Nein, ihr braucht mich nicht zu berichtigen. Ich zitiere hier kein abgespieltes Schlagerlied. Der erste Teil des großen Roadtrips. Eine Woche voller Abenteuer beginnt. In der Nacht.
Ich wühle in der Hosentaschen nach meinem Autoschlüssel.
Vor mir steht er. Quer vor der Eingangstür. Ich war mir recht sicher, dass ich auf einem Parkplatz stünde, aber das Auto steht quer über einem weißen Kreuz. Das hatte ich wohl in der Eile nicht gesehen, doch jetzt stört es eh niemanden. In Hintergrund hört man deutlich die LKW über die A7 rauschen. Auch eine Zapfsäule füllt ratternd den Tank eines Autos. Eine Frau schaut mich im Vorbeilaufen komisch an, während ich noch tief in meiner Hosentasche nach dem kleinen, nicht elektrischen Schlüssel mit dem Hufeisen als Anhänger wühle. Irgendwie hat er sich zwischen meiner kleinen Kamera und meinem alten Nokia verhakt. Hein scheint es nicht peinlich zu sein im Halteverbot zu stehen. Stattlich steht der alte Kahn da. Die Dunkelheit der Nacht lässt ihn tiefschwarz und glänzend wirken, nur unterbrochen von der Reflektion der gelblichen Beleuchtung der Raststätte, die sich auch im Grill spiegelt. Endlich habe ich den Schlüssel in der Hand. Die Zentralverriegelung gibt den Wagen zischend frei. Ich setze mich wieder auf den noch erstaunlich straffen Sitz. Ich drehe am Zündschlüssel, das Radio spielt Eminem mit „Lose Yourself“. Hein schüttelt sich einmal, der Motor springt an. Ich lege einen Gang ein. Hein gleitet wieder in Richtung Autobahn.
Ich hatte mich dazu entschieden, nachts zu fahren.
Natürlich hatte ich die Reise schon länger geplant. Ich wusste auch schon länger, dass ich wahrscheinlich nachts die Republik durchkreuzen würde. Trotzdem schaute ich immer wieder auf den Wetterbericht, ob sich das Wetter an diesem Mittwoch, den 08. August 2018, nicht doch dafür entschließen würde, die Temperaturen ein wenig zu senken. Meine Wünsche blieben aber unerhört. Und als Mensch, der mit einem schwarzen Auto ohne Klimaanlage unterwegs ist und selbst schon als Heizkraftwerk arbeiten könnte, gab es nur eine Lösung: Nachts fahren. Weniger Hitze durch pralle Sonne, weniger Staugefahr. Neunhundert Kilometer durch die Dunkelheit. Einmal Deutschland im Schnelldurchlauf kennenlernen. Zwei Stunden früher als geplant, nämlich um 21 Uhr, startete ich auf ins Abenteuer. Kurz machte ich noch ein Foto vom Kilometerstand bei der Abfahrt und rollte in der Nacht entgegen. Den Stern musste ich ja nur in Richtung Süden halten.
Gut neunhundert Kilometer lagen vor mir, als ich Dithmarschen verließ. Eigentlich sogar noch mehr, aber ich hatte die Hintour extra in zwei Etappen geteilt. Mein Hauptziel war nämlich Graz, die Stadt mitten im grünen Herzen Österreichs. Es ist schon weit über sechs Jahre her, dass ich anfing, den Blog „Alltagsklassiker.at“ zu lesen. Damals hatte ich noch gar keinen Führerschein, war aber mit 50% schon Anteilhaber an Henkelmännchen, den ich zwar noch nicht fahren durfte, aber gerne beschraubte. Ohne mich bei Micky, dem Betreiber von Alltagsklassiker, einschleimen zu wollen – hätte er den Blog vor zehn Jahren nicht gegründet, hätte ich heute wohl keine Elsa und würde wohl auch nicht hier schreiben – aber das ist eine andere Geschichte… Auf jeden Fall wollte ich Micky, mit dem schon eine recht enge, virtuelle Freundschaft entstanden war, aber auch die anderen Mitglieder des Alltagsklassiker Forums einmal persönlich kennenlernen.
Beim „Cruise and Grill“ sollte es passieren.
Doch ich wollte an der von Micky und seiner besseren Hälfte Anja organisierte Ausfahrt nicht alleine teilnehmen. Auch mein Kumpel Jürgen (den ich ebenfalls über das Alltagsklassiker Forum kennenlernte) wollte mit seinem Volvo 960 mitfahren. Und da Jürgen im Allgäu wohnt – und das ja praktisch auf dem Weg lag – plante ich noch einen Tag Aufenthalt dort ein. Jürgen wollte mir noch einige Highlights seiner Gegend zeigen, die für mich als Flachländer, der bisher „Calais“ als südlichsten Ort auf seiner Liste hatte, interessant sein könnten. So fuhr ich motiviert und gespannt durch die Nacht.
Wirkliche Sorgen, wie bei der Generalprobe, dass Hein schlapp machen würde, hatte ich übrigens nicht. Ich hatte zwar – als Autohypochonder wohl ganz normal – den halben Kofferraum voller Ersatzteile und Werkzeug, aber eigentlich war ich mir recht sicher, dass der alte Kahn durchhalten würde. Einige Handgriffe hatte vorher nämlich noch erledigt. So ersetzte ich teilweise das Servoöl, was die Lenkung wesentlich direkter werden ließ. Auch das Differential durfte sich über neues Öl freuen. Ein Wunder ist es übrigens, dass das Getriebe noch so leise funktioniert. Als da der Ölwechsel anstand, merkte ich, dass die ganze Zeit viel zu wenig (und ganz schön altes) Öl dadrin war. Nach kurzen Schlucken kam neues Öl rein und gut. Auch das ausfallende ABS bekam ich schnell in den Griff – und so stand der fälligen Hauptuntersuchung nichts mehr im Wege. Obwohl zwei Prüfer schauten – beide Fans vom 124er – fand sich kein Mangel mehr. Ich war beruhigt. Und ein bisschen stolz.
Und Hein lief auch richtig gut.
So gut sogar, dass ich erst nach fünfhundert Kilometern eine Pause einlegte. Es war nachts um drei – und auf die Raststätte ein Stückchen südlich von Fulda hatte ich schon lange gewartet. Also nicht, dass ich sie mir ausgesucht hatte – aber bei den vorherigen Raststätten, die ich anfahren wollte, um einmal etwas Flüssigkeit in den Tank herein-, aber auch um etwas Flüssigkeit aus mir herauszulassen, standen die LKW schon so auf den Einfahrten, dass man sie nicht mehr befahren konnte. Aber bis auf den steigenden Druck in der Blase (der wohl auch dafür sorgte, dass ich unbewusst im Halteverbot parkte…), gab es eigentlich keinen Grund zur Pause. Seit ich der Antenne mit dem Rostlöser bekannt gemacht hatte, ließ sie sich wieder herausziehen und das Radio hatte wunderbaren Empfang. Und auch wurde es nicht zu heiß im Wagen – ich konnte dank neuer Seitenwindabweiser (Ja, ich weiß, die sehen peinlich aus…) das Fenster immer einen Spalt aufhaben ohne Druck auf den Ohren zu bekommen.
Und ganz alleine war ich natürlich auch nicht unterwegs. Blogleser und Kumpel Matthias, der mich im Juni mit seinem Volvo „Ole“ besuchte, hatte mir nämlich ein kleines Maskottchen geschenkt. Einen Hein Blöd. Die Frage, ob er jetzt bei „Blöd“ eher an die Zicken, die Hein machte, oder an mich denken musste, ließ er aber bis heute unbeantwortet…
Nachts sind alle Straßen frei. Fast.
Im Radio kamen zwar ab und zu einige Staudurchsagen – aber die A7 war in dieser Nacht angenehm frei. Der Kilometerzähler drehte und drehte, die Stunden und Kilometer vergingen. Freundlicherweise stellte mir die A7 noch genügend Baustellen zur Verfügung – so wurde es auf der Fahrt aber wenigstens nicht langweillig. Gegen fünf Uhr morgens passierte ich dann die Grenze zu Bayern – und so langsam wurde der Verkehr auch mehr. Kurz vor meinem Ziel war es dann soweit: Autobahnsperrung. Mein Navi, das komischerweise mitarbeitete, führte mich rechtzeitig von der Autobahn runter – und über Wege, die sind wohl niemand anders fährt. Einen dieser Wege nutze ich dann für eine kurze Pause. In einer Waldlichtung waren ein kleiner Power-Nap quer auf der Rückbank und kurz frisch machen drin, schließlich wollte ich nicht halbtot und stinkend bei Jürgen auftauchen. Also zumindest nicht stinkend. Wirklich erholsam war die halbe Stunde quer auf der Rückbank im immer wärmer werdenden Auto nicht. Aber es ging.
Ein Wiedersehen.
Wie immer, wenn man einen Freund lange nicht gesehen hat, freute ich mich schon, endlich mal wieder mit Jürgen zu reden – und auch endlich einmal seine Familie und seine Heimat kennenzulernen. Das Willkommenheißen fiel noch freundlicher aus, als ich es mir denken konnte. Auch die Sonne brannte wieder sehr freundlich von Himmel. Umso glücklicher war ich auch damit, dass Jürgen mich den Rest des Tages in seinem Alltagsauto, einem Volvo S40, durch die Gegend kutschierte. Mit herrlich kühler Klimaanlagenluft konnte ich die herrliche Landschaft des Allgäus nämlich noch viel mehr genießen. Und die Landschaft ist auch einfach echt schön dort. Das erste Mal in meinem Leben sah ich so richtige Berge – und am Horizont die Alpen. Ich fühlte mich richtig wohl – was auch an Jürgen und seiner Familie lag, die mich sofort herzlich aufnahmen. Fast wie Zuhause. Nur was Jürgen mit den Frauen an der Fleischtheke erzählte und lachte – das habe ich bis heute nicht verstanden…
Irgendwann, es ging wohl schon auf 22 Uhr zu, fuhr ich über die einsamen Straßen in Richtung Hotel. Hein hatte sich den Tag über ausruhen dürfen, war aber gerade im Innenraum ziemlich heiß geworden. Die Gummibärchen auf dem Beifahrersitz waren nur noch eine Masse. Und auch meine Plastik-Wasserflaschen sahen irgendwie anders aus als vorher.
Nach einer guten viertel Stunde Fahrt kam ich am Hotel an. Meinen Zimmerschlüssel hatten wir schon vorher abgeholt – und da bekam ich auch zu wissen, dass Hein unter Dach stehen dürfte, was mich natürlich freute. Für die Nacht wurden Starkregen und Unwetter angesagt – und Heins Kofferraum ist nicht mehr ganz dicht. Wobei es besser wurde, nachdem Jürgen mir die Heckklappe ein wenig besser einstellte. Wirklich Zeit die Aussicht von meinem Balkon zu genießen oder mir die Broschüren der Umgebung durchzulesen, hatte ich aber an dem Abend nicht mehr. Nach einer dringend notwendigen Dusche und einem kurzen Check der E-Mails, fiel ich dann auch halbtot, aber sehr zufrieden ins Bett. Ich wollte erst einmal wieder Energie tanken, denn morgen sollte es nach Graz gehen. Aber das waren ja „nur“ noch 500 Kilometer. Ein Klacks.
Ich konnte mir da noch nicht ausmalen, was für ein Abenteuer diese Fahrt noch werden sollte…
Der zweite Teil der Reise: Alp-Traum
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