Wenn der Schwabe zum Schweden wird.

Ich mag gerne schwedische Autos. Anscheinend hat Hein das inzwischen mitbekommen. Seine Eifersucht drückte er in lauten Brunftschreien aus. Heute: Wie ich Hein entröhrte.

Alte Autos haben menschliche Züge.

Zumindest kann ich mir einige Phänomene nicht anders erklären. Ich hoffe, dass mir Besitzer von mehreren Autos zustimmen werden und ich nun nicht alleine mit meiner Theorie dastehe. Wahrscheinlich haltet ihr mich aber sowieso schon nicht für den hellsten Stern am Himmel, also habe ich auch nicht viel zu verlieren. Meine Theorie? Ich bin mir wirklich sicher, dass Autos untereinander irgendwie kommunizieren müssen. Wirklich! Es kann ja nicht alles „Zufall“ sein. Es gibt nämlich Phasen in meinem Fuhrpark, da schwebt die Harmonie durch die Garage wie der Nebel an einem lauen Frühlingsmorgen über eine taunasse Wiese. Jedes Auto springt beim ersten Anlasserdreh an. Wenn man sie erst einmal behutsam warm gefahren hat, läuft jedes Auto so, als wäre es gerade vom Fließband gekommen. Diese Phasen genieße ich sehr, denn ich weiß, was Autos für Diven sein können.

Sobald man nämlich nur einmal einem Auto etwas mehr Aufmerksamkeit gönnt als den anderen, herrscht in der Garage bald dicke Luft. Immer, wenn ich mich etwas intensiver mit einem Auto beschäftigt habe, entwickeln kurz darauf alle anderen irgendwelche kleinen, nervigen Macken. Meist sind es tatsächlich nur Kleinigkeiten. Mal brennt ein Rücklicht nicht mehr, mal scheppert für kurze Zeit ein Lautsprecher und wenn ich ein Auto ganz besonders verärgert habe, stottert es die ersten Kilometer meist etwas mit dem Motor. Doch nach einigen Kilometern und netten Worten sind die Autos meist zur Vernunft zu bringen und haben mir verziehen. Es gibt nur eine Ausnahme. Mein alter Mercedes Hein. Wenn ich den nämlich einmal zwei, drei Wochen stehen lasse, macht er danach immer Stänkereien, die ich reparieren muss. Und darüber möchte ich euch heute erzählen.

Zunächst schien er nicht jähzornig.

Drei Wochen hatte ich Hein nicht mehr bewegt, als ich eines frühen Morgens unters Carport stapfte und ihn aufschloss. Ich hatte einfach keinen Anlass dazu. Bei schönem Wetter habe ich viel mehr Spaß dabei, mit Henkelmännchen oder Elsa durch die Gegend zu flitzen. Und im Alltag? Da fahre ich weiterhin meinen Diesel-Kombi „Harald“. Den fahre ich besonders gerne, wenn das Geld ein wenig knapp ist. Und das ist momentan fast immer knapp. Nach drei Wochen bekam ich dann aber doch ein schlechtes Gewissen. Die salzige Nordseeluft ist ja doch etwas aggressiv – und Heins Bremsscheiben sahen schon böse rostig aus. Der Tank war noch voll – und so entschied ich mich dazu, einmal mit Hein nach Hamburg und zurück zu fahren. Die lange Tour würde ihm ja schließlich bestimmt guttun.

Und das tat sie auch. Nach kurzem Stottern, das Hein immer nach „längerer“ Standzeit hat, schien er mir bald verziehen zu haben, dass ich ihn einfach ungeliebt und dreckig unterm Carport hatte stehen lassen. Ruhig glitten wir über die Autobahn, zwischendurch sogar etwas schneller als der morgendliche Berufsverkehr in Richtung Hamburg. Erst kurz vor Pinneberg meldete mir eine gelbe Lampe im Armaturenbrett, dass Hein mir doch nicht so ganz verziehen hatte. Das ABS hatte wohl keine Lust auf den Landkreis Pinneberg (durchaus verständlich) und machte frühzeitig Feierabend. Im Hinterkopf einen neuen ABS-Sensor auf die Liste setzend, fuhr ich weiter. Vielleicht hatte Hein sich ja auch geirrt oder würde noch zur Vernunft kommen. Das dachte ich auch noch, als eine kaputte Glühlampe dazukam.

So ein Mercedes ist ja auch ganz vernünftig.

Als ich Hein aus der fast ganz verwaisten Tiefgarage fuhr, schien alles wieder okay. Alle Leuchtmittel taten so, wie sie sollten – und auch das ABS hatte sich beruhigt, blieb aber natürlich trotzdem auf meiner „To-Do-Liste“ abgespeichert. Die Fahrt nach Hause verlief ganz unspektakulär. Es war zwar freitagnachmittags und die Straßen waren dadurch etwas voller, aber wir standen nicht im Stau, die Musik war klasse und die Sonne begleitete mich auf dem ganzen Weg von Hamburg nach Dithmarschen. Irgendwie freute ich mich schon auf den nächsten Roadtrip mit Hein. Gemütliche lange Strecke fahren – das ist genau sein Ding. Nun wollte ich aber erst gleich noch einmal das Wetter ausnutzen und Elsa röhrend über Feldwege scheuchen – genauso, wie es der Motorradfahrer hinter mir tat. Auch, wenn ich ihn durch die dreckige Heckscheibe nicht sehen konnte.

Erst an der nächsten Kreuzung begann ich mich zu wundern. Nach einem Motorrad klang das nicht. Irgendwie dumpfer. Und irgendwas schepperte da doch auch immer. War es vielleicht ein Sportwagen? Aber den würde ich doch zumindest in den Spiegeln sehen. Ich schaute durch die Windschutzscheibe nach oben. Vielleicht ja doch ein Hubschrauber? Ich setze den Blinker, bog ab und drückte aufs Gas. Es fiel mir wie Schuppen von Augen. Hein war das. Hein röhrte und schepperte hier rum. Anscheinend hatte er sich wohl den Auspuff losgeschüttelt. Er wollte einem Elch nachmachen. Vielleicht dachte er sich, wenn er sich ein Stückchen schwedischer macht, fahre ich ihn mehr? Oder war das nur Rache für die Standzeit?

Schnellst möglich fuhr ich nach Hause. Es hörte sich nämlich nicht nur reichlich peinlich an – ich hatte auch Angst, dass die Brunftschreie von Hein irgendwelche A-Klassen anlocken könnten. Und Fuhrpark-Nachwuchs? Das konnte ich momentan erst recht nicht gebrauchen.

Ein schwarzes Loch.

Meine Hoffnung, es könnte sich nur irgendwo eine Schelle gelöst haben, waren aber schnell zerschlagen. Ein kurzer Blick unters Auto zeigte deutlich: Hein hatte sich seinen Mittelschalldämpfer auseinandergeschüttelt. Das Rohr in Richtung Kat war fast schön rund abgerostet. „Das schweißt du morgen schnell und dann ist wieder gut“, meinte ich zu mir. Der Wagen war schnell aufgebockt, die Verschraubungen des Flansches zum Kat gingen sofort los – und die Schelle, die die Verbindung zum Endtopf zusammenhält, riss einfach kaputt. Vielleicht sollte ich mich „Watt’n Popeye“ nennen. Aber so gerne mag ich Spinat nun auch wieder nicht. Einzig die Steckverbindung zum Endschalldämpfer war störrisch. Und so entschied ich, den Endtopf auch noch schnell auszubauen und die Verbindung im ausgebauten Zustand zu lösen. Sollte ja ein Kinderspiel sein. Aber das wäre eine Aufgabe für den nächsten Tag.

Zwei Wochen später.

„Das macht dann neunzig Euro und vierundfünfzig, bitte“, lächelt mich die Kassiererin des Teilehändlers meines Vertrauens an. Auch wenn ich ansonsten eher sparsam lebe – hier gebe ich gerne Geld aus. Nur heute bin ich ein wenig giftig darüber. Ich hatte gehofft, es wird so leicht wie bei Elsa beim Beginn ihrer Restauration, die Steckverbindung zwischen Endtopf und Mitteltopf zu lösen – doch weit gefehlt. Mit bloßen Ziehen war nicht nur aufgrund meiner fehlenden Popeye-Kräften nichts mehr zu machen. Auch mit Rostlöser, Hitze und Eis-Spray hielten die beiden fest aneinander. Nach zwei Tagen Herumkämpferei hatte nicht einmal mehr Hennriette noch Lust sich das Drama anzusehen – und ich holte zur Abwechslung nach zwei Jahren meine Zündapp einmal wieder aus der Garage. Aber das wird eine andere Geschichte.

Über zwei Wochen hinweg sprühte ich die Verbindung mehrmals täglich mit Rostlöser ein. Wahrscheinlich hätte ich schon an dieser Stelle kapitulieren und einfach einen neuen Mittelschalldämpfer kaufen sollen – aber ich war da doch recht verbissen. Ich wollte mir das Geld für einen neuen Mitteltopf sparen – denn bis auf das abgerostete Rohr war er ja noch gut. Und gute Sachen mag ich nicht wegwerfen. Doch nun hatte ich keine andere Wahl mehr. Ich hatte es nach all dem Einwirken noch einmal mit Hitze versucht. Mein Kumpel Jürgen meinte zu mir, ich sollte die Verbindung richtig zum Glühen bringen – und zuerst schien das auch wirklich zu helfen – bis ich plötzlich auch noch das andere Rohr kurz vor der Steckverbindung abgerissen hatte. Nun war der Mitteltopf dahin – und meine Motivation ihn zu retten auch. Ich pulte den Rest mit einer Zange heraus und war froh, zumindest den Endtopf gerettet zu haben.

Der Anbau verlief recht einfach.

Während der „Einwirkpause“ des Rostlösers hatte ich noch schnell zwei Stellen am Unterboden entrostet. Ich hasse rostige Unterböden – ich weiß nicht genau wieso, aber irgendwie ist das für mich wie eine dreckige Unterhose. Jeder hat wohl so seinen Tick – das ist meiner. Der Lack aus dem landwirtschaftlichen Bereich hatte sich bei Elsa schon gut geschlagen – also konnte er hier wohl auch keinen Schaden anrichten. Der Lack war schon lange trocken und das Seilfett klebte auch schon auf den Stellen, als ich den Mittelschalldämpfer wieder einhakte und festschraubte. Vorher hatte ich all den Falzen und Kanten noch eine Portion silbernen Auspufflack verpasst – es wird zwar nicht viel bringen, aber vielleicht fängt der Auspuff nun anstatt in zwei erst in drei Monaten an zu rosten.

Das gleiche machte ich auch noch schnell mit dem Endtopf, der laut Prägedatum sogar noch der erste sein soll. Ob das stimmt? Keine Ahnung. Der Mittelschalldämpfer war von 2004 – also irgendetwas wurde dort schon einmal getauscht. Vielleicht ist der Endschalldämpfer auch nur „New Old Stock“ gewesen. Weil… wirklich vorstellen kann ich mir das nicht, dass bei einem ungepflegten Benziner ein und derselbe Endtopf fast dreißig Jahre unter dem Auto hängen soll – aber man weiß ja nie. Auch der Endtopf war schnell angebaut – und mit einer neuen Schelle auch schnell mit dem Mittelschalldämpfer befestigt. Auf dass sie für immer zusammenbleiben. Obwohl… eigentlich muss ich die Hinterachse noch einmal auseinanderbauen. Ich glaube, damit warte ich nicht mehr allzu lange.

Hein ist jetzt wieder ruhig.

Die Probefahrt lief zufriedenstellend. Zwar fand ich den sportlichen Sound doch irgendwie ganz cool – aber zu einer alten Limousine passt es doch besser, wenn alles ein wenig leiser ist. Und das Scheppern war nervig. Die kaputte Instrumentenbeleuchtung ignorierte ich auf der Probefahrt einfach, ganz so einfach lass ich mir von Hein doch nicht auf der Nase herumtanzen. Natürlich ist meine Theorie mit der „Eifersucht“ zwischen meinen Autos nur dummes Gerede von mir. Aber eines möchte ich euch nun zum Schluss dazu noch erzählen:

Als ich Elsa kurz nach Heins Reparatur wieder aus der Garage fuhr, strullte sie auf einmal ihr Benzin heraus. Der Schlauch vom Tank zur Benzinpumpe hatte sich losgedreht – warum auch immer. Bei der letzten Fahrt war alles okay.

Vielleicht ist an meiner Theorie also ja sogar doch ein Fünkchen Wahrheit dran…

Über Watt'n Schrauber

Autoverrückt, restauriert einen Buckelvolvo mit wenig Budget, mag Fotografieren, Tanzen und ist manchmal wohl ein wenig durcheinander. Und mag Norddeutschland.
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