„Das ist schnell gemacht!“

Bestimmt jeder Schrauber hat den Satz schon einmal gedacht oder gesagt und es bereut. Heute: Wie „nur mal kurz die Federn tauschen“ (wieder einmal) in einem Drama endete.

Es passiert den besten Autos.

Vor gut einer Woche nahm ich mir vor, meinen treuen Golf IV Variant TDI, der mich schon bald fünf Jahre durch die Gegend fährt, mal wieder so richtig auf Vordermann zu bringen. Im Inneren des Autos hätte ich bald Radieschen pflanzen können (Schöne Grüße an dieser Stelle nach Graz – die wären bestimmt nicht so toll hochgekommen wie deine, Michael!) und vollgemüllt war das Auto auch noch. Ich weiß gar nicht so genau, warum… Ähem. Von außen sah es aber auch nicht viel besser aus. Der tornadorote Lack wirkte gar nicht mehr wirklich rot, sondern eher so braungräulich mit einem Tick schwarz. Zwei Stunden brauchte ich wohl – unterbrochen von kleinen Pausen, in denen ich mich wunderte, wie viel Leergut ich in meinem Auto umherkutschiert habe – um den Innenraum wieder richtig schön wohnlich zu machen. Von außen machte ich es mir einfacher: Der Weg führte einfach zur Waschanlage. Einmal die große Wäsche mit Unterbodenkraulen und Lackmassage – und mein alter Golf stand für seine zwanzig Jahre wieder ganz manierlich da.

Am nächsten Tag wollte ich meine tornadorote… ähm, okay. „Schönheit“ wäre übertrieben, aber zumindest glänzte er, ja?  …meine tornadorote Schönheit ein bisschen ausführen. Doch kaum hatte ich ihn aus der Garage gelenkt, hörte ich ein ungeheures Knatschen der vorderen Radaufhängung – es kam eindeutig von vorne rechts. Leider habe ich es nicht hinbekommen, dass man das Geräusch auch wirklich gut hört. Meine Jacke hat leider zu laut geraschelt. Aber ich kann es ja einmal versuchen zu beschreiben. Stellt euch vor, jemand spannt ein großes, dickes Gummiband zwischen den Fingern einer Hand und zupft mit der anderen Hand daran. Hört ihr es? Dieses dumpfe „Gummm“? Genau. Und dazu stellt euch noch bitte jemanden vor, der gerade versucht einen Kirschkern zu zerbeißen. Ein knirschendes „Gnurbsumm“ kam von vorne rechts – wie sich so ein Federbruch nun eben einmal anhört. Grund für mich, meinen Golf wieder in die Garage zu stellen. Nach fast 20 Jahren und 360 000 Kilometern mit dem ersten Satz Federn darf so ein Federbruch schon einmal passieren.

Danke, liebe Glaskugel!

Ich höre die ersten von euch jetzt schon ganz kräftig in die Tasten hauen. So mit Schaum vor dem Mund und so. Wie unverantwortlich es sei, 360 000 Kilometer mit dem ersten Satz Stoßdämpfer und Federn durch die Gegend zu fahren. Falls ihr nun gerade tatsächlich mit der Tipperei begonnen habt, dann möchte ich euch kurz bitten, damit aufzuhören. Denn tatsächlich waren die originalen Volkswagen-Stoßdämpfer bisher trocken – und haben im letzten Jahr (Vor gut 20 000 Kilometern) auch den Stoßdämpfer-Prüfstand-Test bei der Hauptuntersuchung ohne Fehler bestanden – damals brach die Feder hinten. Aber natürlich wusste ich, dass vorne nicht mehr alles so im Lot ist. Schon seit Dezember lagen deshalb ein Satz neuer Stoßdämpfer, neue Federn und ein Satz neuer Domlager in meinem Wohnzimmer herum – wo auch sonst?

Und ja – ich habe das Zeug da auf dem Bild gekauft, das hier ist kein Artikel, der irgendwie von Sponsoren bezahlt wurde. Ich habe mich für Markenware entschieden – in der Hoffnung, dass das Zeug auch dementsprechend hält. Bei Ersatzteilen gehe ich tatsächlich fast immer rein nach dem Motto „Wer billig kauft, kauft zwei Mal“ und kaufte tatsächlich nur in den äußersten Notfällen Billigteile. Dass so ein äußerster Notfall von vor ein paar Jahren mir den Wechsel der Stoßdämpfer und Federn so richtig erschweren sollte, wusste ich noch nicht, als ich mir alles unter die Arme klemmte, in die Garage brachte und mein Auto aufbockte. Erst einmal schien alles okay. Keine Schraube war festgerostet, die Vögel zwitscherten fröhlich und pfiff fröhlich ein Lied. Doch das Pfeifen verging mir dann doch recht schnell.

Jetzt wird es kurz einmal technisch.

Ich weiß ja, dass viele von euch gar nicht hier mitlesen, weil sie sich unbedingt für Technik interessieren. Falls du dich da nun angesprochen fühlst, dann musst du nun stark sein. Mein Golf IV hat vorne an jeder Seite ein MacPherson-Federbein. Ein MacPherson-Federbein besteht aus vielen Dingen – hauptsächlich aber aus einem Stoßdämpfer, einer Schraubenfeder und einem Domlager, das oben auf dem Federteller sitzt und die Feder dort festhält, wo sie auch bleiben soll. Oben verjüngt sich die Feder – da heißt, dass die oberste Windung einen kleineren Radius hat als die unterste Windung. Und genau an dieser obersten Windung ist die Feder an meinem Golf gebrochen. Und zwar so, dass sie am Federteller vorbeigeschossen ist und sich im Federbeindom – also in der Karosserie – verklemmt hatte. Deshalb auch das laute Knatschen. Das war auf jeden Fall ziemlich doof. Denn zum einen hatte sich die Feder dabei zum Teil entspannt und für meinen Federspanner war zu wenig Platz – und zum anderen konnte ich so den Stoßdämpfer nicht aus dem Achsschenkel bekommen. Wunderbar!

Drei Stunden versuchte ich mich darin, den Stoßdämpfer doch noch irgendwie ausgebaut zu bekommen – doch es nütze nichts. Das Ding hing fest. Also entschied ich mich, den kompletten Achsschenkel auszubauen – inklusive Stoßdämpfer. Und hier rächte es sich dann, dass ich vor drei Jahren, als der Golf gerade die Hebebühne unseres Nachbarn blockierte, auf die Schnelle bei meinem Teilehändler nur Spurstangen bekommen konnte, die im „preisgünstigeren“ Segment lagen. Der Spurstangenkopf, der gelöst werden muss, um den Achsschenkel auszubauen, war bombenfest. Er ließ sich einfach nicht lösen. Stundenlang versuchte ich tausend Dinge (unter anderem sprengte ich einen Mutternsprenger – nennt mich Popeye!), bis ich die Geduld verlor und ihn einfach abflexte. Gleiches tat ich dann auch ganz vorsichtig mit der Fahrwerksfeder, die immer noch im Dom festklemmte. Und bitte, bitte – nehmt euch an mir kein Vorbild. Das ist wirklich saugefährlich! Bei mir ging zum Glück alles gut – und nach nur fünf Stunden konnte das Federbein herausnehmen. An dem Tag baute ich nur noch das neue Federbein zusammen und ließ es dann gut sein.

Doch das war noch nicht genug Drama.

Wenn man einen Spurstangenkopf abgeflext hat, dann muss man ihn natürlich auch ersetzen, wenn man das Auto auch fahren möchte. Nachdem die Nuss aber so schon fest war, dachte ich mir schon, dass der Spurstangenkopf ansich auch extrem auf der Spurstange festgerostet sein würde. So nahm ich mir einen Tag Schrauber-Pause und sprühte immer wieder Rostlöser auf die Verbindung. Im Nachhinein hätte ich mir das Sparen können. Denn den halben Tag nach meiner Schrauber-Pause verbrachte ich damit, den Spurstangenkopf zu lösen – doch zumindest war ich erfolgreich. Und bis zu diesem Zeitpunkt auch noch immer unverletzt. Nicht einmal ein kleiner Ratscher hatte sich auf meine Hände verirrt – und ich war auch ziemlich erstaunt. Nach der Montage des neuen Spurstangenkopfs lief dann (zumindest für die rechte Seite) alles wie am Schnürchen. Innerhalb von einer halben Stunde hatte ich alles wieder festgeschraubt und mit dem richtigen Drehmoment festgezogen. So lobe ich mir das ja.

Voller Euphorie startete ich auch sofort mit der linken Seite. Hier – so dachte ich – würde ja alles leichter werden, weil die Feder hier ja noch nicht gebrochen wäre. Und zum Teil stimmte das auch. Um den Stoßdämpfer leichter aus- und einbauen zu können, baute ich auch hier den Achsschenkel aus, obwohl das eigentlich nicht nötig tat. Und hier merkte ich dann, dass der linke Spurstangenkopf schon beginnendes Spiel hatte. Also konnte ich hier (fast) das gleiche Spiel noch einmal von vorne machen. Zumindest die Nuss war nicht so fest wie auf der rechten Seite und ließ sich lösen. Beim Abschrauben von der Spurstange ist es dann tatsächlich passiert, dass ich mich verletzt habe. Ich bin mit dem Schraubenschlüssel abgerutscht und habe die Haut, die die Rückseite meines linken Mittelfingers bildete, am Querlenker gelassen. Komischerweise lief danach aber wieder alles glatt. In Nullkommanichts war das Auto wieder zusammengebaut und ich konnte auf Probefahrt gehen. Weniger erstaunlich ist es wohl, dass „Harald“ auf einmal ein ganz anderes Auto ist. Wie er richtig fährt, werde ich aber wohl erst sehen, wenn die Spur vermessen und eingestellt wurden.

Achja – nächstes Mal werde ich mich einfach zu Beginn kurz mit dem Schraubenzieher pieksen. Dann habe ich dem Schraubergott mein Opfer ja schon gebracht.

Vielleicht ist dann tatsächlich mal etwas schnell gemacht.

Über Watt'n Schrauber

Autoverrückt, restauriert einen Buckelvolvo mit wenig Budget, mag Fotografieren, Tanzen und ist manchmal wohl ein wenig durcheinander. Und mag Norddeutschland.
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