Ich weiß, „Herkulesaufgabe“ wird nicht mit c geschrieben. Es geht aber um mein Moped. Das Thema heute: Die Bestandsaufnahme. Was habe ich da eigentlich genau gekauft?
„Vertrauen Sie aber auf das Urteil eines Profis, bevor Sie sich zum Kauf entscheiden!“
Egal, ob die Anschaffung eines Klassikers oder nur der Kauf eines normalen Gebrauchtwagens ansteht: Wenn man sich ein wenig über das gewünschte Fahrzeug schlau liest, wird man früher oder später auf eine Kaufberatung stoßen – wenn es sich nicht gerade um einen richtigen Exoten handelt. Ich bin mir sicher: In jeder dritten Kaufberatung steht der oben zitierte Satz. Es ist ja auch nicht verkehrt, sich von einem Experten beraten zu lassen, bevor man tausende von Euro in ein Wrack investiert, das bei der nächsten Hauptuntersuchung das Urteil „quadern“ erhält. Geht es um Oldtimer, helfen Clubs gerne aus. Oder Fachwerkstätten. Für Gebrauchtwagen gibt es Prüforganisationen wie den TÜV oder die Dekra, die gerne einmal einen Blick auf das Auto werfen. Das kann wirklich eine Menge Geld sparen – und ein Auto, das richtig funktioniert, bringt auch viel mehr Spaß als eines, das andauernd die Grätsche macht.
Eigentlich stimme ich dem Satz, den man in so vielen Kaufberatungen lesen kann, ja auch zu. Ich sage auch zu jedem, der mir erzählt, dass er sich ein neues Fahrzeug kaufen möchte: „Lasst es noch einmal durchschauen, bevor ihr es kauft!“ Doch schlüpfe ich selber in die Rolle des Käufers, weht der Wind ein bisschen anders. Als ich vor sechs Jahren auf dem Weg nach Dänemark war, um Elsa das erste Mal in natura zu sehen, kannte ich die Inhalte aller möglichen Buckelvolvo-Kaufberatungen in- und auswendig. Ich war so gespannt auf meinen ersten, eigenen Oldtimer, dass ich alle Schwachstellen, die man an den schwedischen Autos mit dem Rundrücken finden kann, auswendig gelernt hatte. Umso schneller erkannte ich auch, dass Elsa wirklich fast alle Schwachstellen hatte, die ein Buckelvolvo haben kann. Doch anstatt, wie in einer Kaufberatung so nett beschrieben, „schreiend wegzurennen“, kaufte ich sie trotzdem. Wahre Liebe kennt eben keine Mängel.
Zeit für eine Bestandsaufnahme.
Mir ging es aber nicht nur bei Elsa so. Hein war so günstig, dass ich ihn trotz Mängel mitnahm. Bei der Zündapp hatte mein Vater als Ex-Zündapp-Besitzer so leuchtende Augen, dass ich auch hier keine Sekunde überlegte. Und bei meiner Hercules? Der Kauf war eine reine Bauchentscheidung. Es ging mir gar nicht so sehr um das Moped an sich, sondern viel mehr um die Geschichte dahinter. Hätte ich am Pfingstsonntag zusammen mit Herrn Hansen (Name immer noch geändert) vor einem alten Rasenmäher gestanden, hätte ich den wohl auch gekauft. Als ich nach der Besichtigung nach Hause fuhr, hatte ich wirklich gar keine Ahnung, was für ein Moped ich da gerade gekauft hatte. Ich wusste, dass „Hercules“ draufstand. Und, dass der 2,9-PS-starke Motor noch drehte und sich nicht festgestanden hatte. Warum ich die PS-Zahl wusste? Keine Ahnung, aber anscheinend hielt mein Gehirn das für wichtiger, als die Typenbezeichnung des Mopeds. Verrückt.
Gleich nach der Abholung nahm ich mir einen Zettel und einen Stift und setzte mich vor meinen Neuerwerb. Einmal schauen, was alles so zu tun wäre, um das Moped wieder hübsch und fit zu bekommen. Inzwischen wusste ich zumindest, dass ich eine Hercules Mk1 gekauft hatte – das stand schließlich auf dem Seitendeckel. Der erste Defekt fiel mir schon auf, bevor ich überhaupt einen Stift und einen Zettel holen konnte: Der Ständer ist kaputt. Die Feder, die den Ständer während der Fahrt nach oben halten sollte, war abgerissen. Und ein Stück vom Fuß fehlte auch. Herr Hansen hatte es einfach mit Draht hochgebunden und das Moped überall angelehnt. Kann man machen, muss man aber nicht. Wenn man einen Ständer hat, sollte er auch funktionieren. Zumindest ist das meine Meinung. Ich schrieb den ersten Punkt auf die Liste. Das sollte relativ leicht zu reparieren sein – wirklich kein Beinbruch.
Die Liste blieb aber kurz.
Wirklich viele Fehler konnte ich nicht finden, Herr Hansen schien das Moped immer recht liebevoll gepflegt zu haben. Das konnte man auch an schieren Menge von Felgensilber sehen, die über das Moped verteilt wurden. Anscheinend waren die Kotflügel mit der Zeit rostig geworden und Herr Hansen hatte sie mit einer dicken Schicht Felgensilber eingesprüht. Und das war wohl gar nicht so verkehrt, denn der Rost an den Schutzblechen hält sich wirklich noch in Grenzen. Gut, das Felgensilber blättert inzwischen großflächig ab oder hat Blasen geschlagen – aber immerhin sind die Kotflügel nicht durchgerostet. Hübsch sind sie allerdings auch nicht mehr. Das ist für mich keine Patina mehr, sondern eher Schrott. Die werde ich aufs blanke Blech zurückschleifen und neu lackieren. Das werde ich mit dem Tank und allen blauen Anbauteilen aber nicht machen – die Patina darauf finde ich richtig herrlich. Das wäre eine Sünde, den Lack abzuschleifen.
Bis auf zwei blanke und poröse Reifen konnte ich aber so viel mehr Baustellen gar nicht finden. Alles schien dort zu sein, wo es hingehörte. Kein Bowdenzug war gerissen, der Bezug der Sitzbank ist einwandfrei und nirgendwo schien sich wirklich richtig der Gammel eingenistet zu haben. Klar – alles gehört einmal richtig saubergemacht und geputzt, aber die Substanz ist mehr als in Ordnung. Herr Hansen hatte sich tatsächlich immer gut gekümmert. Ich freute mich, so viel Arbeit schien es dann doch nicht zu sein, die alte Hercules wieder auf die Straße zu bringen. Ich könnte Herrn Hansen dann ja schon bald besuchen.
Die Qualm-Maschine.
Ich hätte wahrscheinlich nicht ruhig schlafen können, wenn ich mich nicht auch noch um den Motor gekümmert hätte. Ich wusste ja, dass er drehte und noch Kompression hatte – zumindest fühlte es sich so an, als ich ihn per Hand mit dem Kickstarter durchdrehte. Doch ob er noch gut laufen würde, wusste ich natürlich nicht. Und ehrlich gesagt, ein paar Zweifel hatte ich auch, als ich den durchgerosteten Krümmer entdeckte. So ein Zweitakter braucht ja Gegendruck und so ein Sieb bietet davon eher wenig. Es half nichts – ich musste es ausprobieren. Ich hätte ansonsten wohl auch gegen siebenhundertdreiundvierzig ungeschriebene Schraubergesetze verstoßen. Und die Strafe dafür wollte ich natürlich nicht über mich ergehen lassen.
Als erstes drehte ich die Zündkerze heraus und kippte ein wenig Öl in den Zylinder. Wäre ja schließlich doof, wenn der Motor gleich beim ersten Start festfressen würde. Die Zündkerze sah noch recht gut aus, da bürstete ich nur zwei Mal kurz mit einer weichen Drahtbürste rüber. Mit dem Kickstarter testete ich dann, ob die Kerze auch noch einen Funken abgeben würde. Im Zucken meines Armes merkte ich, dass sie es tat. Den alten Sprit ließ ich gleich in einen Kanister laufen – und nicht erst in den Motor. Dafür hatte ich mir schon neuen Treibstoff besorgt. Eine ganz edle Zweitaktmischung im Verhältnis 1:50. Den alten Spritfilter pustete ich nur einmal kurz durch, der sah noch gar nicht so verdreckt aus. Dann musste ich sie nur noch aus der Garage schieben und es ausprobieren. Und genau das habe ich in Videoform festgehalten:
Der erste Ausflug endete im Gebüsch.
Also, die Hercules lief – und sogar ganz gut. An die Schaltung muss ich mich eindeutig noch gewöhnen, die Bremsen hätte ich vielleicht vor der Testfahrt ausprobieren sollen. Leider wurde ich nicht dabei gefilmt, wie ich mit dem Moped schreiend und mit den Schuhen bremsend im Gebüsch gelandet bin. Aber auch die Bremsen sind ja eine relativ simple Konstruktion, auch das sollte ich hinbekommen. Ein paar neue Bremsbacken, ein bisschen Abschmiererei hier und da – und alles sollte wieder richtig funktionieren. Ein großes Projekt wird die Hercules also nicht.
Dachte ich. Aber das ist eine andere Geschichte…
Vielen Dank an Micky von Alltagsklassiker für die Titel-Inspiration!
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