem einmal mit dem äußeren Erscheinungsbild anfangen. Zwischen Jürgen und meinem Cabriolet liegen fast 20 Jahre. Während in den letzten zwanzig Jahren viele Innovationen wie Smartphones, Blogs und autonomes Fahren entwickelt wurden, sah es zwischen 1979 und 1998 in Wolfsburg ein wenig anders aus – und so viel hat sich bis heute auch noch nicht geändert: Ein Golf ist einfach immer als Golf erkennbar – das ist bei den Hauptkonkurrenten Escort/Focus und Kadett/Astra nicht so gewesen. Deshalb ist es auch eigentlich gar nicht verwunderlich, dass man zwischen den beiden Autos am Design noch deutliche Parallelen ziehen kann. Okay, der Golf 4 ist ein wenig femininer, ein wenig aerodynamischer und größer als der kantige Golf 1 – aber seine Herkunft kann das Auto wirklich nicht verleugnen. Mir persönlich fällt es besonders bei der Seitenlinie der Karosserie und den Stoßstangen auf. Ein Golf ist also tatsächlich ein Golf.

Evolution statt Revolution

VW setzte beim Golf anscheinend schon immer auf dieses Motto. Okay, dieser Satz wird jetzt bei einigen Golf-Hassern für ein spöttisches Lachen und irgendeinen hirnlosen Kommentar a la „Die Karren waren schon immer genauso doof wie ihre Fahrer“ sorgen, doch ich glaube, dass da wirklich etwas dran ist. Also an der Evolution, nicht an den doofen Fahrern. Wobei… Egal. Ich wollte ja nicht über mich reden. Die Sicht nach hinten war in einem Golf Cabriolet nie sonderlich gut – egal ob offen, oder geschlossen. Besonders bei den ganz frühen Golf Cabriolets (wie Henkelmännchen) ist die Sicht nach hinten bei offenem Verdeck eigentlich nicht vorhanden. Gut, VW besserte da bereits nach einem Modelljahr nach und konstruierte ein neues, flacher faltendes Verdeckgestänge, aber der Punkt geht eindeutig an Jürgens Cabriolet. Der ist wirklich übersichtlicher. Und wo wir schon beim Heck sind – eine weitere Schwachstelle wurde hier ausgebessert: Die Kofferraumöffnung. Die ist beim 1er Cabriolet so klein, dass sie spöttisch „Backofen“ genannt wurde. Beim Golf 3-, bzw. beim Golf 4-Cabriolet kann man den Kofferraum wesentlich besser beladen. Und nicht nur das: Der Kofferraum des zweiten Golf Cabriolets kann auch mehr Platz für das Wochenendgepäck bieten.

Tür auf: Einsteigen bitte.

Aber bevor wir hier als oberflächlich abgestempelt werden, wollen wir doch einmal kurz einen Blick auf die inneren Werte werfen. Denn nur wer nach innen schaut, kann wahren Charakter erkennen… Okay, okay – ich höre ja schon auf. Ich kann diese ganzen Sprüche, die Leute zu Hauf bei Facebook teilen, auch echt nicht mehr lesen. Aber wenn wir uns den Innenraum von Jürgens Cabriolet anschauen, ist sogar etwas Wahres dran. Einem Laien wird es nicht so auffallen, aber der Kenner erkennt es sofort: Im Innenraum von Jürgens Cabriolet ist noch das Armaturenbrett eines Golf III montiert (Zum Vergleich – das dreckige Armaturenbrett eines Golf IV seht ihr rechts). Und das hat auch einen Grund: Jürgens Cabriolet ist eigentlich gar kein Golf IV, sondern ein Golf III, dem ab Werk die Front des Nachfolgers montiert wurde. Nur die Heckklappe, die Front und die Stoßstangen unterscheiden Jürgens Auto von einem Golf III Cabriolet. Auch technisch sind sie identisch. Und jetzt kommt mir nicht mit „Schummel-VW!“: „Facelift“ nennt man das.

Aber wir wollen ja eigentlich über den Innenraum sprechen. Hier sind die zwanzig Jahre Unterschied wohl am deutlichsten sicht- und spürbar. Vor allen in Sachen Verarbeitungsqualität. Henkelmännchen ist schon ein kleiner Klapperkasten. Das Armaturenbrett knirscht hier und knirscht da, unter Sonneneinstrahlung reißt es oft ein und ab und zu fällt auch einfach mal etwas ab. Okay, bei späteren 1er Cabriolets mit neuerem Armaturenbrett ohne „Tittentacho“ (Wer kichert da?) wurde die Verarbeitung deutlich besser, aber der Punkt geht immer noch an das Golf 3/Golf 4-Cabriolet. Der Punkt „Platzangebot“ geht aber (mit Ausnahme des Kofferraums) an den Ur-Golf. Das ist aber auch eigentlich kein Wunder, denn beim Golf 1 musste noch nicht so auf Sicherheit geachtet und auch nicht so viele Kabel verstaut werden, wie beim letzten Golf Cabriolet mit Henkel. Folglich ist auch mehr Platz für die Passagiere. Den Sitzkomfort kann ich übrigens nicht fair bewerten. Die Sitze meines Cabriolets haben über die Jahre schon ordentlich… äh.. Schaumstoff lassen müssen. Aber vielleicht holen wir den Test einmal nach, wenn die Sitze wieder fit sind.

Vier gewinnt.

Lasst uns über Motoren sprechen. Die Motorenpalette des Golf 1 Cabriolets reichte von einem 1,5 Liter Vierzylinder mit 70 PS bis zu einem 1,8 Liter Vierzylinder mit 112 PS. Die Motorenpalette des Golf 3, bzw. des Golf 4 Cabriolets reichten von einem 1,6 Liter Vierzylinder bis zu einem 2 Liter-Vierzylinder, die PS-Spanne reichte von 75 bis 115 PS. Achja – für Leute, die die Mona-Lisa nur mit Schnurrbart leiden mögen und ein Cabriolet mit Dieselmotor haben wollten, gab es auch noch zwei Diesel zur Auswahl: Beides waren 1,9 Liter TDI mit 90 oder 110 PS. Die Motoren des Golf 1- und des Golf 3/4-Cabriolets (mit Ausnahme der Diesel) haben übrigens alle etwas gemeinsam: Alle Motoren sind Varianten des bei VW interngenannten „EA 827“-Motors. Soll heißen: Vom Prinzip her sind alle gleich aufgebaut. Und das ist auch gar nicht so verkehrt, denn von vielen Leuten werden diese Motoren als „die Volvo-Motoren von VW“ bezeichnet. Und bei einem Mindestmaß an Pflege sind die tatsächlich recht zuverlässig.

Interessant ist hier vielleicht wieder der Vergleich zwischen Jürgens Cabriolet und Henkelmännchen. Während Henkelmännchen seine Kraft aus dem kleinsten je in einem Golf Cabriolet verbauten Motor mit 1,5 Litern und eben 70 PS bezieht, wird Jürgens Cabriolet von der größten EA827-Variante angetrieben: Unter der Haube werkeln 115 Pferde, die ihre Kraft aus 2 Litern Hubraum sammeln können. Rein von den Motordaten her sollte Jürgen mich mit seinem Cabrio also im Staub stehen lassen – tut er aber nicht. Henkelmännchen ist ein Auto, das noch nach ganz alter Manier seinen Sprit durch einen Vergaser trinkt, seine Abgase ohne störenden Katalysator herauspupsen kann. Mit dieser Kombination in Verbindung mit einem kurzen Viergganggetriebe, weniger Rollwiderstand und dem geringen Leergewicht konnte ich Jürgen tatsächlich wegfahren. Das wollte ich nur noch einmal betonen, falls mich nochmal irgendjemand Sonntagsfahrer nennt.

Kurvenräuber oder Cruiser-Cabrio?

Versteht mich jetzt bitte nicht falsch – Jürgens Cabriolet ist auf keinen Fall langsam, Henkelmännchen ist aber eindeutig agiler. Während mein Cabriolet ein kleiner Kurvenräuber ist, ist das Golf IV Cabriolet eher ein flottes Langstreckencabriolet. Eigentlich ist das lustig, denn die Achskonstruktion der beiden Autos ist recht ähnlich. Vorne haben beide McPherson-Federbeine, hinten haben beide eine Verbundlenker-Hinterachse und trotzdem ist es ein Unterschied wie… naja, nicht wie Tag und Nacht, aber er ist schon deutlich spürbar. Während der Golf IV (auch mit den montierten 16 Zöllern) mehr auf Komfort getrimmt wurde, ist Henkelmännchen selbst mit dem Serienfahrwerk ein eher rauer Geselle, den man deutlich agiler bewegen kann. Wäre er ein Hund, hätte er eine Frisbee im Maul und würde hektisch mit dem Schwanz wedeln und mit großen Augen: „Los! Los! Ich will weiter!“ sagen. Ein kleiner Kurvenräuber, der sich schon auf die nächste freut.

Dazu passt auch super die Getriebeübersetzung. Henkelmännchen dreht (wohl auch dank des fehlenden fünften Gangs) auf der Autobahn recht hoch und macht – ohne jetzt übertreiben zu wollen – wirklich einen höllischen Lärm, wirkt dabei aber so niedlich wie eben dieser kleine, knurrende Hund. Jürgens Auto bleibt – bis auf ein paar Windgeräusche, die nach 20 Jahren nun einfach mal da sind – selbst beim Erreichen der Höchstgeschwindigkeit von über 180 km/h noch recht angenehm leise. Ansonsten kann man zum Fahrverhalten einfach nur sagen: Typisch Golf. Auch Jürgens etwas softeres Cabrio lässt sich noch wunderbar über Landstraßen hetzen – nicht, dass ihr denkt, das Auto wäre so eine Schiffsschaukel wie mein alter Mercedes. Das Golf IV Cabriolet hat mit dem Serienfahrwerk (wie ich finde) eben einen guten Kompromiss zwischen Komfort und Fahrspaß. Komfortspaß?

Echte Lebensgefährten.

Ich glaube, was ein Golf Cabriolet im Gegensatz zu anderen, oft wesentlich hübscheren Autos attraktiv macht, sind vor allem zwei Dinge: Der günstige Unterhalt und die Zuverlässigkeit. Jürgen kaufte sein Cabriolet vor zehn Jahren und auch Henkelmännchen zog 2009 bei uns ein. Beide Cabriolets waren nicht sonderlich gepflegt – und der Wartungsstau war auch beachtlich. Trotzdem sind beide (mehr oder weniger) seitdem zuverlässig unterwegs. Okay, Henkelmännchen wollte drei Mal dank eines immer wieder kaputtgehenden Lichtmaschinenreglers (Eigentlich ein namhafter Hersteller… den ich nicht mehr kaufen werde) nicht mehr anspringen. Aber ansonsten? Die Autos fahren einfach nur. Und wenn doch einmal etwas kaputtgeht, sind Ersatzteile recht günstig. Außerdem sollte jede gute Werkstatt an einem Golf schrauben können, denn es ist nun halt einmal das häufigste Auto auf den Straßen Deutschlands. Dank der recht simplen Technik sollten sich die Defekte bei guter Pflege aber sowieso im Rahmen halten.

Am Ende eines Vergleichstests folgt ja immer ein Fazit oder eine Empfehlung, aber die mag ich euch eigentlich gar nicht aussprechen. Ansonsten bekomme ich nachher noch die Schuld, wenn ihr euch irgendeine aufgehübschte Leiche kauft. Ich möchte euch viel lieber erzählen, was ich machen würde. Wobei… ist das dann nicht auch eine Empfehlung? Egal. Wenn es um ein Hobbyfahrzeug gehen soll, ist so ein Golf 1 Cabriolet wirklich schön. Sie werden nicht mehr günstiger, sie bringen irre Spaß – sind aber für den Alltag inzwischen fast zu schade. Das ist eher die Stärke des Golf IV Cabriolet, der in der Versicherung sogar oft günstiger ist als die Golf Limousine. Für den Alltag würde ich echt überlegen, einen zu kaufen. Okay – Rost kann auch ein Thema sein, davon abgesehen. Aber der Punkt „Alltagsallrounder mit offenem Fahrspaß“ geht eindeutig an den 4er-Golf. Er ist auch sicherer. Und um nun zum Schluss noch einmal die Frage von oben zu beantworten: Ist das Golf IV Cabriolet eine Alternative zum Golf 1 Cabriolet? Ich finde schon. Er ist wesentlich günstiger, vielseitiger einsetzbar und wirklich alltagstauglich. Und günstiger können sie auch kaum mehr werden.

In diesem Sinne: Lasst euch den Wind um die Ohren wehen!

Über Watt'n Schrauber

Autoverrückt, restauriert einen Buckelvolvo mit wenig Budget, mag Fotografieren, Tanzen und ist manchmal wohl ein wenig durcheinander. Und mag Norddeutschland.
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