Suchtbefriedigung.

Die Sonne scheint, die Vögel zwitschern. Der Februar lässt es schon fast Frühling werden.Zeit, etwas gegen die Entzugserscheinungen zu tun und die Oldie-Saison 2019 zu eröffnen.

Den ganzen Winter über träumte ich von diesem Moment.

Dieser Moment, wenn man morgens die Rollläden hochzieht, das Fenster öffnet, herrlich frische Frühlingsluft im Einklang mit Vogelgezwitscher durch den Raum schwebt, die Sonnenstrahlen schon kräftig durch das Fenster scheinen und für ordentlich Vitamin D-Nachschub sorgen. Ich glaube, das lässt wirklich keinen Menschen kalt. Hier an der Nordseeküste meinte es der Februar in den letzten Tagen recht gut mit uns. Nachdem man hier einige Wochen morgens nur von Regen und grauem Wetter begrüßt wurde, scheint nun schon seit einigen Tagen die Sonne und die Temperaturen wandern langsam in Richtung zweistelliger Plusgrade. Und den Effekt merkt man. Alle Menschen scheinen fröhlicher und motivierter zu sein und auch die Schar um mein Schrauberhuhn Hennriette scheint morgens noch fröhlicher zu gackern und zu scharren als in den letzten Wochen.  Die Frühlingsgefühle greifen um sich.

Und auch mich haben die Frühlingsgefühle eingeholt. Keine Sorge – ich werde euch jetzt nicht mit irgendwelchen Geschichten über „Schmetterlingen im Bauch“ vollsülzen. Das könnt ihr eher woanders lesen oder heute Abend im Fernsehen anschauen. Bei mir äußern sich die Frühlingsgefühle nämlich (auch) anders. Aber eher auf eine Art und Weise, die wohl nur Leute verstehen können, in deren Blut man auch eine Oktanzahl feststellen kann. Sobald das Wetter nur den Hauch von Frühling enthält, kribbeln nämlich meine Finger und meine Füße. Nicht aufgrund von Durchblutungsstörungen oder ähnlichen Krankheitsbildern – nein. Es juckt mich einfach, endlich wieder am Steuer eines alten Autos zu sitzen. Gut, eins muss ich zugeben. Eigentlich habe ich diese Entzugserscheinungen auch im Winter. Doch wenn Elsa, Hein und Henkelmännchen Winterschlaf halten, das Wetter grau und trüb und die Straßen voller Salz sind, lassen sie sich einfach besser ignorieren.

Doch vor ein paar Tagen konnte ich nicht anders.

Das Kribbeln in den Händen und Füßen wurde einfach zu stark. Das Thermometer zeigte fast zehn Grad an, die Straßen waren salzfrei und vor dem Winterschlaf tanke ich auch alle Autos voll. Mir fielen wirklich keine Gründe ein, warum ich Henkelmännnchen oder Elsa weiterhin in den Garagen ruhen lassen sollte. Und so wühlte ich mich durch das Chaos, was sich bei mir Wohnung nennt, fand die Papiere und die Schlüssel von Elsa und stiefelte mit einem großen Grinsen in Richtung der alten Volvo-Dame. Das einzige, was gegen eine kleine Tour sprechen konnte: Ich hatte die Batterie vorher nicht aufgeladen. Nun ist so eine 6-Volt-Batterie schon von Natur aus nicht die Stärkste und mit einer fast leeren Batterie ein Auto zu starten, ist meist keine gute Idee. Doch darüber machte ich mir nicht wirklich Gedanken, als ich Elsa aus der Garage schob, den Minuspol wieder auf die Batterie steckte und am Schlüssel drehte.

Aber anscheinend verschwendete auch Elsa keinen Gedanken daran, dass die Batterie vielleicht ein wenig schwach wäre. Relativ schnell hatte sie ihren Vergaser mit Sprit gefüllt und startete fröhlich munter, als hätte ich sie gerade erst abgestellt. Ich mag Elsa immer mehr. Mit einem großen Grinsen legte ich den Rückwärtsgang ein, fuhr die Auffahrt hinunter und startete die erste Fahrt in diesem Jahr.

Sofort war dieses Gefühl wieder da.

Dieses große, dünne Lenkrad mit dem glänzenden Hupenring in der Mitte, mit dem ich die alte Dame erstaunlich leicht durch die Kurven zirkeln konnte, wie ich es gewohnt war. Der lange Schalthebel, der aus dem Kardantunnel ragt und nur darauf wartete, dass ich nach und nach alle drei Gänge durchschaltete. Natürlich vorsichtig, schließlich sollte auch erst das Getriebeöl auf Betriebstemperatur kommen. Wir wollen ja auch nicht sofort nach dem Aufstehen einen Sprint hinlegen müssen. Und dann dieser Blick durch die geteilte Scheibe über die lange Motorhaube, die sich glänzend in Richtung Horizont streckt. Wenn der Blick vielleicht auch etwas getrübt war – ich hätte den Staub des Winterschlafs abwaschen sollen – das Grinsen bekam ich nicht mehr aus meinem Gesicht. Genauso wenig die vielen Radfahrer, die mir auf meiner ersten Fahrt entgegenkamen und freundlich grüßten. Ich lehnte mich zurück und streichelte gemütlich über den Lammfellbezug des Beifahrersitzes. Wie hatte ich das alles nur vermisst.

Ich weiß, es gibt da ein ganz großes Hilfsmittel gegen die Sucht Erscheinungen des Winterschlafs: Den Klassiker einfach ganzjährig fahren. Aber das mag ich nicht tun. Zum einen würde ich dann wahrscheinlich nur noch unter dem Auto liegen – schließlich ist Salz zu diesem alten, nicht verzinkten Blech nicht gerade besonders freundlich. Und bei schlechtem Wetter mit einem Oldtimer durch die trübe Gegend zu fahren, bringt mir auch einfach keinen Spaß. Zudem ist der Winterschlaf auch ganz nützlich, um über den Winter etwas Geld zu sparen. Und das hatte ich diesen Winter auch ganz bitterlich nötig. Außerdem – je länger man wartet, desto größer ist die Vorfreude. Und die hielt bei mir sogar noch an, als ich Elsa wieder in die Garage stellte.

Doch das war nicht alles.

Auch Henkelmännchen hatte ganz vergessen, dass seine Batterie vom Stehen eigentlich hätte leer sein müssen – und sprang erstaunlich schnell an. Selbst der Motor lief sofort ganz rund im Leerlauf, was ich von dem Auto nach längerer Standzeit eigentlich gar nicht kenne. Einzig Hein, mein alter Mercedes, muss sich noch ein wenig gedulden. Der alte Kahn hat nämlich ein Saisonkennzeichen und darf erst ab März wieder unterwegs. Und meine alte Zündapp? Die wartet noch auf Ersatzteile, damit ich ihr nach über einem Jahr Standzeit wieder Leben einhauchen kann. Aber zum Moped fahren wäre es mir auch noch ein wenig zu frisch – und Hein kann auch so ein bisschen Frühlingsluft schnuppern.

Die Saison ist also schon fast gestartet. Wenn es jetzt noch einmal plötzlich Schnee und Salz geben sollte – was man ja nicht ausschließen kann – bleiben „die Alten“ natürlich stehen. Schließlich brauche ich sie noch ein bisschen. Neben einigen Touren, Rallyes und Reisen, möchte ich dieses Jahr nämlich nutzen, um nach und nach alle kleinen Baustellen an meinen Autos abzuarbeiten. Jeden Monat will ich mir ein Wochenende dafür freinehmen. Elsa steckt ihr Alter an einigen Stellen noch ein wenig in den Knochen, Hein soll entrostet werden und eine neu gelagerte Hinterachse bekommen – und Henkelmännchen? Mit dem habe ich besonders viel vor. Aber davon werdet ihr hier natürlich zu lesen bekommen.

Viel Arbeit steht mir also bevor. Aber heute drehe ich erst einmal noch eine Runde.

Elsa hat so nett gefragt.

Über Watt'n Schrauber

Autoverrückt, restauriert einen Buckelvolvo mit wenig Budget, mag Fotografieren, Tanzen und ist manchmal wohl ein wenig durcheinander. Und mag Norddeutschland.
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3 Antworten zu Suchtbefriedigung.

  1. Gerd Flemm sagt:

    Hallo Lars,
    mein Name ist Gerd und ich bin ebenso begeisterter Oldie-Fahrer wie du.
    Ich habe mich in deinem Bericht über Frühlingsgefühle und die entsprechenden Gefühle, was den Oldtimer betrifft, bestätigt gefühlt.
    Meine Minna, ein Ford 12m P4, Baujahr 1965, sprang auch nach einigem saugen an der Benzinleitung sofort an. Es ist wohl ein Gefühl das andere Fahrer neuwertiger Fahrzeuge nicht nachvollziehen können. Ich hatte auf jedenfalls ein Fest getuckertes Grinsen im Gesicht. Es freut mich das es Gleichgesinnte gibt und bin jedesmal begeistert wenn ich eine neue Geschichte aus dem Leben mit Oldtimern lesen kann.
    Weiterhin viel Spaß mit deinen alten Weggefährten und Danke für deinen Blog.
    Liebe Grüße
    Gerd
    PS: Vielleicht sieht man sich einmal auf einem Treffen.

    • LarsDithmarschen sagt:

      Hey Gerd,

      vielen Dank für deinen netten Kommentar!

      Ein 12MP4 ist natürlich auch ein echt stilsicheres Wägelchen. Wenn ich so einen Ford sehe, muss ich immer an die Geschichte denken, die mein Vater mir erzählte.

      Vor über 40 Jahren hat mein Vater mal für einen Nachbarn den Wagen lackiert. Nur in der Garage – mein Vater hat nie Lackierer gelernt. Als er mit dem Wagen fertig war (der Lack war wohl recht gut gelungen), kam der Nachbar mit der Zigarre im Mund an, hustete einmal und die Asche fiel in den nassen Lack. Wie lang war denn deine erste Ausfahrt?

      Auf Treffen sieht man sich hier im Norden bestimmt einmal! Dieses Jahr wollte ich meinen Radius auch einmal ein wenig erweitern.

      Schöne Grüße von der Küste
      Lars

  2. Pingback: So kann es weitergehen! | Watt'n Schrauber.Watt'n Schrauber.

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