Von Kehrbesen und fliegenden Schweinen

Jeder kleine Junge träumt wohl davon, irgendwann eine Kehrmaschine fahren zu dürfen. Auf dem Cruise’n’Grill 2019 ging dieser Traum fast in Erfüllung. Teil 3 meines Roadtrips.

Ich liebe Obstsalat.

Ich weiß, das ist jetzt eine komische Aussage, wenn ich gerade noch vom Grillen gesprochen habe. Doch auch der dritte Tag meines Roadtrips begann mit einem Frühstück. Eigentlich bin ich ja nicht so der Frühstücksmensch, aber nach einer wirklich erholsamen Nacht in einem richtigen Bett, hatte ich morgens so richtig Hunger. In dem Hotel, in dem mein Kumpel Jürgen und ich die nächsten Tage bleiben sollten, gab es ein richtig schönes, großes Frühstücksbuffet. Mit frischem Saft, mit frischen Brötchen (ääh, Semmeln, wir sind hier ja im Süden…), mit Zerealien und einer großen Schüssel frischem, saftigem Obstsalat. Mir läuft jetzt noch das Wasser im Munde zusammen, wenn ich daran denke. Als ich mich mit ähnlich sabbernden Mund an den Frühstückstisch setzte, wartete Jürgen schon auf mich. Wir beide waren an diesem Morgen hochmotiviert – schließlich würden wir heute an der 6. Ausgabe des Cruise’n’Grill teilnehmen!

Für alle, die nun gar nicht wissen, was das Cruise’n’Grill ist, möchte ich es ganz kurz erklären. Irgendwo mitten in der grünen Steiermark im Süden Österreichs liegt die wunderbare Stadt Graz. Und in dieser Stadt, deren Panorama von den roten Dächern der Altstadt (und von einem Kunsthaus mit ganz vielen Nippeln…) geprägt ist, wohnen Anja und Micky. Die beiden sympathischen Grazer mögen gerne alte Autos. So gerne, dass Micky sogar einen Blog darüberschreibt. Alltagsklassiker heißt der und ist wirklich lesenswert! Die Liebe zu alten Autos hört aber nicht beim Schreiben eines Blogs auf, nein. Die beiden organisieren sogar noch Treffen und Ausfahrten. Neben dem monatlichen Saturday Night Cruising gehört seit 6 Jahren auch noch das „Cruise’n’Grill“ zu den Veranstaltungen, die Micky und Anja so auf die Beine stellen. Im letzten Jahr war ich mit Hein dabei – und mir gefiel die Landschaft und das Hähnchen im Speckmantel so gut, dass ich dieses Jahr auch wieder mitmachen wollte.

Der Letzte muss aufräumen.

Es ist ja ein Phänomen. Kaum ist irgendwo auf einem Oldtimertreffen eine Motorhaube offen, stürzen sich Hobbyschrauber und Technikbegeisterte darauf wie Fliegen auf einen frischen Scheißhaufen. Manchmal wird sogar ein bisschen gedrängelt, um ja einen Blick auf die Kühlerschläuche, auf die Zündkabel oder auf den Luftfilter erhaschen zu können. Warum auch immer. Lustigerweise passierte das auch, als ich kurz vor dem Start bei Hein noch einmal nach dem Ölstand schauen wollte. Kaum hatte ich das Tor zu der Farm, auf dem meine 132 Pferdchen wohnen (Ich weiß, der Witz ist schlecht…), geöffnet, schwärmten von überall Menschen wie in Trance zu meinem Auto und begannen über die Vorzüge eines praktischen Vierzylinders, über die Unterschiede zwischen einem Diesel und einem Benziner und über den Rost an dem Haubenfalz zu philosophieren. Erst, als ich den Deckel wieder geschlossen hatte, hörten sie auf. Irgendwie erinnerte mich das an einen Kumpel aus Kindheitstagen. Sobald der irgendwo einen laufenden Fernseher sah, hörte er auf sich zu bewegen. Bis man den TV ausschaltete. Heins Ölstand stimme übrigens noch.

Und das war auch gut so, denn bei der diesjährigen Ausgabe des Cruise’n’Grill hatten Hein und ich eine ganz besondere Aufgabe bekommen. Einige Wochen vor dem Beginn des Roadtrips hatte Micky mich gefragt, ob ich nicht Lust hätte, zusammen mit Anja und mit Hein das Besenfahrzeug machen zu wollen. Natürlich sagte ich sofort zu! Bevor nun wilde Gedanken in eurem Kopf herumschwirren, wie ich mit einem teuflischen Lachen Kehrbesen an die ohnehin schon eingerissene Frontstoßstange meines Mercedes ranspaxe, möchte ich euch noch schnell beruhigen. Als „Besenfahrzeug“ bezeichnet man nämlich einfach das letzte Auto in einem Konvoi. Das Schlusslicht sozusagen. Ich weiß aber nicht ganz genau, ob Anja einfach gerne bei mir mitfahren wollte (Dafür gehört ihr sowieso noch ein „Tapferkeitsorden“ verliehen) oder ob die beiden sympathischen Grazer ihren Konvoi aus glänzendem Blech nicht von so einem hässlichen Entlein wie Hein unterbrochen haben wollten…

Das Glück fährt mit

Ich freute mich zumindest sehr, dass Anja die Ausfahrt auf meinem Beifahrersitz verbringen wollte. Schon letztes Jahr hatte ich mich in die Landschaft der Steiermark verliebt. Ich mochte die grünen Wiesen, die die Täler wie ein weiches Kissen unter sich bedeckten. Und die Bäume, die die Berge wie Zinnsoldaten bewachten. Ich war mir wirklich sicher, dass es auch in der Obersteiermark, in die diese Ausgabe des Cruise’n’Grill führen sollte, ähnlich hübsch war. Und mit Anja hätte ich eine super Reiseführerin, die mir die Landschaft, die Orte und die Gebäude erklären könnte. Doch bevor das alles passieren konnte, mussten wir erst einmal starten. Der Konvoi, dem ich hinterherfahren sollte, bestand aus immerhin 30 Autos. Auch, wenn dreißig eigentlich keine sonderlich große Zahl scheint – wenn 30 Autos hintereinander herfahren, ist das schon eine lange Schlange. Eine wunderschöne, lange Schlange in diesem Fall. Das Teilnehmerfeld war bunt gemixt, ein Auto war schöner als das andere.

Und ich sollte also dabei helfen, diesen Konvoi irgendwie zusammenzuhalten. Und das war gar nicht so leicht, wie ich dachte. Als ich durch die erste Ortschaft flog, um endlich an den Konvoi aufzuschließen, verriet Anja mir dann auch, dass sie etwas nervös sei. Die ganze Planung empfand sie gar nicht als so stressig, sondern eher die Ausfahrt selbst. Und das sollte schon wirklich etwas heißen, denn Anja und Micky hatten nicht nur die Strecke und unser Ziel-Restaurant herausgesucht, sondern auch noch für jeden Teilnehmer einen kleinen „Goodie-Bag“ mit kleinen Präsenten und Getränken gepackt. Aber ich konnte Anja schon verstehen. Wenn dreißig Autos über die Straße rollen, kann immer mal etwas passieren. Entweder es hat jemand eine Panne, irgendwo dringt einer in die Schlange ein und bringt auf einmal den hinteren Teil zum Anhalten – oder irgendwo wird eine Ampel rot. Und dann? Dann ist doof. Aber mit dem Hein-Schwein an Bord, so meinte ich zu Anja, würde sowieso alles gut gehen.

Vorsicht – tieffliegende Schweine

Und es verlief auch alles ganz gut. Ab und zu hatte sich einmal ein fremdes Auto in den Konvoi eingeschmuggelt, doch das war alles nicht der Rede wert. Entspannt rollten wir an Passanten mit großen Augen vorbei durch das niedliche Örtchen Frohnleiten, fuhren über viele wunderschöne Brücken, die mich total faszinierten und grüßten hupend ein paar Kühe, die am Straßenrand auf einer Wiese wiederkäuend dem Konvoi hinterherschauten. Wirklich spannend sollte aber erst der Eibeggsattel werden. Der Eibeggsattel, so verriet mir Wikipedia schon vor dem Beginn der Tour, ist ein Alpenpass, der mit 1001 Meter ü.A. höher war, als ich in meinem Leben bisher hochklettern durfte. Wirklich – als Flachländer, der auf 4 Meter über Normal Null wohnt, sind 1001 Meter ü.A. schon echt eine Menge. Doch der Druck auf meinen Ohren durch den raschen Anstieg oder der Fakt, dass ich bald meinen ersten „Höhenflug“ erleben sollte, sorgte gar nicht so für die Spannung…

Anja, Micky und Wolfi (selbst Besitzer eines wunderschönen roten W124 und Bewunderer der Nüsse im Motorraum von Hein) hatten mich schon vorgewarnt, dass die Straßen, die den Eibeggsattel hochführen sollte, nicht nur recht steil, sondern auch noch verdammt schmal sein sollten. Und am letzten Samstag, als die drei noch einmal die Strecke abfuhren, war wohl auch wirklich viel Gegenverkehr in den teilweise auch sehr engen Kurven. Kurz bevor wir den Eibeggsattel erreichten, entschied sich dann auch mein Glücksbringer (das kleine Hein-Schwein) dafür, sich vom Armaturenbrett zu lösen und durch das Auto zu fliegen. Doch trotz dieses Omens lief alles glimpflich ab. Die Straßen waren wirklich steil und Haarnadelkurven von dem Kaliber bin ich auch noch nie gefahren – doch alle kamen heil und ganz und ohne Gegenverkehr am anderen Ende der Passstraße im Tal an. Sogar meine Bremsen waren noch kühl, obwohl uns Deutschen wohl nachgesagt wird, dass wir nie die Motorbremse benutzen.

Verschnaufpause

Nach der kurvenreichen und flotten Fahrt über den Eibeggsattel durften sich Mensch und Maschine bei einer kleinen Pause erst einmal ein bisschen erholen. Wären viele die Gelegenheit nutzten, um den Inhalt ihrer Blase und so auch das Gesamtgewicht ihres Fahrzeuges zu verringern, wartete ich darauf, dass der Druck auf meinen Ohren mit einem erlösenden „Flopp“ endlich verschwinden würde. Während der Wartezeit machte ich die Fotos, die ihr hier schon die ganze Zeit sehen könnt. Ich weiß gar nicht genau, was mit mir los war, dass ich ausnahmsweise nur so wenige Fotos gemacht habe. Aber es lag wahrscheinlich einfach daran, dass ich die meiste Zeit fuhr und am Steuer keine Fotos machen wollte. Außerdem – die Erinnerungen habe ich ja gespeichert und werde sie ganz bestimmt nicht mehr vergessen. Als die Pause vorbei war, fotografierte ich gerade Erbse, wie Micky und Anja ihren knallgrünen Mazda getauft haben.

Aber ich erzähle euch lieber nicht, dass ich fast ganz aus der Puste war, als ich wieder bei Hein ankam. Ansonsten haltet ihr mich noch für unsportlich oder so. Auch die weitere Fahrt verlief recht ruhig. Erst im Örtchen „Mürzhofen“ wurde der Konvoi das erste Mal auseinandergerissen. Ein Transporter stellte sich beim Rückwärtseinparken etwas ungeschickt an und brauchte dafür die ganze Straße. Da Anja und Micky aber die ganze Zeit auch telefonisch Kontakt hatten, war dieser kleine Vorfall schnell wieder ausgebügelt und wir konnten zusammen den Pogusch hochfahren. Der Pogusch ist ein Pass, der sogar 1059 Meter ü.A. hoch ist, ich durfte meinen alten Höhenrekord also gleich noch einmal übertrumpfen. Ganz oben auf dem Pogusch befindet sich übrigens ein Wirtshaus, das Steirereck. Das ist bei Leuten der High Society so beliebt, dass es dort sogar einen Hubschrauber-Landeplatz gibt und Leute in kleinen Peugeot weggeschickt werden…

Guten Appetit!

Ich weiß gar nicht genau, wie lange wir unterwegs waren. Auf jeden Fall war ich erstaunt, wie schnell wir doch unser Ziel, das Gasthaus „Zum Hochschwab“ in Thörl, erreichten. Dort wartete schon ein leckeres Grillbuffet auf uns. Und ich glaube, das hatten wir uns auch alle reichlich verdient, denn gemütlich durch die Gegend zu fahren und dabei die Landschaft zu genießen – das macht schon wirklich hungrig. Zum Glück waren die Leckereien, die uns zubereitet wurden, auch reichlich. Ich glaube, niemand ist mit einem leeren Magen nach Hause gefahren. Der Aufbruch war dann für viele doch reichlich plötzlich, wobei das Gewitter, das im Anmarsch war, schon länger zu hören war. Doch zusammengekauert unter den relativ wasserdichten Sonnenschirmen des Wirthauses, hielt ein harter Kern Benzinsüchtiger doch noch ein bisschen länger durch.

Doch irgendwann war es für uns alle Zeit aufzubrechen. Micky und Anja fuhren wieder in Richtung Graz und ich nahm die Verfolgung eines Fiat Puntos und eines Mazda 323 Kombi auf, die mit einem Affenzahn durch das Gewitter flitzten. Es war gar nicht so leicht, mit meinem alten Kahn hinter den agilen Fronttrieblern hinterher zu kommen, doch die Schweißperlen auf der Stirn lohnten sich. Für mich ging an diesem Tag nämlich noch ein kleiner Traum in Erfüllung. Aber das wird eine andere Geschichte.

Ihr werdet mich wiedersehen!

Spätabends trafen Jürgen und ich uns noch einmal mit Micky und Anja zum Abendessen. Hier bedankte ich mich noch einmal bei den beiden für die wunderbare Tour – ich möchte es hier aber auch noch einmal schriftlich machen: Vielen Dank ihr beiden! Das war eine wirklich wunderschöne und auch sehr sehenswerte Tour. Im letzten Jahr durfte ich ja schon merken, dass ihr wirklich Talent dafür habt, eine schöne Ausfahrt auf die Beine zu stellen – und dieses Jahr wurden wir alle wohl auch nicht enttäuscht. Ich muss jetzt auch mal die Drohung aussprechen: Ich werde wiederkommen. Vielleicht nicht im nächsten Jahr, aber irgendwann bin ich wieder da und gehe euch auf die Nerven. Übrigens können Micky und Anja nicht nur Ausfahrten organisieren. Anscheinend sind die beiden auch besonders gut darin, Schauspieler zu engagieren. Im Restaurant am Tag vorher sang ein Besoffener auf einmal los, an diesem Abend war die Kellnerin so unfreundlich wie knapp angezogen.  Zufall kann das alles nicht gewesen sein.

Wenn ihr mehr über das Cruise’n’Grill erfahren und schöne Bilder sehen wollt, dann schaut unbedingt bei Alltagsklassiker (Klick) und bei Speed is Life (nochmal klick) vorbei. Zum Glück gibt es Leute, die Fotos machen und eine Fahrt genießen können.

Aber Multitasking war noch nie so meins.

Über Watt'n Schrauber

Autoverrückt, restauriert einen Buckelvolvo mit wenig Budget, mag Fotografieren, Tanzen und ist manchmal wohl ein wenig durcheinander. Und mag Norddeutschland.
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