Schöne Bescherung!

So richtig Weihnachtsstimmung will bei mir dank der Frühlingsluft nicht aufkommen. Doch neulich wurde mein Traum von weißer Weihnacht wahr – in meinem Kofferraum…

Froh zu sein bedarf es wenig.

Manchmal kann ich es gar nicht so richtig glauben, dass es schon fast siebeneinhalb Jahre her ist. Ich kann mich wirklich noch an jede einzelne Sekunde dieses Tages erinnern: Schon morgens war ich ganz nervös und wusste, dass etwas ganz Besonderes passieren sollte. Als es dann endlich passierte, pochte mein Herz vor Aufregung, dass mir schon fast schlecht war. Und als der Tag langsam zu Ende ging, lag ich glücklich und zufrieden und mit einem großen Grinsen in meinem Bett. Aber wahrscheinlich geht es euch genauso. Mit großer Sicherheit könnt ihr euch auch noch an diesen Tag erinnern, der euer Leben so nachhaltig verändern sollte, wie kaum ein anderer. Zumindest, wenn ihr ein Benzinblütler seid. Von welchem Tag ich spreche? Na, von dem Tag, an dem ihr euer erstes Auto gekauft habt.

Ich glaube, man kann das Gefühl, wenn man das erste Mal seinen eigenen Autoschlüssel in der Hand hält, als einen Mix aus Stolz und Freude, garniert mit einem Hauch von Liebe bezeichnen. Für viele Leute verfliegt das Gefühl irgendwann und sie verkaufen, verschrotten oder verheizen ihr erstes Auto. Ich bin da ein wenig anders. Seit über sieben Jahren halte ich meinem ersten Auto die Treue und empfinde dieses Gefühl immer noch. Es ist ganz egal, ob ich das Auto fahre oder nur den Zündschlüssel an meinem Schlüsselbrett hängen sehe – ich freue mich, wie am ersten Tag. Bei einem Großteil der Leute (selbst mit Benzin im Blut) stößt das auf Unverständnis. Mein erstes Auto ist nämlich kein toller GTI oder ein flotter Sportwagen gewesen. Mein erstes Auto war (und ist) ein schwarzer Volvo V40. Ein Auto, das nicht einmal Volvofans mögen. Ein Auto, das tausendfach mit vollgesabberten Heckscheiben als Hundetaxi runtergeritten wird.

Er musste schon viel mitmachen.

Auch wenn er eigentlich nur ein normaler Verbrauchtwagen ist, kann ich es nicht übers Herz bringen, ihn zu verkaufen. Es hängen einfach zu viele Erinnerungen und Geschichten an dem Wagen. Wer mich kennt, der weiß, dass ich Fahrzeuge mit einer besonderen Geschichte mag. Hein ging schon durch sieben Hände und war unter anderem auch mal der Dienstwagen eines japanischen Konsuls. Harald war nicht nur ein treuer Familientransporter, sondern war in seinem ersten Leben ein Fahrschulauto. Die Zündapp wurde 30 Jahre vom Erstbesitzer bewegt und an die Geschichte der Hercules könnt ihr euch bestimmt noch erinnern. Elchi ist da anders. Viel weiß ich gar nicht von seinem Vorbesitzer (vielleicht sollte ich da mal etwas nachforschen) – hier geht es mir um die Geschichten, die ich mit dem Auto erlebt habe. Und das sind viele, oft auch ziemlich ungewöhnliche Geschichten. Einer dieser ungewöhnlichen Geschichten möchte ich euch heute erzählen.

Es war ein ganz normaler Mittwoch. Die meiste Zeit des Tages hatte ich im Vorlesungssaal verbracht. Ab und zu, wenn der Unterrichtsstoff kurz etwas langweilig wurde, träumte ich mit diesem Gefühl von dem Auto, das unten in der Tiefgarage auf mich wartete. Ausnahmsweise war ich nämlich nicht mit meinem Golf Kombi unterwegs, sondern mit meinem Volvo. „Der ist echt noch wie neu!“, hatte mich der Volvo-Meister einen Tag vorher gelobt, als ich mein Auto vom jährlichen Service abholte. Und genau das dachte ich auch, als ich nach einige Stunden Vorlesung zurück in die Tiefgarage ging und mein glänzendes Auto dort stehen sah. Ich hatte etwas Zeit zwischen den Vorlesungen und wollte noch ein paar Sachen einkaufen. Zumindest redete ich mir das als Grund ein, um eine Runde mit meinem Volvo durch Hamburg fahren zu können. Ich packte meinen Rucksack auf den Beifahrersitz, startete den Motor und machte mich auf den Weg.

Auf Schnäppchenjagd

Erst als ein Laden für Werkstattzubehör meinen Weg kreuzte, hielt ich an. Es war Anfang Dezember und ich hatte noch ein wenig Geld auf dem Konto, das sich dort garantiert nicht wohlfühlen konnte. Irgendwie mochte ich solche Läden schon immer. Überall hängt frisches Werkzeug, das bereit dafür ist, Dinge zu reparieren oder auch kaputtzumachen. Dieser Laden in Hamburg-Allermöhe war besonders gut sortiert, hatte aber nichts im Angebot, was ich wirklich brauchte. Erst als ich in die „Schnäppchen-Ecke“ kam, wurde ich ein wenig neugieriger. In dieser Ecke hing kaum verkauftes Werkzeug neben günstigen Sonderangeboten, gegen die kein Schrauber standhaft bleiben konnte. Auch ich nicht. Um 25 Euro leichter, aber um einige Gestände reicher, fuhr ich wieder zufrieden in Richtung Tiefgarage. In diesem Jahr hatte ich Elchi, wie ich meinen V40 nenne, gar nicht so viel bewegt. Das passiert wohl von alleine, wenn man mehr als ein Auto sein Eigen nennt.

Ich dachte noch über schöne Reiseziele nach, als ich im Schritttempo durch die Baustelle rollte, die den Weg zwischen der Straße und der Tiefgarageneinfahrt ein wenig behinderte. Vielleicht sollte ich mit Elchi einmal nach Skagen? Das war ich noch nie. Oder nach Born, zu seiner „Geburtsstätte“? Vielleicht wäre auch das Volvo-Museum mal eine Reise wert. Und nach Schottland wollte ich auch schon lange mal. Erst die störrische Schranke, die meine Einfahrtkarte wieder einmal nicht erkennen wollte, lenkte mich ab. Vor einiger Zeit hatte der Betreiber mir eine neue Karte zugeschickt, die nie richtig funktionierte. Als sich nach fünf Minuten Warterei endlich die Schranke öffnete, kam ich auch schon etwas in Zeitnot. Flott fuhr ich in die unterste Ebene der Tiefgarage. Hier müsste ich nur noch zwei Mal um die Ecke und schon könnte ich Elchi abstellen. Die zweite Kurve durchfuhr ich etwas flotter als sonst. Irgendwo hörte ich ein lautes Zischen und auf einmal war alles weiß.

„Scheiß Raucher!“

Böse nuschelnd und mit dem Kopf schüttelnd stolzierte die Frau mit ihren laut klackernden, braunen Stiefeln an mir und meinem qualmenden Auto vorbei. „Raucher? Wie?“, dachte ich noch kurz laut und ganz verwirrt nach, aber die Frau konnte mich schon nicht mehr hören. Immer noch kopfschüttelnd düste sie in ihrem Fiat 500 an mir vorbei in Richtung Ausfahrt. Ich schaute auf mein Auto. Die Scheiben wirkten wie beschlagen und aus der offenen Fahrertür stiegen wabernde Nebelschwaden empor. Ich schaute an mir herunter. Ein feiner, weißer Staub hatte sich meinem Pullover gelegt. Erst jetzt merkte ich, dass auch meine Brille nicht mehr ganz so sauber wirkte. Was war das? Kurz dachte ich an einen ausgelösten Airbag, doch das hätte bestimmt geknallt und nicht gezischt. Ein Schwelbrand, wie ihn mein Kumpel Nils einmal erlebte, als ein paar Polierlappen von einem herausgefallenen Rückleuchteneinsatz in seinem Audi 100 anfingen zu schmoren? Wohl eher nicht, dazu roch es zu… zu… ich konnte und kann es nicht beschreiben.

Ich öffnete alle Türen, mein Auto qualmte wie ein Dampfbad. Kurz hatte ich Angst, die Sprinkleranlage auszulösen. Aber mein Parkplatznachbar musste seinen alten 200D dafür erst eine halbe Stunde im Stand laufen lassen, bis er das schaffte. Der Nebel war dazu wohl auch zu fein. Verwirrt öffnete ich den Kofferraum, aus dem eine noch viel größere Wolke entwich. Und dann sah ich, was passierte. Für die 25€, die ich in dem Laden für Werkstattzubehör ausgegeben hatte, hatte ich mir einen neuen Pulverlöscher gekauft. Ich wollte schon lange einen neuen Feuerlöscher für meine Garage haben, nachdem Elsa in diesem Jahr einmal ihr Benzin auf den Boden anstatt in ihren Vergaser pumpte. Und dieser Feuerlöscher war in der flotten Kurve gegen die Seitenverkleidung gerutscht und war… ausgelöst. Wütend schloss ich den Kofferraumdeckel und motzte lautstark etwas von „Vollidioten“ und „gezogene Sicherungen“. Am nächsten Tag fuhr ich wieder Harald. Der feine Staub in Elchi brachte mich andauernd zum Niesen.

I’m dreaming of a white Kofferraum

Erst heute, gut zwei Wochen nach diesem Vorfall, machte ich mich endlich daran, den Staub aus dem Auto zu entfernen. Zum Glück hatte der Feuerlöscher den Großteil seines Pulvers im Kofferraum verschossen. Das Armaturenbrett, die Seitenverkleidungen und die Sitze waren nur mit einem ganz dünnen Hauch überzogen, der sich relativ leicht wegsaugen ließ. Anders sah es aus, als ich den Kofferraum öffnete. Ganz so schlimm hatte ich das alles gar nicht in Erinnerung. So dick wie Mehl an der „Schussstelle“ und ein leichter Film überzog den restlichen Teppich und all die Sachen, die ich noch im Kofferraum hatte. Ich zog mir eine Staubmaske auf und begann erst einmal damit, meinen Kofferraum leer zu räumen. Alles, was mir anscheinend so wichtig war, dass ich es immer dabeihaben muss, war mit einer weißen Schicht überzogen. Die Starthilfekabel, die ich zusammen mit dem Feuerlöscher gekauft habe, waren ebenso weiß, wie die Gabel und das Messer, die ebenfalls in meinem Kofferraum wohnen (warum auch immer).

Als ich alle Sachen aus dem Kofferraum genommen hatte, fand ich dann auch den Splint, von dem ich angenommen hatte, irgendeiner im Geschäft hätte ihn gezogen. Anscheinend war er während der Fahrt einfach herausgefallen. Doof das. Mächtig doof das. So wirklich sicher, ob ich all das Pulver überhaupt jemals aus dem Kofferraum kriegen würde, war ich mir nämlich nicht. Erst als ein Windstoß (Ich wohne schließlich an der Nordseeküste) in den Kofferraum pustete und für eine neue Staubwolke sorgte, war ich etwas beruhigter. Das sollte sich alles wegsaugen lassen. Ich lief in die Werkstatt und holte meinen kleinen Staubsauger, den ich vor ein paar Jahren einmal in einer Tombola gewonnen hatte. Der hatte mir auch schon bei Hein mehr als gute Dienste geleistet und würde mich sicherlich auch hier nicht enttäuschen.

Schneefrei.

Während ich so saugte, überlegte ich noch kurz, ob ich ein Bild von all dem Pulver zu Facebook stellen und mit „Mit Kokainschmuggel verdiene ich mein Geld“ beschreiben sollte, aber das war mir dann doch zu heikel. Irgendwie verstehen die Leute ja immer weniger Spaß und müssen alles politisieren und hetzen und motzen und kotzen. Irgendjemand hätte das bestimmt geglaubt und mich angezeigt. Zum Glück ließ sich der gröbste Staub recht gut wegsaugen. Naja, zumindest verlagern. Das Zeug war so fein, dass der Staubsauger es an der Lüftung wieder heraus und ins Carport pustete. Naja, zumindest aus dem Auto ist es raus. Wesentlich schlimmer war es damals, als mir (ebenfalls im V40) ein Sack mit 50 Kilogramm losen Weizenkörnern im Kofferraum umkippte und platzte. Einen ganzen Abend schaufelten und saugten wir die Weizenkörner aus dem Kofferraum. Im Nachhinein wäre es wohl besser gewesen, sie zu gießen und dann einen Mähdrescher zu benutzen. Bis heute taucht ab und zu nochmal ein Korn aus der Versenkung auf, aber das wird der weiße Staub auch bestimmt können.  Etwas habe ich aus der Geschichte gelernt: Feuerlöscher transportiere ich ab jetzt nur noch stehend hinter einem Sitz. Oder in einem Karton. Und den Splint schaue mir von nun an immer ganz genau an.

Weiße Weihnachten habe ich mir übrigens wirklich gewünscht – und irgendwie ist das ja auch tatsächlich in Erfüllung gegangen. Nur einen kleinen Nachteil hat die Geschichte:

Immer, wenn ich „White Christmas“ höre, juckt mir Nase.

Über Watt'n Schrauber

Autoverrückt, restauriert einen Buckelvolvo mit wenig Budget, mag Fotografieren, Tanzen und ist manchmal wohl ein wenig durcheinander. Und mag Norddeutschland.
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