Watt’n Alltag – Geschichten von unterwegs: Teil 1

Es gibt Situationen im Alltag, die für ein Lachen, für Verwirrung oder Wut sorgen können.Diese kleine Blogserie soll sich um die kleinen Geschichten drehen, die ich so erlebt habe.

Für Leute, die immer nur zu Hause hocken und am Smartphone spielen, mag das Knacken eines Candy-Crush-Rekords schon echt spannend sein – mir wäre das aber viel zu langweilig. Ich gehe viel lieber vor die Tür und entdecke die Welt.  In der kleinen Serie „Watt’n Alltag – Geschichten von unterwegs“ möchte ich euch jeweils drei kleine Kurzgeschichten über ungewöhnliche Situationen erzählen, die mir in meinem täglichen Leben wirklich so passiert, aber für einen eigenen Blogeintrag zu kurz sind.


Lieblingsfarbe

Flensburg. Ich steuere meinen alten Golf auf einen kleinen Parkplatz, ich habe noch schnell etwas in der Stadt zu erledigen. Im Radio singt Tom Gregory über kleine Schritte, die Scheibenwischer wischen genau im Takt. Zwischen einem grauen und einem silbernen Minivan finde ich eine Lücke und zirkele meinen Kombi dort hinein. Ich drehe am Schlüssel, der Motor verstummt. Ich steige aus. Alles wirkt grau. Der Himmel und die Gebäude um mich herum sind genauso trüb und trist wie die Lackfarben der Autos, die den Parkplatz füllen. Ein kleines Mädchen in einem knallroten Regenanzug und mit passenden, knallroten Gummistiefeln läuft hüpfend über den Parkplatz. Freudig springt sie durch alle Pfützen und lacht laut darüber, wie das Wasser um sie herum platscht und spritzt. Ihre Mutter hält ausreichend Abstand, um nicht nass zu werden. Ich nehme mir gerade meine Jacke von der Rückbank, als sie auf einmal hinter mir steht. „Ich mag dein Auto, weil das ist rot!“, sagt sie, während ich meine Jacke anziehe. „Danke!“, antworte ich ihr und setze mir meine Kapuze auf. „Ich finde deine Gummistiefel ganz toll, aber die sind mir wohl ein bisschen zu klein.“ Die Mutter schaut mich grinsend an, die Kleine schaut auf ihre Stiefel, die immer noch patschend in einer Pfütze stehen. Sie schaut zu mir hinauf, wischt sich ein paar blonde Strähnchen aus dem Gesicht und meint mit einem großen Grinsen „Das sind auch meine!“, bevor sie kichernd in die nächste Pfütze springt.


Farben zum Frühstück

Es ist halb sechs. Meine Augen brennen noch, ich bin noch gar nicht wirklich wach. Ich nehme meine Brille ab und scheuere mir den Schlaf aus den Augen. Ich gähne dabei so leidenschaftlich, dass ich mich kurz ärgere, meinen Zahnarzt nicht mitgebracht zu haben. Aber wahrscheinlich wird er auch noch schlafen. Ein zarter, aber kühler Wind weht mir durchs Haar. Eigentlich hätte ich heute einmal ausschlafen können, doch als herrlich frische Sommerluft in mein Schlafzimmer zog, konnte ich nicht anders. Ich mag es einfach total gerne, der Natur beim Aufwachen zuzusehen. Und auch heute wurde mir wieder ein tolles Schauspiel geboten. Der Nebel stieg langsam aus dem Boden, als ich mit meinem Volvo fast geräuschlos über die leere Landstraße flitzte. Die Eidergänse dümpelten noch schlafend auf dem Wasser und ließen sich von mir auch gar nicht aus der Ruhe bringen. Nur die Schafe, die mit dampfendem Atem auf dem Deich im tiefgrünen, feuchten Gras lagen, schauten mir etwas verwirrt hinterher, als ich „Sixteen Tons“ singend mit offener Scheibe an ihnen vorbei über den Deich fuhr. Ein Glück habe ich das Radio kurz vor meinem Ziel ausgemacht. Nicht nur die Wildcamper in dem Kangoo dort, sondern auch die Möwen schlafen nämlich noch tief und fest. Es herrscht eine Totenstille. Nur die Kieselsteine unter meinen Füßen und das sanft rhythmisch schwappende Wasser sind zu hören. Langsam blinzelt die Sonne über den Horizont. Ich setze mich auf die Kaimauer und lasse meine Füße baumeln. Tief atme ich die salzige Nordseeluft ein, lehne mich gegen eine Dalbe und bin schon gespannt, was der Tag noch so bringen wird.


Vom Apfeltauscher zum Millionär

Genervt lade ich die Einkäufe in den Kofferraum meines alten Mercedes. Die Schlange an der Kasse war so lang, dass ich am liebsten gegangen wäre, doch manchmal muss man eben einkaufen. Besonders, wenn man kein Toilettenpapier mehr zu Hause hat. „Entschuldigen Sie?“, fragt auf einmal eine Stimme hinter mir. Kurz frage ich mich, ob mich mein Auto so alt macht, dass die Leute mich inzwischen siezen, aber das hat wohl eher andere Gründe. „Darf ich Sie kurz einmal etwas fragen?“ Ich drehe mich um. Drei Jungs, ich schätze sie so auf 11 oder 12 Jahre ein, stehen mit großen Augen und etwas verschüchtert vor mir, mitten im Gewühl des überfüllten Supermarktparkplatzes, irgendwo in Hamburg. „Ja?“ lächle ich sie an und sehe, dass einer von ihnen einen runden, roten Apfel in der Hand hält. „Ähm… wir machen ein Schulprojekt und sollen unseren Apfel tauschen… haben Sie etwas für uns?“, fragt mich der Größere, immer noch etwas ängstlich. „Lass mich mal schauen!“, sage ich und drehe mich in Richtung Kofferraum. Ich kann mich noch gut dran erinnern, dass ich solche Projekte in der Schule immer gerne mochte. Mal mussten wir ein Shampoo analysieren, mal die Architektur einer Kleinstadt erkunden. Langweilig war es nie. Die drei müssen nun also einen Apfel tauschen. Auch nicht schlecht. Während ich noch zwischen Klopapier, Fertigpizza und meinem restlichen Einkauf wühle, meint der kleinste der drei Jungs mit einem verschmitzten Grinsen: „Sie können uns auch Ihr Auto geben, ich meine… der rostet ja schon!“ und zeigt auf den Kotflügel. „Du wirst mal ein guter Kaufmann“, lache ich ihn an und drücke ihm zwei Tafeln Vollmilch-Nuss-Schokolade in die Hand.


 

 

Über Watt'n Schrauber

Autoverrückt, restauriert einen Buckelvolvo mit wenig Budget, mag Fotografieren, Tanzen und ist manchmal wohl ein wenig durcheinander. Und mag Norddeutschland.
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