Das Fahrwerk schärfen.

Tschüss Tieferlegung, tschüss knarzende Traggelenke und tschüss ölende Stoßdämpfer!Heute? Die nicht ganz reibungslose Neuteilekur des Fahrwerks vom LowBudgetBenz…

Eigentlich ist die Überschrift Mist.

So sexistisch, wie es auch klingt… würde das Standard-Fahrwerk (m)eines W124 einer Frau gehören und an einem heißen Tag in einem kurzen Rock an einer Baustelle vorbeilaufen, würde wohl keiner der Bauarbeiter hinterherpfeifen. Das Fahrwerk eines ganz normalen W124 ist ungefähr so sportlich wie ein Stammkunde von McDonalds und so knackig wie Kartoffelchips, wenn man die Tüte drei Tage lang offen hatte. Der W124 ist ein Couchpotato auf Rädern. Ein fahrendes Sofa. Ein Auto, dass gerne geradeaus fährt, Kurven aber nicht ganz so toll findet. Ein kleiner Straßenkreuzer. Fast ein kleiner, deutscher Cadillac. „Scharf“ ist was ganz anderes.

Das Fahrwerk meines alten Mercedes „Hein“ schaffte es allerdings sogar noch, das Standardfahrwerk in Sachen Fahrdynamik zu unterbieten. Während sich die Mehrlenker-Hinterachse schon einmal über einige neue Buchsen und Lager freuen durfte – und selbst die Stoßdämpfer und Federn erst vor kurzem ersetzt wurden, war die Vorderachse eigentlich nur noch ein Schatten ihrer selbst. Naja, vielleicht nicht ganz. Aber lasst mich doch auch mal dramatisch werden. So dachten sich die vorderen Stoßdämpfer, dass sie nach achtundzwanzig Jahren und knapp über 250 000 Kilometern wirklich keine Lust mehr aufs Arbeiten hatten, und ölten fleißig vor sich hin. Die Traggelenke hatten sich das scheinbar abgeschaut und polterten auf fröhlich vor sich hin. Gerade das linke Traggelenk wurde auf den letzten Fahrten vor dem Start der kleinen Restauration ziemlich laut. Und zu all den eh schon doofen Dingen kamen dann vorne noch zwei Tieferlegungsfedern. Und diese starke Keilform empfand ich bei einem 230E ungefähr so ansprechend wie eine Seniorin in Strapsen. Nämlich gar nicht.

Und so kam es zur Neuteile-Schlacht.

Ich nahm also gut zweihundert Euro in die Hand (und das war gar nicht so leicht, die erst einmal zu finden) und bestellte gleich einige Teile neu. Zum Glück gibt es einen großen Teilehändler, der sich auf Mercedes spezialisiert hat. So kam es dann, dass ich tatsächlich für nur zweihundert Euro neue Stoßdämpfer, Domlager und neue Traggelenke bestellte (es kamen dann auch noch einige Bremsenteile hinzu), während ich die vorderen Federn dooferweise direkt bei Mercedes orderte. Am Teiletresen erzählte mir der hilfsbereite Mitarbeiter dann auch zum ersten Mal, dass ich eine Japan-Ausführung  des 124er besitzen würde. Und ja, das sorgte nicht nur bei euch für Verwirrung. Für Verwirrung sorgte übrigens auch der Preis, den ich für zwei Fahrwerksfedern beim freundlichen Mercedes-Händler bezahlt habe. Fast zweihundert und fünfzig Euro musste ich da lassen. Gar nicht so LowBudget… Aber was tut man nicht alles für ein… naja… etwas schärferes Fahrwerk?

Ein paar Tage später kam dann auch eine Schubkarre voller Pakete. Auf der Facebook-Seite von Watt’n Schrauber empfahl mir Michael, Fahrwerksteile von Lemförder zu ordern. Anscheinend hatte der Gute in seinem W126 damit gute Erfahrungen gemacht. Die Traggelenke kaufte ich auch folglich von der Firma. Man kann es ja einmal ausprobieren. Bei den Stoßdämpfern entschied ich mich für Exemplare von der Firma Sachs, weil der Teilehändler keine anderen im Angebot hatte zu der Zeit. Und genau das Gleiche galt auch für die Domlager, in dem Falle von Meyle HD. Vielleicht hätte ich es mit irgendwelchen Billigteilen wesentlich günstiger bekommen können, aber so minderwertigen Kram, wie man ihn dann oft bekommt, baue ich mir echt nicht gerne an ein Auto. Nicht einmal an einen rostigen Mercedes für 800€. Und preislich macht das nicht viel Unterschied.

Und dann begann der Spaß.

Gut, das Zerlegen des Fahrwerk erwies sich sogar noch als recht einfach. Mit etwas Hitze und Rostlöser ließen sich die Schrauben am Fahrwerk ohne große Probleme zerlegen. Mithilfe meines extra für den Wagen gekauften Federspanners konnten auch die alten Federn leicht ihren Weg in die Rente gehen. Wie ich beim Ausbauen feststellen konnte, war eine der Federn sogar noch gebrochen, worauf ich mir wieder einreden konnte, dass die fast 250 Euro doch gut investiertes Geld waren… Auch die Domlager hatten schon weitaus bessere Tage gesehen – und endlich hatte ich auch die Quelle für ein komisches Quietschgeräusch, das ich beim Fahren häufiger einmal hören, aber nie orten konnte.

Und dann kam das Trag(ik)gelenk.

Während sich mein Vater um das Einschweißen neuer Federteller kümmerte (ich konnte nach meinem Unfall noch nicht wieder in einen Schuh), wollte ich mich an das Ausbauen der verschlissenen Traggelenke machen. Die Traggelenke sitzen im Querlenker und verbinden (ganz grob beschrieben) die Radnabe mit dem Querlenker. Und wenn das so verschlissen ist, wie es bei Hein der Fall war, kann es sein, dass es abreißt, bzw. herausspringt. Und wie das dann aussieht, kann man an dem weißen 200D sehen, den ich nach der ersten Reise mit Hein auf einem Feldweg habe stehen sehen. Uncool, oder? Genau. Und deshalb wollte ich auch lieber neue haben. Wenn sowas auf der Autobahn passiert, ist das dann doch recht uncool.

https://www.youtube.com/watch?v=5KEpqTSOR3g

Da die Querlenkerschrauben, mit dem der Querlenker an die Karosserie geschraubt ist, rundgedreht waren (Danke an die Werkstatt, die das letzte Mal die Achse eingestellt hat – ihr seid echte Experten!), schaute ich nach Alternativen und fand dieses Video. Und wenn man das so sieht, sieht der Tausch doch recht leicht aus. Wenn man aber genauer hinschaut, sieht der Wagen in dem Video an den Achsteilen auch noch erstaunlich rostfrei aus. Und wie ich am eigenen Leibe erfahren musste, wird der Wagen wahrscheinlich keine achtundzwanzig Winter und fast 260 000 Kilometer gesehen haben. Denn – so einfach ist das nicht. Insgesamt habe ich pro Seite zwei Tage (!) gebraucht, um die Traggelenke herauszubekommen. Einige Dosen Rostlöser und etwas Wärme (keine Hitze, wir arbeiten ja an einem Achsteil!), viel Wut, Geschreie, Gemotze und Drohungen mit dem Vorschlaghammer überzeugten die Traggelenke dann aber doch. Der Einbau ging dann doch etwas einfacher. Mit einem LKW-Abzieher (ich habe nur eine große Werkstattpresse und keine kleine Presse für auf die Hand) und einem selbstgebauten Einpresswerkzeug ließen sich die neuen Traggelenke wunderbar einpressen. Den Rest müsste ich nun ja nur noch zusammenbauen. Sollte ein Kinderspiel sein.

Und dann kam das Dummlager.

Domlager, meine ich, natürlich. Ich hatte zwei Domlager von Meyle HD gekauft, wobei das HD hier wohl für heavy duty steht. Viele Schrauber schwören auf die Produkte von Meyle HD, viel schlechtes konnte ich bisher noch nicht hören. Umso erstaunter war ich (nachdem ich die rostfreien (!) Dome noch einmal mit Zinkstaubfarbe und ordentlich Fett behandelt hatte), dass sich eine der selbstsichernden Muttern auf einmal rund drehte, schließlich hatte ich sie nur per Hand draufgedreht. Ich weiß es nicht mehr ganz genau, ob ich an dem Tag Spinat hatte und aussah wie Popeye, aber die Wahrscheinlichkeit ist doch eher gering. Auf jeden Fall habe ich es geschafft, per Hand ohne viel Kraftaufwand das Gewinde einer der Stehbolzen des Domlagers kaputt zu machen. Losdrehen ließ die sich nicht mehr – leider war sie aber auch nicht fest genug. Also musste ich die Mutter runterbekommen. Da ist da aber noch nicht wusste, ob nicht vielleicht doch die Mutter kaputt ist, wollte ich das natürlich möglichst vorsichtig erledigen. Mit einem Mutternsprenger. Der auch sprengte. Aber sich selbst und nicht die Mutter. Und auch der zweite Mutternsprenger tat ihm gleich. Doofes Billigwerkzeug.

Also musste die Flex her. Und wie erwartet war ich da nicht ganz so feinfühlig, wie ich gehofft hatte, obwohl ich vorsichtig war und mir Zeit gelassen habe. Die Mutter war ab und ich konnte das Domlager auch herausnehmen, aber das Gewinde war komplett kaputt. Da war auch nichts mehr mit nachschneiden. Allerdings konnte ich nun ganz genau sagen, dass die Mutter, naja, also eher die Fragmente, ein tadelloses Gewinde aufgewiesen haben. Eindeutig wohl ein Fertigungsfehler. Die Reklamation ging raus, ein neues Domlager wurde mir ohne Beanstandung zugeschickt, aber trotzdem nervte das unheimlich.

Der Rest des Zusammenbaus war tatsächlich ein Kinderspiel und lief ohne Probleme ab. Nur die Spurstangen, die noch keinerlei Spiel aufweisen, die Stabi-Buchsen, die wohl erst vor kurzem neu kamen und die Querlenkerbuchsen, die ebenfalls noch sehr stramm waren, ist das Fahrwerk vorne nun neu und sicher. Als alles zusammen war und ich alle Schrauben mit dem richtigen Drehmoment festgezogen hatte, freute ich mich und dachte, dass Hein vielleicht ab jetzt kooperieren würde. Schließlich wären ja nur noch die Bremsen zu machen.

Doch auch bei den Bremsen hatte Hein noch einige Überraschungen parat.

Aber das gibt es beim nächsten Mal.

Über Watt'n Schrauber

Autoverrückt, restauriert einen Buckelvolvo mit wenig Budget, mag Fotografieren, Tanzen und ist manchmal wohl ein wenig durcheinander. Und mag Norddeutschland.
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