Vermisst: Kiesplatz-Klassiker.

Früher verließen viele Klassikerfahrer nur für einen Bummel über den Kiesplatz das Auto. Lohnt das sich noch? Kann man dort zwischen Schrottgurken noch Schnäppchen finden?

Ab und zu muss man sich ja auch mal bewegen.

Als ich mich neulich mit Michael (dem Macher des Blogs Alltagsklassiker) unterhielt, merkten wir schnell, dass wir einmal die gleiche Lieblingsbeschäftigung hatten. Sonntagnachmittags, wenn die Sonne schien, über die Kiesplätze von Gebrauchtwagenhändlern zu wandern, sich durch hohes Gras an vergessenen Unfallwagen vorbei zu kämpfen und nach einem Schnäppchen Ausschau zu halten. Zumindest vor ungefähr fünf Jahren standen hier meist alte Young- oder Oldtimer, meist noch in gutem Zustand, die einfach noch niemand haben wollte. Sei es der Mitsubishi Lancer der Oma aus erster Damenhand oder der rostfreie Fiesta II mit 21 000 Kilometern. Spätestens wenn man einige Artikel von Alf Cremers gelesen hat, der immer von seinen Kiesplatzkäufen für einige hundert Euro in der „MotorKlassik“ berichtet, träumt man selbst davon, einen ungeliebten Klassiker aus dem wuchernden Unkraut eines Kiesplatzhändlers zu befreien.

Doch ist das heute überhaupt noch möglich?

Michael war vor fast fünf Jahren das letzte Mal auf Kiesplatz-Pirsch, bei mir ist es auch schon etwas her. Mein Bedürfnis nach alten Autos war durch den vorhandenen Fuhrpark, durch Reisen und Reparaturen schon mehr als gedeckt. Ein Spaziergang an der Nordsee ist außerdem viel schöner. Doch nach unserem Gespräch wollte ich einmal schauen, was die Kiesplatzhändler denn noch so hergeben können. Als ich das letzte Mal unterwegs war, fand ich einen Renault 25 Turbodiesel der ersten Serie im Neuwagenzustand, einen schicken Citroen BX Break und mehrere alte Japaner. Und ehrlich gesagt – ähnliches vermutete ich gestern auch, als ich in meinen rostigen 124er Mercedes stieg und mich auf Entdeckungsreise machte.

Doch schon auf der Fahrt fingen die Probleme an.

Und das lag nicht an Hein, meinem Mercedes, den ich vor einem Jahr für ein Taschengeld vor dem Export „rettete“. Ich wusste einfach nicht genau, wohin ich überhaupt fahren sollte. Es fahren zwar hier im Norden noch recht viele alte Autos herum, aber ich war mir nicht sicher, wo ich diese Autos überhaupt suchen sollte. Ich weiß nicht, ob es an den zahlreichen Abwrackprämien der letzten Jahre lag – aber klischeehafte Kiesplatzhändler gibt es hier gar nicht mehr. Die meisten Autohändler hier sind nur noch Vertragshändler oder verkaufen maximal noch junge Gebrauchte. Altfahrzeuge gehen auf den Schrott oder werden von Aufkäufern in den Export geschoben. Verkauft wird sowas meist nur noch über privat. Trotzdem versuchte ich mein Glück einmal bei einem großen Autohandel, der vorne an der Straße nur junge Leasing-Rückläufer stehen hat.

Ich war erstaunt über die Massen an günstigen und scheinbar gar nicht schlechten Euro5-Dieseln, die der Händler zur Auswahl hatten. In schier endlosen langen Reihen standen silberne, schwarze und blaue Autos, die bestimmt alle noch keine zehn Jahre auf der Uhr hatten. Außer eines siebzehn Jahre alten, blauen Opel Astra Kombi waren keine Altautos zu sehen. Nur in der hintersten Ecke, hinter der Werkstatt, stand eine Reihe alter Mercedes W124. Zwischen einem gut gebrauchtem 230CE und einem rostigen 190er Mercedes stand tatsächlich ein schicker 230E, ich tippe bei der Farbe auf „Impalabraun.“ Kein Rost weit und breit, ein Automatikgetriebe, eine gute Ausstattung und unter 100 000 Kilometer ließen mich fast überlegen, ob ich den Wagen nicht gegen Hein tauschen sollte – aber frisch aufbereitet war der Wagen garantiert nicht günstig. Ein Preisschild hing nicht und aufgrund der Farbe wollte ich auch gar nicht erst fragen. Außerdem ist Hein mit seinen ehrlich erworbenen Kampfspuren viel sympathischer.

Das Angebot des nächsten Händlers war nicht besser.

Zumindest aus Liebhaber-Sicht. Wenn man einen guten Gebrauchtwagen haben möchte, kann man dort wohl hingehen – ein früherer Kontakt mit dem Händler verlief sehr zufriedenstellend. Doch in Sachen Klassiker hatte er wieder „nur“ zwei W124 dort stehen. Dort lagen ebenfalls keine Preisschilder in den Autos – doch der ganz dunkelblaue 200E gefiel mir ziemlich gut. Aber schon auf den ersten Blick wusste ich, dass beide Autos auch hier nicht in die Schnäppchen-Kategorie fallen würden. Aber auch hier wollte ich den Verkäufern nicht erst unnütz Zeit rauben und setzte mich wieder in mein Auto, das aussieht, als hätte es einmal in einen der hinteren Ecken so eines Platzes gestanden.

Und so ging es den ganzen Nachmittag weiter.

Nirgendwo konnte ich ein wirkliches Schnäppchen finden – geschweige denn einen Old- oder Youngtimer. Nicht einmal einen einzigen heruntergekommenen Golf III konnte ich bei einem Händler entdecken. Es war sogar nur ein einziger Golf IV dabei. Die meisten Autos waren ziemlich neu, in der hintersten Ecke standen meist Fahrzeuge, die maximal zwölf Jahre alt waren. Erst bei einem Export-Händler fiel mein Blick auf einen Lexus, doch eine genauere Begutachtung fiel flach. Betreten verboten. Auf meinen Fahrten fand ich dann aber schließlich am Straßenrand doch noch einen Wagen, den ich vor einigen Wochen einmal bei Kleinanzeigen gesehen hatte. Ein verblasst blauer Golf II stand am Straßenrand und schaute traurig aus einen schiefen Scheinwerfern. Wieder waren weder Kontaktdaten noch ein Preis ausfindig zu machen – und so zog ich weiter. Gekauft hätte ich ihn sowieso nicht. Ich war nur neugierig.

Die Zeit der Klassiker-Schnäppchen scheint vorbei.

Kein einziger Omega B oder 3er BMW der Baureihe E36 war zu finden. Nicht einmal eine frühe C-Klasse stand sich irgendwo die Reifen eckig. Alles Autos, die nun vielleicht noch keiner haben möchte, aber in einigen Jahren wohl einmal gesucht werden. Die einzigen Autos, die ich wirklich fand, waren eine Reihe von alten W124. Und auch die werden bestimmt nicht mehr günstig sein, wenn man sich die Preisentwicklung der letzten Jahre so ansieht. Bleibt also wohl tatsächlich nur noch das Internet, die Zeitungen oder Mundpropaganda, um seinem Glück etwas auf die Sprünge zu helfen. Vielleicht haben auch nur die Händler hier auf dem Land ihren Fahrzeugbestand so verjüngt und ich sollte einmal in Hamburg schauen. Doch wenn ich anderen Leuten trauen darf, ist es dort auch nicht mehr so wie vor fünf Jahren. Aber da bin ich auch sehr auf eure Erfahrungen gespannt.

Doch ein paar Sachen habe ich gelernt: Euro5-Diesel sind momentan mächtig günstig, man darf einen Klassiker nicht suchen – er findet einen schon selbst. Und zum Spazierengehen werde ich sonntagnachmittags doch weiterhin den Nordseedeich bevorzugen.

Ich kann ja mit einem alten Auto dorthin fahren.

 

Über Watt'n Schrauber

Autoverrückt, restauriert einen Buckelvolvo mit wenig Budget, mag Fotografieren, Tanzen und ist manchmal wohl ein wenig durcheinander. Und mag Norddeutschland.
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6 Antworten zu Vermisst: Kiesplatz-Klassiker.

  1. David sagt:

    Moin,

    zugegeben, da gab es früher schon deutlich mehr zu sehen.
    In meiner alten Heimat gab es mal unweit der Filliale einer bekannten Fastfoodkette einen Kiesplatzhändler – was lag also näher als mit dem frisch erworbenen Führerschein die halbe Stunde durch die fränkische Prärie zu fahren, sich nen Burger zu holen und anschließend über den Platz voller verwelkender Schönheiten zu wandern?

    Was da alles noch rumstand…
    Porsche 924, Audi Coupes aus den 80ern, RX7, ab und an sogar mal was aus den USA (das gab es bei uns eigentlich garnicht) und alles in gut abgerockten Zustand für sehr moderate Preise.

    Der Kiesplatzhändler musste irgendwann einem Altenheim weichen und bot an neuer Stelle auch nur noch junge Gebrauchte an – Interessant waren nur noch die Inzahlungnahmen hinter dem Haus mit teils „interessanten“ Modifikationen der Vorbesitzer (Golf 1 Radläufe am Passat 3BG, …).

    Was mich ein Bisschen überrascht ist, dass ich im schönen Schleswig-Holstein eigentlich schon die Erfahrung gemacht habe, dass deutlich mehr Altblech bei „regulären“ Händlern steht – meist hinter der Halle versteckt aber dennoch zugänglich und auch für Privatpersonen käuflich.
    Beim Pendeln zwischen West- und Eastcoast konnte ich hier im letzten Jahr ein paar schöne Entdeckungen machen. Teilweise bei irgendwelchen Hausansammlungen die kaum als Dörfern zu bezeichnen sind, teils bei recht großen Gebrauchtwagenhändlern mitten im Gewerbegebiet.
    Selbst im – weitläufigen – Bremer Umland wurde ich schon fündig.

    Es gibt Sie also noch, die ungeliebten Kinder der 80er und frühern 90er, die als Verbrauchtwagen auf Erlösung hoffen – nicht mehr so häufig wie früher, klar aber dennoch warten Sie verborgen im Schatten darauf, dass jemand Sie wachküsst und aus dem Tiefschlaf erlöst (herrlich poetisch).

    Mit volvoschraubenden Grüßen von der anderen Seite der Eiderbrücke,

    David

    • LarsDithmarschen sagt:

      Hey David,

      ist dein erstes Auto denn auch eines von einem Kiesplatz geworden?

      Als ich vor zwei Jahren für Bekannte ein Auto suchen sollte, standen auch noch interessante Fahrzeuge rum. Gepflegter Erst-Hand-Erst-Serien-R25-Diesel, rostige S-Klassen, Nissan Bluebird Kombi – aber die sind bestimmt inzwischen alle gequardert worden. An Bastelbuden kann ich mich auch erinnern. Audi 80 B3 mit einem Heckspoiler hinten drauf, der selbst auf einem Sportwagen als „too much“ bezeichnet würde…

      Wo hast du denn die Autos entdeckt? Richtung Ostsee bin ich nur noch selten unterwegs. Wäre mal interessant ein bisschen auf Entdeckungstour zu gehen. Bald startet die Klassikersaison ja auch mal wieder richtig, da müssen die Autos ja auch einmal bewegt werden.

      Habe ich dich eigentlich schon einmal gefragt, was für einen Volvo du fährst?

      Schöne Grüße aus Dithmarschen
      Lars

  2. Ralf Schlott sagt:

    Wieder ein so richtig klasse geschriebener Artikel.

    Da erinnert mich an die Geschichte vom Fund meines Saab 9-5. Ich habe ihn zwar über das Internet gefunden, aber dann auch vom Kieshändler in der Nähe von Stuttgart geholt. Ich hätte ihn auch bei der Besichtigung stehen lassen können. Aber ich erkannte das Potential des Autos. Er stammte aus 1. Hand und wurde nur in Süditalien gefahren. So habe ich den Wagen für kleines Geld nach Hause gefahren. Über 600km nach Hamburg auf 3 funktionierenden Stoßdämpfern. Ich erinnere mich noch an die anstrengende Fahrt über die Autobahnschwellen und ständigem Gegenlenken.

    Hach, watt schön! 😉

    Gruß Ralf

    • LarsDithmarschen sagt:

      Hey Ralf,

      das hört sich aber ja auch abenteuerlich an! Wie kam es denn, dass nur einer der Stoßdämpfer kaputt war? War dem Vorbesitzer ein Schlagloch in den Weg gesprungen? Der Saab 9-5 steht auch noch auf meiner „Must-irgendwann-einmal-have“-Liste. Gerade als Kombi finde ich den megaschick. Wie lange fährst du deinen denn schon?

      Schöne Grüße
      Lars

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