Der Sonne entgegen.

Bei einem Roadtrip muss es ja nicht immer um Autos gehen. Heute bleibt Hein stehen.

Heute geht es ganz hoch hinaus. Eine Geschichte über Sonne, Eis und tolle Tourguides.

Hot town, summer in the city…

Ich bin mal so frech und leihe mir die erste Zeile von Lied „Summer in the City“ von „The Lovin‘ Spoonful“ aus. Besser kann man den fünften Tag meines Roadtrips nach Graz nämlich wirklich nicht beschreiben. Während es die vier Tage mit der Hitze auszuhalten war, wurde es an diesem Montag doch auf einmal wieder recht heiß draußen. „Ein Glück lassen wir Hein heute einmal stehen!“, dachte ich mir noch, als Micky und Anja uns von dem Plan für den Tag erzählten. Hein hatte ich gestern ja auch schon viel bewegt – und ohne Klimaanlage wollte ich in dem schwarzen Auto bei gefühlten 40 Grad nicht unnötig viel fahren. Aber ein Auto konnten wir heute sowieso nicht gebrauchen, denn Anja und Micky wollten Jürgen und mir etwas ganz Besonderes zeigen. Unser Ziel hieß an diesem Tag:

Der Schloßberg.

Ich weiß, beim Anblick dieses Bildes werden die Bewohner von Graz rufen: „Das ist nicht der Schloßberg, das ist die Stallbastei!“ – und da haben sie auch recht. Vom Schloßberg ansich habe ich nämlich gar keine Fotos bei Tageslicht gemacht – warum auch immer. Eigentlich fällt der Schloßberg nämlich auf, wenn man durch die Landeshauptstadt der Steiermark läuft – was man vielleicht auf dieser verwackelten Nachtaufnahme gerade noch so sehen kann. 123 Meter höher (für mich als Mercedes-Fahrer ist die Meterangabe leicht zu merken) als der Grazer Hauptplatz liegt der Schloßberg. Wenn man es sehr gemütlich haben will, kann man diesen Höhenunterschied per Schloßbergbahn oder per Lift überwinden. Anja und Micky wollten Jürgen und mich aber einmal ein bisschen herausfordern. Als wir in ihrem Volvo in Richtung Altstadt fuhren, erzählten sie uns, dass wir den Schlossberg zu Fuß erklimmen würden. Kurz überlegte ich daraufhin noch, ob ich nicht meine Wanderschuhe anziehen sollte, doch dann fiel mir ein, dass ich gar keine besitze. Warum auch? Ich fahre ja immer.

Geschichte zum Anfassen. Oder zum Bewohnen.

Nachdem der Volvo sicher (und kühl) in einer Tiefgarage versteckt war, machten wir uns zu Fuß auf den Weg zum Schlossberg. Dafür mussten wir wieder die wunderschöne Altstadt von Graz durchkreuzen. Und weil alles hier so schön erhalten ist, bekam die Grazer Altstadt 1999 den Titel „besterhaltener Stadtkern Mitteleuropas“ und wurde zum UNESCO-Weltkulturerbe benannt. Und obwohl es ein Montagmorgen war, an denen wir durch die prächtigen Altstadtbauten liefen, war überall etwas los. Auch an dem Hotel „Erzherzog Johann“ kamen wir vorbei. Eigentlich hatte ich mir das Hotel für diese Reise ausgesucht, doch finanziell war es weder Jürgens und schon gar nicht meine Kragenweite. Zeit für ein Foto und etwas Gesabber hatte ich aber, bevor mich die drei weiter in Richtung Schloßberg zogen. Auch ganz gut so – bei dem Wetter zu dehydrieren wäre nicht gut gewesen.

Auch von der nächsten Sehenswürdigkeit hätte ich euch gerne Fotos gezeigt – aber anscheinend war ich so überrumpelt, dass ich das schlichtweg vergessen habe. Komisch. Normalerweise vergesse ich das Fotografieren nie. Als nächstes trugen uns unsere Füße nämlich durch die Sporgasse. Wenn man sich für Geschichte interessiert (und da ich alte Autos fahre, werdet ihr euch wohl nicht wundern, dass ich Geschichte interessant finde) und gerade die Grazer Geschichte sehen möchte, sollte man unbedingt einmal durch diese Straße laufen. Anja konnte uns zu fast jedem Haus eine interessante Geschichte erzählen. Neben dem auffallenden roten Gebäude, das das Gasthaus „Zur goldenen Pastete“ (übrigens eines der ältesten Gasthäuser in Graz – auch Queen Elizabeth II hat hier schon gegessen) beherbergt, gefiel mir besonders das Palais Saurau. Nur zu gerne hätte ich euch ein Foto von dem über fünfhundert Jahre alten Gebäude gezeigt, aber von meiner Inkompetenz habe ich schon erzählt. Besonders an diesem Gebäude ist nämlich die Halbfigur eines Türken, die dort in einer Luke angebracht ist – googelt das am besten einmal. Einer Sage nach hängt die Figur dort, weil es im ersten österreichischen Türkenkrieg (1526-1555) den Türken nicht gelungen war, Graz einzunehmen. Ungefähr genau an dieser Stelle, wo ich fünfhundert Jahre später stehe, schwitze und kein Foto mache, wurden sie wohl geschlagen.

Gestatten? Unsere Tourguides.

Nach der Geschichtsstunde in der Sporgasse, die ich bei meinem nächsten Graztrip unbedingt noch einmal besuchen möchte, schleppten Micky und Anja uns den Schlossberg hoch. Anstatt jetzt aber zu jammern, dass ich geschwitzt habe, dass ich noch Muskelkater vom Vortag hatte, oder dass der Weg viel zu steil gewesen sei, möchte ich euch viel lieber einmal unsere Tourguides vorstellen. Das habe ich bisher nämlich noch gar nicht gemacht (Wo sind denn überhaupt meine Manieren?) – und es liest sich bestimmt auch viel schöner als mein Rumgejammere.

Diese beiden gutaussehenden und sympathischen Menschen haben uns in den letzten Tagen Graz und auch die restliche Steiermark näher gebracht. Links, das ist die Anja und rechts neben ihr sitzt der Michael – besser bekannt als Micky. Aber darauf wäret ihr wohl selbst auch gekommen. Die beiden sind übrigens auch daran schuld, dass ich überhaupt diese lange Reise auf mich genommen habe. Micky ist nämlich der Kopf hinter dem Blog „Alltagsklassiker.at“ – und wird von seiner Beifahrerin und Partnerin Anja dabei fleißig unterstützt. Beide leben das Hobby „Altauto“ recht stark aus. Während Anja im Alltag einen grünen Polo 2f namens „Vincent“ bewegt (und auch gerne am Steuer der Erbse sitzt), hat Micky sich doch mehr den Autos aus Hiroshima verschrieben. Auch, wenn ihn im Alltag ein Volvo 960 begleitet, der Jürgens Exemplar mächtig ähnlich sieht, ist der Fuhrpark von Micky fast durchweg japanisch.

So findet sich im Fuhrpark von Michael neben der „Erbse“, die auch noch einen gelben Bruder mit Kombiheck hat, auch noch ein weißer Mazda 323 Van wieder. Dieser wirklich seltene Wagen mit schicken Alufelgen und einer wunderbaren Patina ist ihm halt so zugelaufen – wie es manchmal halt so ist. Nicht wirklich zugelaufen ist ihm sein Mazda MX5 NA, den der Mann mit Benzin im Blut seit 1999 besitzt. Auch hier habe ich natürlich vergessen ein Foto zu machen (Was ist denn mit mir los?) – aber die Geschichte, dass Micky den Wagen nun nach einigen Jahren Standzeit wieder fährt, ist eh viel interessanter. Um es in Kurzform zusammenzufassen: Nach einem Kopfdichtungsschaden stand der Wagen einige Jahre, Anja (von Mickys Benzinvirus schon lange angesteckt!) und einige sehr aktive Mitglieder der Grazer Autoszene machten den Wagen hinter Mickys Rücken wieder fit und überraschten ihn: Geheimprojekt Kork. Unbedingt lesen! Man merkt, dass die Szene in Graz wirklich zusammenhält. Und wo findet man so etwas denn noch?

Über den roten Dächern.

Der Zusammenhalt hörte aber auch mit uns nicht auf. Nach einigen Metern Fußmarsch bergauf war es geschafft. Wir waren auf dem Schloßberg angekommen. Der Ausblick entschädigte für alle Strapazen und unterdrückten Jammereien. Ein Meer aus roten Dächern lag vor uns. Auch das ist eine Grund dafür, dass die Altstadt von Graz zum UNESCO-Weltkulturerbe ernannt wurde. Obwohl die Häuser hier auf den Bilder aus den unterschiedlichsten Epochen stammen, wurde anscheinend schon vor einigen hundert Jahren darauf geachtet, dass das Stadtbild stimmig wirken sollte. Fast alle Häuser wurden mit einem roten Satteldach versehen – wenn man jetzt mal vom Grazer Kunsthaus absieht. Das Grazer Kunsthaus könnt ihr auf dem Bild hier oben recht leicht erkennen – es ist das blaue Gebäude, das aussieht wie ein gelutschter Bonbon mit ganz vielen Brustwarzen. „Friendly Alien“ nannte seine Schöpfer es. Und es fällt nicht nur auf, wenn man vom Schloßberg drauf sieht.

Aber nun bleiben wir mal auf dem Berg.

Ich wurde von einigen Leuten gefragt, ob ich mir in Graz denn auch den Uhrturm ansehen wollte. Ehrlich gesagt wunderte mich das etwas, denn hätte ich nicht einige Reiseunterlagen durchgelesen, die ich einmal von Micky und Anja zugeschickt bekommen hatte – ich hätte keine Ahnung gehabt, was der Uhrturm ist. Doch nun stand er vor mir. Groß, weiß und stattlich. Nicht einmal der singende und tanzende Akkordeon-Spieler konnten von ihm ablenken. Seit 1560 ist er in seiner jetzigen Form erhalten. Eigentlich unglaublich, wenn man bedenkt, wie viele Kriege, Brände und andere Katastrophen seitdem gegeben hat. Wobei… bei Bränden hat der Turm sogar geholfen. Der hölzerne „Balkon“ (Wehrgang genannt) rund um den Turm hat früher Feuerwächtern geholfen, rechtzeitig Brände zu entdecken. Wohl auch ein Grund dafür, wieso die Altstadt von Graz noch so gut erhalten ist. Eine Glocke in dem Uhrturm, bei dem der Stundenzeiger länger ist als der Minutenzeiger, ist übrigens von 1382. Auch sie ist in den Jahren nie für Munition eingeschmolzen worden – und schlägt immer noch zur vollen Stunde.

Wenn man den Schloßberg (übrigens wirklich mit ß und nicht mit Doppel-S) nun weiter hochläuft, dabei genug trinkt und häufig genug anhält, weil man aus der Puste ist um den Ausblick zu genießen, erreicht man die Kasematten. Die Kasematten haben nichts mit irgendwelchen Milchprodukten zu tun, sondern eher mit dem Ort, wo man hinkommt, wenn man zu viele Milchprodukte gestohlen hat. Früher haben die Kasematten nämlich als Gefängnis gedient. Auch, wenn heute vom ursprünglichen Gebäude nur noch sehr gut erhaltene Ruinen erhalten sind (Die Kasematten wurden 1809 bei der Belagerung von Graz von den französischen Besetzern gesprengt), kann man das irgendwie gar nicht so ungemütliche Flair genießen. Inzwischen sind die Kasematten natürlich kein Gefängnis mehr – ganz im Gegenteil. Inzwischen wird hier – je nach Theaterstück – eher gelacht. Heute ist es nämlich eine Art Freilichttheater mit Cabriodach. Bei schlechtem Wetter kann nämlich ein Dach darüber gefahren werden. Hier würde ich mir gerne einmal ein Theaterstück oder ein Konzert ansehen.

Ab hier ging es mit mir bergab.

Naja, gut – eigentlich bin ich mir nicht einmal sicher, ob es mit mir je bergauf ging, aber heute soll es ja um Graz und nicht um Selbstironie gehen. Ein bisschen Wahrheit steckt da aber schon drin. Als Jürgen, Micky und ich die Treppen heruntergingen, merkte ich irgendwie, dass mir die Sonne nicht wirklich gut getan hatte. Es war mächtig heiß und anscheinend hatte ich nicht genug getrunken… und ja, ich weiß, dass ich das eben noch selbst geschrieben habe. Ich hatte ein bisschen Kreislauf. Doch unsere Tourguides packten Jürgen und mich wieder in ihren Volvo (Jürgen fühlte sich wie Zuhause!) und fuhren mit uns in ein alteingesessenes Café, wo wir im kühlen Schatten eines wunderschönen Gartens ein paar Getränke in uns hineinfließen ließen, was auch meinen Kreislauf schneller wieder beruhigte, als ich bis drei zählen konnte – wobei das auch meist schon recht lange dauert.

Ganz ohne Auto geht es halt doch nicht.

Am Ende des Tages (falls ihr überhaupt noch mitlest, schließlich geht es heute eigentlich nicht um Autos) konnten wir uns vor unserem Hobby aber doch nicht mehr retten. Für unseren letzten Abend traf sich fast die komplette Altautoszene noch einmal. Gemütlich saßen wir in einem geheimnisvollen Garten, in dem alte Porsche 911 als Gewächshaus genutzt werden und an den Bäumen anstatt Äpfeln Motoren für kleine Autobianchi wachsen…

Nach einigen interessanten Gesprächen über Rost, Rennsport und Oldtimer (wo wir auch zu dem Entschluss kamen, dass ich der Einzige in der Runde war, bei dem alle Autos, die er besitzt, auch wirklich fahren), besuchten wir noch einmal auf ein schnelles Abendessen die Innenstadt von Graz. Auch, wenn wir in einem Restaurant saßen, das für jeden alternativen Foodblogger ein Traum gewesen wäre – davon habe ich Fotos, aber die gibt es ausnahmsweise nicht. Denn nun möchte ich mich viel lieber bei Anja und Micky, bei Claus und Michi, bei Jakob, Karl und Wolfi und dem Rest der Grazer Autoszene bedanken. Noch nie wurde ich irgendwo so herzlich aufgenommen. Es war nicht so, als würde man in Urlaub fahren und eigentlich fremde Menschen gegenübersitzen haben, es war wie Freunde besuchen. Ich denke, ich spreche hier auch für Jürgen, denn als wir spätabends mit Hein wieder in Richtung Hotel rollten, kamen ihm genau die gleichen Gedanken über die Lippen.

Graz. Ein echtes Abenteuer. Eine wunderhübsche Stadt mit tollen Menschen und dem Herz am rechten Fleck. Und eins ist gewiss – ihr werdet mich wieder sehen. „Selber Schuld!“, kann ich da nur sagen.

Wenn ihr nun aber denkt, dass die Geschichten von meinem kleinen Roadtrip Abenteuer vorbei sind, darf ich euch beruhigen. Oder muss ich euch enttäuschen, je nachdem. Vor Hein und mir lagen gut 1500 Kilometer nach Hause. Und natürlich lief da auch nicht alles glatt.

Wie soll es auch anders sein?


Der vierte Teil meiner Reise: Von Schweinen, Erbsen und Autoknackern

Der sechste Teil meiner Reise: Eintausendvierhundert.

Über Watt'n Schrauber

Autoverrückt, restauriert einen Buckelvolvo mit wenig Budget, mag Fotografieren, Tanzen und ist manchmal wohl ein wenig durcheinander. Und mag Norddeutschland.
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