Hähnchen im Speckmantel.

Der dritte Teil meines Roadtrips in die Steiermark. Der nächste Tag, die nächste Tour. Heute soll es um schöne Landschaften, hohe Berge und um ganz viele alte Autos gehen.

Ein Morgen wie jeder andere.

Halt, nein, einen kleinen Moment, bitte. Lasst mich kurz noch einmal überlegen. Der Morgen des 11. August 2018 war für mich kein Morgen wie jeder andere. Ich wurde weder durch einen sanften Sprung in die Magenhöhle meiner Katze Blacky, noch durch das Rumgemeckere meines Schrauberhuhns Hennriette vor meinem Schlafzimmerfenster geweckt. Und das lag nicht daran, dass die beiden keinen Bock mehr darauf hatten, sondern wohl eher daran, dass ich an diesem Morgen in einem Hotelzimmer, gut eintausendfünfhundert Kilometer südlich aufgewachte. Aber auf den Service von Tieren geweckt zu werden, musste ich auch an diesem Ort (gut 30 Kilometer südlich von Graz) nicht verzichten. Hunderte von Mücken vertraten Blacky und Hennriette so gut, dass ich trotz des anstrengenden Vortages eine viertel Stunde vor dem Weckerklingeln aufwachte und mich ins Bad schleppte, um mich für den Tag fit zu machen.

Man will ja einen guten, ersten Eindruck hinterlassen.

Schon als ich die Dusche anstellte (die dank Rostlöchern sogar noch schneller ihr Wasser ablaufen ließ als eigentlich vorhergesehen) und noch ganz schlaftrunken fast mein Shampoo in das Klo (zum Glück ohne Rostlöcher) warf, wuchs meine Vorfreude auf den Tag schon mächtig an. Schon seit einigen Jahren – fünf, um genau zu sein – träumte ich davon, einmal beim „Cruise’n’Grill“ mitzumachen. Als Micky und Anja von Alltagsklassiker das erste Mal die Ausfahrt mit anschließendem Grill-Buffet planten, war Elsa noch ein Haufen Rost, ich noch Schüler und Hein das Familienauto einer Familie mit indisch klingendem Nachnamen. Doch in den fünf Jahren hatte sich einiges geändert – und so freute ich mich schon beim Haarewaschen darauf, endlich einmal all die Gesichter kennenzulernen, die ich bisher nur aus Beiträgen vom Alltagsklassiker-Forum oder von Kommentaren hier aus dem Blog kannte. Ich mache gerne das Internet real, aber das wisst ihr wohl inzwischen.

Ich traf Jürgen am Frühstückstisch. Zum Glück waren auch die Teller nicht durchgerostet. Anstatt auf den Tisch wanderten die Brötchen so dann doch direkt in unsere Münder. Auch Jürgen, der von früheren Graz-Besuchen schon einige Leute kannte, freute sich auf die Ausfahrt. Allerdings war das nicht unser Hauptthema. Auch, wenn ich mir der Gefahr bewusst war, Jürgen den Appetit und somit das Frühstück zu verderben, fragte ich ihn, ob er auch so viel in der Nacht geschwitzt hätte. Ich konnte mich nicht daran erinnern, die flirtende Kassiererin von der Tankstelle schräg gegenüber in der Nacht reingelassen zu haben und konnte so eigentlich nur noch das komische, latexartige Bettlaken als Übeltäter beschuldigen. Ein Glück bestätigte Jürgen meinen Verdacht – und sprach auch die Mücken an. Und auch mich sollten meine tierischen Wecker den ganzen Tag begleiten. Nach dem Duschen zählte ich über 25 Mückenstiche – und alle so groß wie 2-Euro-Stücke. Jürgen hatte drei. Gern geschehen.

Wir mussten uns dann aber eh auf den Weg machen.

Nach einer guten halben Stunde erreichten wir unser Ziel, das, um jetzt für richtig Verwirrung zu sorgen, auch noch der Start vom Cruise’n’Grill war.  Das Wetter sah dabei nicht gerade rosig aus. Es goss wie in Strömen. Aber es störte mich nicht so wie am Vortag. Zum einen dachte ich so nicht mehr an die Mückenstiche, zum anderen sah Hein im Regen sogar mal fast ein wenig gut aus. So konnte ich ihn – fast ohne mich schämen zu müssen – doch zwischen die anderen Schmuckstücke stellen. Um uns nicht aufzulösen (schließlich sind wir ja aus Zucker) flüchteten Jürgen und ich in das Café, wo auch schon die Piloten der anderen Autos saßen. Bei lustigem Smalltalk, einem zweiten Frühstück und richtig guter Mückensalbe (Danke Anja!!!) warteten wir auf das restliche Teilnehmerfeld.

Kurz nach zehn ging die wilde Fahrt los.

Der Konvoi sollte doch ein bisschen gerecht geordnet werden. Ältere und langsamere Autos sollten (natürlich) nach vorne, jüngere und flottere Autos sollten eher das Schlussbild machen. Da Hein auch eher – im Gegensatz zum Fahrer – ein flottes Kerlchen ist, ordnete ich mich in das hintere Drittel des Konvois ein. Das war auch ganz schön, denn so hatte ich die meisten der schicken Fahrzeuge vor mir. Und das waren einige. Ganz vorne weg fuhr Micky mit seinem Mazda 818, besser bekannt als „Erbse“, ihm folgte… nein. Ich glaube, das komplette Starterfeld aufzuzählen sprengt nun den Rahmen. Außerdem würde ich die Reihenfolge eh nicht richtig hinbekommen. Wobei das wohl eh keiner erwarten würde. Aber die Auswahl an Autos war schön bunt gemischt. So kam es, dass neben zwei sehr sauber gemachten Golf 2, ein ebenso schicker Porsche 944 fuhr, dem ein Morris Minor folgte. Richtig gerne hätte ich gesehen, wie Patrick (Schöne Grüße an dieser Stelle!) mit seinem Borgward B2000 durch die Serpentinen geheizt ist. Leider war ich dazu zu langsam zu weit hinten.

Ich glaube, Micky und Anja wollten es einem Flachlandbewohner von mir mal so richtig zeigen, wie man Berge zu fahren hat. Die Strecke, die sich die beiden ausgedacht haben, war zwar „nur“ knapp über 60 Kilometer lang, war aber alles andere als anspruchslos. Man musste schon gehörig aufpassen, um überhaupt hinterher zu kommen. Zumindest ging es mir so. Ich glaube, so viel musste ich beim Autofahren noch nie nachdenken. Zwischen Bremsen, Schalten und Lenken blieb nicht wirklich viel Zeit, um Fotos zu machen, aber das mache ich beim Fahren ja grundsätzlich nicht. Bei der Tour (mit vielen Kurven, Steigungen und Gefälle), habe ich zum ersten Mal auch wirklich gemerkt, warum die meisten Leute bei einem Mercedes zum Automatikgetriebe greifen. Das Schaltgetriebe ist total doof abgestimmt. Wenn man im zweiten Gang den Berg hochfährt und der Motor bei gut 4000 Umdrehungen heult und aus ökologischen Gründen in den dritten Gang schaltet, ist gefühlt das komplette Drehmoment weg. Aber das ist eh Jammern auf hohem Niveau. Wolfi musste in seinem 250D Automatik wohl noch viel mehr aufpassen, den Schwung nicht zu verlieren.

Aber Hein hielt die Strapazen locker durch.

Was man von anderen Autos nicht sagen konnte. Den Anfang machte mein Kumpel Jürgen. Als ich um die Kurve fuhr und seinen Volvo 960 mit Warnblinkanlage erblickte, bekam ich einen mächtigen Schrecken – zuerst dachte ich an einen Unfall – war aber dann doch  nicht überrascht, als Jürgen „nur“ eine Panne hatte. Jürgens Volvo 960 „Gustav“ (Gestatten? Gustav.) ist nämlich leider nicht das zuverlässigste Auto, das jemals die Werkshallen in Göteborg verlassen hat. Dieses Mal hatte sich der alte Schwede dazu entschieden, das Getriebenotprogramm anzuwerfen – somit fuhr die Automatik nur noch im dritten Gang. Und das ist doof, wenn es bergauf geht. Doch nach einiger Zeit und einer Drohung mit meinem Abschleppseil, als gerade das Lied „Flying through the air“ durch die Boxen trällerte, entschied sich Gustav wieder für die Mitarbeit. Ein dreckiger Wahlhebelsensor und wohl etwas zu heiß gewordenes Getriebeöl spielten hier wohl eine Rolle.

Doch „Gustav“ war nicht der einzige Invalide. Auch die Celica von Jakob machte nach der Tour böse Geräusche aus dem Getriebe – und ein Taunus hatte wohl Probleme mit dem Radlager. Hein hielt (und ich hoffe, das ist jetzt nicht so selbstgefällig) aber sauber durch – und schlussendlich kamen auch alle beim Wirtshaus an, wo auch schon ein leckeres Grillbuffet auf uns wartete. Mit einem echt super Ausblick, von dem ich immer noch glaube, dass Micky und Anja hier ein Plakat aufgestellt hatten, genossen wir die Köstlichkeiten vom Grill. Besonders gut geschmeckt hat mir hier das Hähnchen im Speckmantel – aber das habt ihr euch wohl schon denken können. Die Stunden vergingen hier wie im Fluge. Es wurde gegessen, geredet, gelacht und sich gewundert. Anscheinend war es auch hier nicht normal, dass ein sehr verwirrt aussehender Mann immer wieder mit einem Affenzahn mit seinem Tiguan durch die Gegend heizte und einparkte wie mit einem Autoscooter….

Doch für Bilder vom Buffet und von der Veranstaltung möchte ich euch an dieser Stelle einmal auf den Artikel von Micky verweisen: Alltagsklassiker Cruise’n’Grill 5.0 – da könnt ihr viele Bilder sehen. Sogar mit mir drauf. Ich entschuldige mich im Voraus, möchte euch aber zur Entschädigung ein paar Bilder des Starterfelds zeigen.

Und ja, ich habe so doof geparkt.

Viel später als gedacht ging es zurück zum Hotel.

Gustav hatte sich anscheinend erholt. Auf dem Weg zum Hotel lief er wieder wunderbar. Ich folgte Jürgen und hatte zum ersten Mal seit dem Kauf von Hein das Gefühl, dass er zum Reisen vielleicht doch kein so schlechter Kandidat ist. Selbst diesen „Härtetest“ hatte er heute ohne zu Murren bestanden – und auch der Verbrauch ging noch vollkommen in Ordnung. Gut, er mag vielleicht so knackig fahren wie ein Kreuzfahrtschiff und die Schaltung ist so gut abgestuft, dass man noch ein zweites Getriebe einbauen könnte – aber ansonsten schnurrte der alte Mercedes ja wunderbar. Was bei 7 Vorbesitzern und fast 265 000 Kilometern ja nicht zwingend der Fall sein musste. Als ich neben Jürgen auf dem Hotelparkplatz eingeparkt und den Motor abgestellt hatte, streichelte ich Hein das erste Mal über das Lenkrad und sagte „Danke“. Schockiert von mir selbst stieg ich aus. Wir wollten uns noch frisch machen.

What happens in Graz, stays in Graz.

Doch an diesem Abend durfte sich Hein ausruhen. Erst wurde ich von Jürgen, dann von Micky in Gustav durch Graz chauffiert. Nach dem Inhalieren von riesigen HotDogs und einem Spaziergang durch die Stadt, trafen wir dann noch auf Karl (Ihm gehört der hübsche Minor oben) und auf Jakob. Zu fünft versackten wir dann halbwegs in einer Kneipe, bei dem der Kassenbon den Kellnern aus dem Hintern heraus… aber das ist alles eine andere Geschichte. Nichts fürs Internet.

Gefühlt wurde es schon fast wieder hell, als der Sechszylinder vor dem Hotel verstummte. Mit Muskelkater vom Lachen krochen wir auf unsere Zimmer. Ich steckte noch schnell den Gelsenstecker (Mir wurde gesagt, es solle helfen) in die Steckdose, putze mir die Zähne und fiel halbtot, aber zufrieden ins Bett. Das Cruise’n’Grill war besser, als ich es mir je hätte erträumen können. Spaß, leckeres Essen und total sympathische Leute. Kurz hoffe ich, dass die Finanzen nächstes Jahr wieder für die Reise reichen. Aber egal. Ich kratzte mich noch einmal kurz am Hals, atmete tief ein und schloss die Augen.

Nicht einmal die fünfhundert Mücken konnten mich stören.


Der zweite Teil der Reise: Alp-Traum

Der vierte Teil der Reise: Von Schweinen, Erbsen und Autoknackern

Über Watt'n Schrauber

Autoverrückt, restauriert einen Buckelvolvo mit wenig Budget, mag Fotografieren, Tanzen und ist manchmal wohl ein wenig durcheinander. Und mag Norddeutschland.
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6 Antworten zu Hähnchen im Speckmantel.

  1. turboseize sagt:

    Hein ist doch ein 230E. Mit massig Lasitung.

    Fahr mal mit nem w123 Diesel durch die Alpen… 😉

    • LarsDithmarschen sagt:

      Ein 300D fuhr vor mir – und der war gar nicht einmal so langsam unterwegs. Geht also wohl auch. Wobei die recht hast – lahm ist der 230E tatsächlich nicht.

      Schöne Grüße
      Lars

  2. thorsten sagt:

    Ich bin vor etwas über zwanzig Jahren mal ein paar Monate auf Montage im Oberharz gewesen. Mit einem W123 200D oder wahlweise einem Post-T2 mit Campingausbau und 50PS…
    Glaub mir, dein 230E ist schnell.;-)

    Ist der Speckmantel beim Hähnchen eigentlich die Tarnung für tierliebe Hühnerhalter??
    Interessiert mich brennend!

    Cooles Geschreibe, wie immer.

    Aber das mit dem Kassenbon hättest du trotzdem noch ausführen können. So Anmerkungen machen ja neugierig.

    Ich muss auch mal wieder raus. Ein Tag auf der Automechanika oder Anlässe im Familienkreis sind da nicht wirklich Alternativen.

    Weiter so!

    • LarsDithmarschen sagt:

      Hey Thorsten,

      ach, dann erzähle ich es mal. Der Kellner in der Bar, in der wir saßen, war nicht gerade von der schnellen Sorte. Eher 200D als 230E 😉 Die hatten dort einen kleinen, transportablen Drucker – so etwas habe ich noch nie gesehen. Als wir dann die Rechnung bekamen, sah es so aus, als würde der Beleg wie Klopapier aus dem Hintern heraushängen… war schon sehr ulkig!

      Wenn du einmal in Richtung Dänemark aufbrichst, dann sag unbedingt Bescheid!

      Schöne Grüße
      Lars

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