Auf ein Hoch folgt meist ein Tief

Ich weiß, das ist jetzt nicht der motivierendste Titel für die erste Geschichte im Jahr 2020. Heute: Der erste Teil der Wiederbelebung meiner Hercules. Es lief nicht alles ganz so glatt.

Eigentlich sollte ich mich schämen!

Kaum ein anderes Mitglied im Fuhrpark hat für so viele Nachrichten und Kommentare in den letzten sieben Monaten gesorgt. „Was macht die Hercules? Hast du sie noch?“, „Arbeitest du noch an dem kleinen Moped?“ und „Erzählst du die Geschichte auch noch einmal weiter?“ sind nur drei von fast fünfzig Nachrichten, die nach dem Gesundheitszustand meines Zweirades fragten. Elsa wurde in der Zwischenzeit sogar so neidisch, dass sie kurz ziemlich schlimm kaputt ging – aber das ist eine andere Geschichte. Jetzt möchte ich euch nämlich erst einmal über die Wiederbelebung meiner Hercules MK1 von 1977 erzählen. Das wird in mehreren Teilen geschehen, denn – typisch Altblech oder eher typisch Lars? – irgendwie verlief nicht alles nach Plan. Einiges lief ganz schön schief. Aber lasst mich ganz von vorne anfangen.

Alle von euch, die ein richtig gutes Gedächtnis haben, dürfen diesen Absatz nun gerne überspringen. Alle anderen, die entweder noch nie von meinem Moped gelesen oder (wie ich) am 04. Januar schon vergessen haben, dass gerade ein neues Jahr angefangen ist, möchte ich die Geschichte meiner Hercules noch einmal ganz kurz zusammenfassen: Es war das Pfingstwochenende 2019, als ich nach langem Drängen eines guten Freundes zum Telefonhörer griff und mir kurz darauf ein altes Moped anguckte. Eigentlich wollte ich gar kein weiteres Zweirad haben, doch wenn Männer weinen (die Geschichte ist recht traurig) denken sie eher selten klar und so ich kaufte es. Während das Moped auf dem ersten Blick noch recht frisch aussah, war nach dem zweiten Blick klar: Das wird eine Herculesaufgabe. Die To-Do-Liste war recht kurz, ich war hochmotiviert und so fing ich keine Woche nach dem Kauf an. Die ganze Geschichte des Kaufs und die der Bestandsaufnahme findet ihr hinter den beiden Links in diesem Absatz.

So weit, so gut.

Als ich das Moped in die Werkstatt schob, war ich mir immer noch recht sicher, dass ich die Hercules in zwei Wochen wieder fit hätte. Die To-Do-Liste war ja recht kurz: Die Reifen waren poröser als die Haut eines Kettenrauchers, die mussten also neu. Die Bremsen konnten so gut zupacken wie ich kurz nach dem Weckerklingeln – also gar nicht – und brauchten auch etwas Aufmerksamkeit. Der Ständer baumelte unmotiviert vor sich hin (Wer lacht da?!) und musste ebenfalls repariert werden. Und der Rest? Nur ein bisschen Kosmetik. Der Vorbesitzer hatte die rostigen Kotflügel (und alles drumherum) mit einer ordentlichen Ladung Felgensilber eingesprüht. Das war für mich keine Patina mehr, sondern einfach nur echt hässlich. Das konnte so wirklich nicht bleiben. Wenn auch der Tank und alle blau lackierten Teile im Originallack bleiben sollten – Felgensilber mag ich nicht einmal auf Felgen. Die Kotflügel sollten neu lackiert werden.

Das Abbauen der Räder verlief erstaunlich reibungslos. Obwohl der Vorbesitzer mir beim Aufladen erzählte, dass er mit dem Moped immer an der Nordsee entlang zu Arbeit fuhr, war nicht eine einzige Schraube festgerostet. Alles war trotz der regelmäßigen Salzwasserduschen und der zwanzigjährigen Standzeit in der Garage noch herrlich gangbar. Das freute mich sogar so sehr, dass ich einen kleinen „Alle Schrauben locker“-Feiertanz in der Garage aufführte. Den Blick unserer Nachbarin, die natürlich genau in dem Moment in die Garage kam, werde ich wohl nie vergessen. Andererseits hat sich das Bild des tanzenden und jubelnden Watt’n Schraubers garantiert bei ihr ebenfalls fest eingebrannt. Wie dem auch sei. Mein Glück verließ mich, als ich die Kotflügel abmontieren wollte. Die kleinen, schlecht zu erreichenden Schrauben waren natürlich total vergammelt. Den vorderen Kotflügel baute ich daraufhin mit Halter ab. Bei dem hinteren Kotflügel nutzte ich Geduld und Feinfühligkeit – und riss die Schrauben ab. Ups.

Zu viele Köche…

Eigentlich schraube ich lieber alleine, weil ich inzwischen meinen eigenen Rhythmus habe. Wenn ich nämlich eines in den letzten Jahren gelernt habe, dann das: Auseinandernehmen ist immer viel leichter als etwas zusammenzubauen. Davon zeugen ja auch die unzähligen Restaurationsabbrüche, die man in den einschlägigen Portalen so finden kann. Ich mache mir von jedem Bauteil Fotos aus allen möglichen Perspektiven, um es nachher auch wieder richtig einbauen zu können. Das ist vor allen Dingen praktisch, wenn ein Projekt dann doch einmal länger dauert. Als ich ein paar Tage später in die Werkstatt kam, sah ich voller Schrecken, dass mein Vater einige Handschläge an der Hercules getan hatte und ich nur noch vor einem Gerippe mit Motor stand. Nach einer kurzen Absprache konnte mein Vater mich aber beruhigen. Er hätte von allem eine Zeichnung gemacht. Immerhin gab einen Grund, das Moped so sehr zu zerlegen.

Der Rahmen hatte nämlich doch schon etwas gelitten. Überall konnte man Rost finden – besonders unter dem Tank. Da hatte sich mit den Jahren irgendwie auch relativ viel Erde gesammelt. Keine Ahnung, wie die Erde dorthinkam, aber sie hatte es aber irgendwie geschafft. Auch wenn das inzwischen nur noch trockener Krümelkram war – irgendwann muss die Erde mal ziemlich feucht gewesen sein. Wahrscheinlich wäre der Rahmen in einhundert Jahren noch stabil genug gewesen, doch irgendwie störte mich dieser Rost dort. Rückblickend habe ich mir wohl eingeredet, dass die Rostnarben tiefer seien, als sie es eigentlich waren. An den Kotflügel der Hercules wollte ich nämlich etwas Neues ausprobieren und entschied mich spontan, den Plan gleich auf den Rahmen zu erweitern. Für die Lackierung des Kotflügel (und des Rahmens) hatte ich mir nämlich eine Lackierpistole besorgt. Vorbei die Zeit der Spraydosen – ich wollte richtig lackieren lernen. Im Nachhinein hätte ich den Rahmen einfach so lassen sollen…

Pestbekämpfung

Die Vorarbeiten sind für das Lackieren wirklich wichtig – das wusste ich sogar als kompletter Laie. Wenn der Grund, auf den der Decklack aufgetragen wird, nicht schon glatt ist, kann der Decklack das auch nicht mehr ausgleichen. Erst einmal musste aber der Rost weg. Während ich den Kotflügel mit der rotierenden Drahtbürste zu Nahe kam, nutzte ich für den Rahmen eine Handdrahtbürste – der Rost war tatsächlich nicht so schlimm. Auch die Kotflügel erwiesen sich als erstaunlich stabil. Die sahen wesentlich schlimmer aus, als sie es eigentlich waren. Zumindest das hintere Schutzblech war relativ schnell von der braunen Pest befreit, das vordere Exemplar musste vorher erst noch einmal kurz Bekanntschaft mit der Trennscheibe machen. Die kleinen Schrauben, die den Kotflügel mit dem Halter verbanden, waren leider extrem vergammelt. Ein Glück sind meine Flex und ich ein echt gutes Team.

Von innen behandelte ich die Kotflügel mit Lack aus dem landwirtschaftlichen Bereich. Der bewährt sich seit einigen Jahren am Unterboden von Elsa und ist wirklich von der ganz robusten Sorte. Von außen wollte ich die Kotflügel vor dem ersten Auftrag von Spachtelmasse noch einmal grundieren. Übrigens konnte ich hier bisher keine eindeutige Aussage finden, ob man die Spachtelmasse direkt auf das Blech oder eher auf Grundierung auftragen sollte. Ich fand die Variante mit dem Grundierungsdurchgang vorher aber irgendwie schlüssiger. Der Teilehändler meines Vertrauens mischte extra für mich einen Pott mit Epoxy-Grundierung an, der auch gar nicht so teuer war. Am liebsten hätte ich zu Hause gleich die Lackierpistole geschwungen, doch dazu fehlte mir immer noch eine Kleinigkeit: Eine Lackierkabine. Die Werkstatt ist mit ihrem groben Betonboden und den vielen, fiesen, staubigen Ecken selbst mit Folie ausgekleidet nicht wirklich als Lackierkabine zu gebrauchen. Ich musste mir etwas anderes einfallen lassen.

Partymachen geht immer.

Ich weiß nicht genau, ob mich diese kleine, unfreiwillige Tanzvorführung ein paar Tage zuvor auf die Idee brachte, doch die Wahrscheinlichkeit war gar nicht so gering. Kurz vor der Lackieraktion war ich tatsächlich auf einem Zeltfest und schwitzte mich in den Partyzelten fast bis zur kompletten Dehydration. Damals dachte ich schon kurz daran, dass so ein Zelt eine optimale Lackier- und Trockenkabine wäre. Für ein richtig großes Partyzelt langte mein Geld leider nicht, aber ein Gartenpavillion für 19,99€ gab mein Budget noch her. Vielleicht hätte ich doch das für 25€ nehmen sollen, zumindest wäre mir dann die Suche nach Seitenverkleidungen erspart geblieben. Dank der Hitze war aber mein Denkvermögen wohl noch eingeschränkter als sonst. Es wurde wirklich unfassbar heiß, als ich anfing das Zelt aufzubauen. Am liebsten hätte ich das nackig gemacht, doch unsere verschreckte Nachbarin hatte schon gereicht. Für eine traumatisierte Postfrau wollte ich nicht auch noch verantwortlich sein.

Für die Verkleidung des Bodens und der Wände fand ich nach einiger Sucherei noch alte Baufolie, mit der mein Vater vor über dreißig Jahren die Glaswolle in den Dachschrägen des Dachbodens verkleidet hatte. „Die ist stabil!“, meinte er, als er mir half die Seitenteile zu verkleiden. Bestimmt hatte er auch recht. Vor dreißig Jahren. Anscheinend war der Lagerort in der Garage nicht so gut gewählt. Irgendwie riss die Folie andauernd an neuen Stellen ein. Das nervte mich zwar etwas (Ich wollte endlich lackieren!), doch mit Gaffatape bewaffnet hatte die Folie keine Chance gegen mich. Zwei Stunden dauerte der Bau meiner „Lackierkabine“. Inzwischen war es mittags und die Sonne knallte so richtig runter. Doch wie heißt es so schön? Ein Lackierer kennt keinen Schmerz. Ich versuchte also die Hitze zu ignorieren, baute mir einen provisorischen Halter für die Kotflügel und entfernte den kompletten Staub von den Kotflügel. Meine Finger kribbelten wie verrückt.

Feuer frei!

Es dauerte keine zehn Minuten und ich hatte auf beide Kotflügel eine Schicht Grundierung aufgetragen. Ich versuchte dabei alles zu berücksichtigen, was ich mir vorher aus Büchern und aus dem Internet so angelesen hatte. Gleichmäßige Bewegungen; bloß nicht aufhören zu sprühen, wenn die Düse auf das Werkstück gerichtet ist (das spritzt) und lieber mehrere dünne Schichten als eine zu dicke. Eine ganz glatte Oberfläche hatte ich nicht hinbekommen – anscheinend war es wohl etwas zu warm im Zelt oder ich hatte einen Hauch zu viel Härter angemischt. Doch das war mir egal. Es schien zu halten und schleifen müsste ich die Kotflügel ja sowieso noch. Nach der angegebenen Trocknungszeit der Kotflügel (Die Kotflügel wären dank der 50 Grad im Zelt schon viel eher trocken gewesen) stellte ich denn den Rahmen ins Zelt. Angeschliffen hatte ich ihn schon, für das Entfetten und Entstauben nahm ich mir ordentlich Zeit.

Vielleicht dachte ich in meinem Übermut, dass ich die Grundierung genauso schön auf den Rahmen wie auch schon auf die Kotflügel bekommen werde. Schließlich hatte ich nicht einen Läufer produziert. Als ich den Rahmen komplett grundiert hatte, sah es auch erst danach aus. Einen winzig kleinen Läufer hatte ich dank etwas zittriger Hände hinbekommen, doch der Rest sah ganz gut aus. Ich war mehr aus zufrieden, als ich die Spritzpistole sauber machte. Zur Belohnung düste ich mit Henkelmännchen nach St. Peter-Ording, um mir dort einen großen Eisbecher zu gönnen. Als ich wieder nach Hause kam, sah der Rahmen allerdings gar nicht mehr so schön aus. Der Lack war zwar getrocknet, doch das war kein so schönes „Finish“ wie bei den Kotflügel. Irgendwie war das alles gekräuselt und dick – ihr seht es ja selbst auf den Fotos. Das war gründlich in die Hose gegangen. So ein Mist.

Eigentlich lasse ich mich nicht so schnell entmutigen, doch nach dem Desaster hatte ich echt keine Lust mehr. Von der Hercules musste ich erst einmal ein bisschen Abstand gewinnen – und von der Lackiererei auch. Mein Lackierzelt musste übrigens ich am selben Abend noch ganz schnell abbauen, ansonsten wäre es bei einem Gewitter wohl in der Heckscheibe von Hein gelandet. Mit zwei Fragen im Kopf ging ich an diesem Tag ins Bett. 1. Warum genau habe ich den Rahmen lackieren wollen, obwohl es nicht Not tat? Und 2. Warum ist das passiert? Zumindest die letzte Frage wollte ich unbedingt beantwortet haben. Denn wie heißt es doch so schön?

Aus Fehlern lernt man.

Über Watt'n Schrauber

Autoverrückt, restauriert einen Buckelvolvo mit wenig Budget, mag Fotografieren, Tanzen und ist manchmal wohl ein wenig durcheinander. Und mag Norddeutschland.
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